Wo auch immer in New York gebaut wird, eines gilt für alle: Der Central Park ist unantastbar. Das heißt, beinahe unantastbar. Denn wenn das Metropolitan Museum of Art, allgemein als "Met" bekannt, wieder einmal eine Erweiterung benötigt, dann wird vom Zentralpark eben doch ein Eckchen herausgeschnitten und bebaut. So auch diesmal. Met-Chef Max Hollein gab am Dienstag die Errichtung eines weiteren Flügels bekannt, den "Oscar L. Tang und H. M. Agnes Hsu-Tang Wing", wie der Anbau für die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts nach seinen Haupt-Spendern benannt wird, oder auch US-amerikanisch-praktisch-kurz nur "Tang Wing".
Über die Kosten ließ sich CEO Hollein nicht aus, das überließ er einer gleichzeitigen Pressemeldung. Danach wurde bereits im Mai die Marke von 550 Millionen Dollar an Spendengeldern erreicht, die wohl vollständig für den Anbau benötigt werden. Der wird an der Südostecke des aus vielen, im Laufe von 150 Jahren entstandenen Bauteilen bestehenden Komplexes hochgezogen, also mit Blickrichtung auf Midtown-Manhattan und die superschlanken Wohntürme, die in jüngerer Zeit am Südrand des Central Park emporgeschossen sind.
Mit dem Entwurf beauftragt wird Frida Escobedo, die 45-jährige mexikanische Architektin, die seit ein paar Jahren zu den vielgefragten Nachwuchsgrößen zählt. Internationale Aufmerksamkeit erlangte sie mit ihrem Design für den Londoner Serpentine Pavilion des Jahres 2018. Alljährlich wird ein temporärer Bau inmitten des Kensington Gardens ausgeführt, der von einem bis dahin noch nicht in Großbritannien tätigen Architekten entworfen sein muss. Escobedo schuf ein Gebäude aus gestapelten, gewellten Betonziegeln, das um einen Innenhof herum gruppiert war, nach Art der Wohnhöfe ihrer mexikanischen Heimat. "Frida Escobedos außerordentlich anregender, wohldurchdachter und dynamischer Entwurf für den Tang-Flügel festigt ihre Stellung als eine der bedeutendsten Architektinnen unserer Zeit", erklärte Hollein.
Doppelt so viel Platz für Kunst
In New York wird Escobedo einen längsrechteckigen, ein klein wenig in den Park ragenden Baukörper aus hellen Ziegeln errichten, mit drei Hauptgeschossen, einem zurückgesetzten vierten und einem wiederum zurückgesetzten fünften Stockwerk. Die im Laufe der Jahre immer beliebter gewordene, von Frühjahr bis Herbst geöffnete Dachterrasse des MET wird entsprechend erweitert. Auch aus dem Gebäudeinneren werden großzügige Fenster in den Park und Richtung Süden blicken. Für die Innenausstattung wird das in Museumsdesign erfahrene Büro Beyer Blinder Belle hinzugezogen, es sei "spezialisiert auf die Anpassung bestehender Strukturen an neue Nutzungen und auf die sensible Integration zeitgenössischer Bauten in historischen Bestand", wie das Met versichert. Denn die Integration in den bestehenden, schon jetzt sehr heterogenen Gebäudekomplex stellt eine besondere Herausforderung dar.
Die Ausstellungsfläche des Neubaus wird mit umgerechnet 6500 Quadratmetern angegeben; die Gesamtfläche soll 11.700 Quadratmeter betragen. Für die Dauer der Bauzeit, kalkuliert das Museum, werden bis zu 4000 Beschäftigte mit dem Projekt ihr Auskommen finden. 30 bis 40 Prozent der einzelnen Aufträge sollen an Unternehmen gehen, die Frauen oder Angehörigen von Minderheiten gehören.
Die Ausstellungsfläche des Met für die Moderne soll sich mit dem Anbau um gut 50 Prozent vergrößern. In den Simulationen, die das Museum verschickt hat, sind Kunstwerke sowohl von US-amerikanischen als auch internationalen Künstlern zu erkennen. Neben einem großen Mobile von Alexander Calder – dergleichen war jahrzehntelang so etwas wie ein Erkennungszeichen von US-Kunstmuseen – und Gemälden von Mark Rothko oder Helen Frankenthaler sind das beispielsweise Werke von Julie Mehrutu oder Wangechi Mutu.
Kein Glück mit dem Breuer Building
Damit tritt das Met erkennbar in Konkurrenz zum Museum of Modern Art in Midtown Manhattan. Das MoMA hat mit seiner jüngsten Erweiterung von 2019 vom hergebrachten, westlich orientierten Kunst-Kanon Abschied genommen und auch die chronologische Darstellung teilweise aufgebrochen. In manchen Sälen sieht es so aus wie jetzt auf den Renderings, die das Metropolitan Museum seiner Meldung beigefügt hat. In jüngerer Vergangenheit hatte das Met eine Erweiterung vor allem seiner Möglichkeiten für temporäre Ausstellungen durch die Anmietung des vom nach Süd-Manhattan übersiedelten Whitney Museum aufgegebenen, nach seinem Architekten so bezeichneten Breuer Building erweitert. Das funktionierte jedoch nie richtig; die räumliche Trennung vom Haupthaus wirkte sich negativ auf die Zuschauerzahlen aus. Inzwischen hat das Met den "ikonischen" Bau von Marcel Breuer wieder verlassen.
Mit dem Neubau, der bis 2030 fertiggestellt sein soll, positioniert sich das Met als Konkurrenz um MoMA – und hat überdies den Vorteil, die ganze Kunst- und Kulturgeschichte seit 5000 Jahren darstellen zu können. "Das Metropolitan Museum of Art ist eine der Kronjuwelen von New York City", jubelte denn auch Bürgermeister Eric Adams, "ein kulturelles Wahrzeichen, das New York in der ganzen Welt repräsentiert." Ob der Wachstumsdrang des Museums damit gestillt sein wird, sagte er nicht. Man darf vermuten: Irgendwann wird es eine weitere Erweiterung geben.