Vorschau auf die 19. Ausgabe

So wird die Architekturbiennale von Venedig

In drei Monaten startet die Architekturbiennale in Venedig. Wie sie aussehen soll, hat jetzt ihr Kurator Carlo Ratti umrissen. Auch das Team vom deutschen Pavillon hat einen Ausblick gegeben

Nur noch ein Vierteljahr liegt die Eröffnung der 19. Architekturbiennale voraus. Das ist traditionell die Zeitspanne, in der sich die Verantwortlichen erstmals eingehender mit ihren Vorstellungen an die Öffentlichkeit wenden. Der inzwischen knapp ein Jahr amtierende Präsident der Biennale-Dachorganisation, Pietrangelo Buttafuoco, ist derzeit auf Reisen, um an ausgewählten Orten seine Gedanken zur Bedeutung der Biennale-Aktivitäten vorzutragen. Der langjährige Journalist, dessen Berufung durch Ministerpräsidentin Meloni schlimmste Befürchtungen geweckt hatte, zeigt sich dabei als Schöngeist; ihm gehen Begriffe wie bellezza und grandezza, Schönheit und Größe – oder Großartigkeit –, mühelos über die Lippen. Aber was will er damit nur sagen?

Kaum stärker könnte der Kontrast zu Carlo Ratti sein, dem Leiter der diesjährigen Architekturbiennale. Der 53-jährige Professor am renommierten MIT im US-amerikanischen Cambridge ist von Haus aus Architekt und zugleich Ingenieur, in beidem mit einer ehrfurchtgebietenden Reihe akademischer Qualifikationen. Er geht seine Biennale so an, wie man das von seiner Herkunft aus dem nüchternen Turin erwarten kann, sachlich und klar oder no-nonsense, wie man im Englischen sagt.

"Architektur war immer die Antwort auf ein feindliches Klima", machte Ratti gleich zu Beginn seiner Pressekonferenz dieser Tage in Venedig deutlich. Die Aufgabe aller Architektur sei die der Anpassung an äußere Bedingungen, um dem Menschen "Schutz und Überleben" zu sichern. Nur, dass die Anpassung angesichts eines "unbarmherzigen" Klimas entsprechend schwieriger geworden sei. Architektur müsse von sich "bei allen Formen der Intelligenz" bedienen, "natürlicher, künstlicher, kollektiver". Und sie müsse "von der Wissenschaft lernen".

"Dynamisches Laboratorium"

Dazu hat Ratti ein programmatisch "Intelligens" genanntes "dynamisches Laboratorium" aufgesetzt, mit 750 Teilnehmern aus unterschiedlichsten Wissensbereichen, Herkunftsorten und Altersgruppen. Ein entsprechender Aufruf zur Projekteinreichung habe eine "überwältigende Fülle" von Vorschlägen erbracht, die nun diskutiert und bearbeitet werden sollen. Dabei werde der Architekt nicht mehr als einziger Autor genannt werden, sondern mit ihm die übrigen Beteiligten: "Alle Stimmen im Entwurfsprozess müssen erkannt und gewürdigt werden."

Das soll hauptsächlich im endlos langen Gewölbe der Corderie stattfinden, der ehemaligen Seilerei des Arsenale. Die Gestaltung liegt in den Händen des 2017 gegründeten und in Berlin ansässigen Design-Büros Sub mit seinen Leitern Niklas Bildstein Zaar und Andrea Faraguna. Die drei thematischen Abteilungen der natürlichen, künstlichen und kollektiven Intelligenz werden als "modularer, fraktaler Raum" gestaltet, in dem große und kleine Projekte verbunden werden und die alles umgreifende Vernetzung selbst zur Darstellung kommt. Der Zentralpavillon in den Giardini, älteren Besuchern noch als "Padiglione Italia" in Erinnerung, steht diesmal wegen Generalsanierung nicht zur Verfügung. Stattdessen ernennt Ratti ganz Venedig zum "lebenden Laboratorium", wo "Installationen, Prototypen und Experimente" überall verstreut zu finden sein werden.

