Spark Art Fair in Wien

Sissi mit Schlangenzunge

Auf der kleinen, aber sorgfältig kuratierten Messe Spark, die gerade in Wien stattfindet, springen tatsächlich Kunstfunken über. Ein Rundgang

Es dauert keine zwei Minuten Umherlaufen in Wien, bis man sich fragt, wie irgendjemand auf die Idee kommen kann, in Berlin zu leben und nicht hier. Viel schöner ist es in der österreichischen Hauptstadt, die Häuser, der Himmel, überall scheint irgendetwas zu vergammeln, feiner ausgedrückt: zu patinieren. Die Menschen sind so grantelig, wie sie es in Berlin immer nur vorgeben zu sein. Und die vielen Häuser, deren Fassaden stolz verkünden, von der Gemeinde errichtet worden zu sein, rufen eindringlich in Erinnerung, wie man überhaupt nur eine Kunststadt sein kann. Indem man sich nämlich nicht an Investoren verscherbeln lässt.

"Stadt im Dialog" ist der Titel der dritten Ausgabe der Wiener Kunstmesse Spark, und auch wenn Kunstmessen wirklich keine Titel brauchen, und dieser nun auch nicht unbedingt in den zu sehenden Exponaten zu erkennen ist, so möchte man doch kurz auf die Stadt eingehen, die diese junge Kunstmesse beheimatet. Denn Wien hat sich durchaus zu einer Kunststadt entwickelt, in der junge Künstler cool rumhängen (mehr dazu hier). Die Skulpturen von Martin Grandits, die Fotografien von Maša Stanić, die Wandobjekte von Nikola Milojcevic, das ist doch alles recht – äh – cool.

Aber genug des Neids. Zurück zur Messe. Was ist das Besondere? Jan Gustav Fiedler, leicht getönte Brille, einer der vier künstlerischen Leiter, sagt: Die gleiche Größe der Stände, die das demokratische Konzept spiegele, und die Solopräsentationen der etwa 90 teilnehmenden Galerien. Co-Kurator Walter Seidel betont, dass es eine kuratierte Messe sei. Alle Künstler seien gemeinsam mit den Galerien ausgewählt worden.

Schöne bunte Quatsch-Skulpturen

Refik Anadol dabei zu haben, darauf sei man besonders stolz, sagt Christoph Doswald, ebenfalls Kurator. Und Marina Fokidis, Vierte im kuratorischen Team, erklärt das Konzept: Die Künstler hätten ähnliche Bedenken, aber unterschiedliche Arten, sie zu äußern.

Also schauen wir mal: Die meisten der Galerien kommen aus Österreich und Deutschland, aber auch viele türkische und italienische sind dabei. Griechenland, Rumänien, Serbien, Uganda, USA. Capetown. São Paulo. Alle wurden vom kuratorischen Team angesprochen. Man ist stolz, mit Anna Jermolaewa die Künstlerin des österreichischen Pavillions auf der 60. Kunstbiennale in Venedig dabei zu haben. Sie zeigt Fotoarbeiten und eine Skulptur zu einem Experiment, das in den 70ern in der UDSSR durchgeführt wurde. Darin wurden den Menschen schwarze und weiße Pyramiden vorgesetzt, und die Benennung der Farben hing davon ab, wie andere Testpersonen sie beschrieben.

Alexander Levy zeigt Julius von Bismarck: Fotografien von 2023 von Pflanzen in Plastik. Ebensperger hat den verstorbenen deutschen Künstler Blalla W. Hallmann und seine lustig darken und blasphemischen Comic-Gewalten dabei. K Contemporary aus Denver zeigt den slowakischen Künstler Viktor Frešo, der schöne bunte Quatsch-Skulpturen macht: eine Schlagzeug-Gitarre in Tuba-Form auf einem Rollbrett, ein wiegelndes Stehauf-Männchen mit Baby-Knautsch-Gesicht. Ein anderer Galerist signalisiert da sofort Interesse. 10.000 US-Dollar. In der kleinen Version. Geht doch noch.

Das geht auf eine Kuhhaut

Anneliese Schrenk bei Mario Mauroner arbeitet auf Leder. Tätowiert anatomische Studien hinein oder bearbeitet es mit dem Lötkolben. Das geht auf eine Kuhhaut. Ihre Readymades daneben bestehen aus Steigbügeln, Reitzuberhör, Wobblern und Gewichten aus dem Angelbedarf. Es gibt LED-Skulpturen von Cem Sonel. Digitale Kunst der US-Amerikanerin Signe Pierce, die sich als Reality Artist bezeichnet. Das heißt: sie fertigt mit sich, ihrem Körper und der Körper-Erweiterung Smartphone Fotos und Videos in Insta-Ästhetik an, um Gender, Identität und Sexualität zu hinterfragen. 

Gesetzter Zeitgeist also durchaus ein Thema hier. Karo Kuchar beschäftigt sich bei der Wiener Galerie Suppan in Stoff-und Keramikarbeiten mit dem Reichtumsversprechen im Internet, genauer der Manifestations-Bewegung. Auch Vulven sieht man schon wieder überall. Aber vielleicht bildet man sich das mittlerweile auch einfach nur ein.

Auf Sabiha Çimens Fotos in der Booth der Galerie Loock sieht man Frauen im Tschador im Fahrgeschäft Crazy Dancer. Und die Wiener Barvinskyi Art Gallery bringt mit dem in Mexiko geborenen Künstler Maximiano León die derzeit so angesagten Menschen-Malereien auf die Messe: mit ein bisschen Pop-Witz und surrealer Comichaftigkeit. Wir sehen ein Stillleben mit Melone, eine Sissi mit Schlangenzunge vielleicht, einen breiter Typ mit Corona-Cap. 

"Du kannst nicht immer nur Champagner trinken"

Ruttkowski 68 aus Köln zeigt Betonabfälle in Gabionen vom Frankfurter Mathias Weinfurter, also diese Zäune, mit Geröll gefüllt, die heute die deutsche Abschottung repräsentieren. Aber: Auch die Alten – oder Toten – sind vertreten. Hermann Nitsch. Arnulf Rainer. Gottfried Helnwein. Robert Zeppel-Sperl.

Als sich die Türen zur Preview für Sammlerinnen und Sammler öffnen, kommen diese zahlreich. "Du musst Wasser trinken, du kannst nicht immer nur Champagner trinken", hört man eine ihrer wichtigen Weisheiten mit. Und so fließt das Wasser bis abends, als auch die Vernissage-Gäste kommen. Coole Kids, die so viel cooler aussehen in Wien. Und die, die aussehen, als gehörten sie einer schlagenden Verbindung an. Lokale Prominenz kommt auch. Die Messe will Wien mit der Welt verbinden, und das scheint zu klappen. Voll ist es. Und viele Sprachen hört man auch. Also zumindest Englisch und Russisch. 

Es gibt Besucherinnen, die von Refik Anadols riesigem Bildschirm, der neben dem Sushi-Stand hängt, gar nicht genug bekommen. Andere sagen: "Im Internet sah das irgendwie besser aus." Und vielleicht ist die Malerei der österreichischen Galerien am interessantesten, da hängen zumindest die Kids in Salomon-Schuhen und mit Eigen+Art-Jutebeutel ab: Marc Henry bei der Galerie Kandlhofer oder Negra Bernhard bei Smolka Contemporary. Auch toll: Arang Chois kuschelige Wesen. Und unbedingt Maria Legat, die intuitiv Figuren und Orte auf Leinen malt und es so faltet, das es einen Rahmen bildet. 

Und dann werden irgendwann die gleichgroßen Kojen abgesperrt. Deep House läuft ein bisschen zu laut. Galeristen fotografieren die Gästebuch-Einträge ab und verlassen die Marx Halle - und damit diese schöne kleine Messe.