Neben den von Ratti verantworteten Aktivitäten gibt es wie stets die nationalen Beiträge. 66 Länder sind diesmal gemeldet, von denen 26 in zumeist eigenen Pavillons in den Giardini ausstellen, 22 in Gebäuden des Arsenale und 15 verteilt auf Lokalitäten in der Stadt. Erstmals dabei sind Aserbaidschan, Katar, Oman und Togo. Der Vatikan wird erneut teilnehmen, aber wieder an einem anderen Standort, diesmal im Komplex von Santa Maria Ausiliatrice. Und Venedig als Stadt wird selbst innerhalb der Giardini auftreten, mit einer Ausstellung zu Bibliotheken als "Konstrukten der venezianischen Intelligenz".

Alle Aktivitäten CO2-neutral

Unter den weiteren Projekten besonders zu erwähnen ist "Margherissima", eine Ausstellung im ehemaligen Österreichischen Pulvermagazin in Forte Marghera, der alten Befestigung des Zugangs zu Venedig, als man vom Festland aus nur mit Fährbooten in die Lagunenstadt gelangen konnte. Ratti sprach vom "kontaminierten Areal" nahe dem heutigen Straßen- und Schienenviadukt "Ponte della Libertà". Seit Jahrzehnten ist das Gelände sich selbst überlassen, ohne Konzept für eine künftige Nutzung.

Auch zum deutschen Pavillon gab es bereits eine Vorab-Pressekonferenz. Ausgewählt unter 24 Einreichungen wurde das Projekt "Stresstest" eines Teams um Nicola Borgmann, seit 1992 Leiterin der seit Jahren mit bedeutenden Ausstellungen hervortretenden Architekturgalerie München (derzeit „MVRDV – Carbon Confessions“). Die Ausstellung in Venedig will "die zukünftige Realität des Stadtklimas physisch und psychisch erfahrbar" machen und legt das Schwergewicht auf Landschaftsarchitektur zur Schaffung klimagerechter Städte. Mehr als die vielfach publizierten Zahlen zum Temperaturanstieg – in den Innenstädten nicht mehr nur 1,5 Grad im Jahresmittel, sondern bereits 2 Grad – wollte das Team um Borgmann nicht verraten. Borgmann arbeitet unter anderem mit der Architektin mit Schwerpunkt für Bauklimatik Elisabeth Endres und der Landschaftsarchitektin Gabriele G. Kiefer sowie dem Architekt und Wissenschaftler Daniele Santucci zusammen. Allenfalls, dass es eine zweiteilige Ausstellung werden soll, zum einen "Stress" mit "extremer städtischer Hitze" und danach "Destress" als "Ort der Erholung – und der Lösungen". Denn, so Borgmann, "unsere Ausstellung ist ein Weckruf, sonst droht der Kollaps". Aber "wir wissen genau, was wir tun müssen." Vor allem: "Wir wollen optimistisch sein!" Wenn das nicht positive thinking ist!

Eröffnet wird die 19. Architekturbiennale am Samstag, dem 10. Mai, zugleich mit der Preisverleihung der Goldenen Löwen. Sie endet nach einem guten halben Jahr am 23. November. Es ist das Ziel, für alle Aktivitäten als "CO2-neutral" zertifiziert zu werden. Das Problem, heißt es dazu in den Unterlagen der Biennale-Organisation, sind eher die Besucher und ihre Mobilität: "In diesem Sinne wird La Biennale 2025 erneut eine Kommunikationskampagne durchführen, um das Bewusstsein der teilnehmenden Öffentlichkeit zu schärfen." Darauf darf man gespannt sein, allein schon mit Blick auf die Einwegbecher an den Ständen der beiden Biennale-Gelände.