Absolute Seltenheit

Kokoschka für Dresden und Hannover angekauft

Oskar Kokoschka "Sommer I", 1922
Foto: Elke Estel und Hans-Peter Klut, Albertinum, GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, © Fondation Oskar Kokoschka/ VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Oskar Kokoschka "Sommer I", 1922

Knappe Kassen erschweren die Finanzierung bedeutender Kunstankäufe für deutsche Museen. Zwei große Häuser haben sich zusammengetan, um das Gemälde eines der wichtigsten Expressionisten zu sichern

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) und das Sprengel Museum Hannover haben gemeinsam ein Hauptwerk von Oskar Kokoschka (1886-1980) aus seiner Dresdner Zeit erworben. Das Gemälde "Sommer I" entstand 1922 und wurde mit Hilfe öffentlicher und privater Stiftungen im Zuge einer Auktion über Christie’s in London aus Privatbesitz angekauft. Mit vereinten Kräften konnte so der Verbleib eines bedeutenden Kunstwerks in Deutschland gesichert werden, sagte Sprengel-Direktor Reinhard Spieler. "Diese Erwerbung ist in jeder Hinsicht ein starkes Signal für den Kulturstandort Deutschland."

Das 1,10 Meter mal 1,40 Meter messende Bild befand sich ab 1925 bis 1965 in der Sammlung des Seidenfabrikanten Hermann Lange (1874–1942) und seiner Frau Marie in Krefeld und war später in verschiedenen öffentlichen Museen, als Leihgabe. Nun soll es aller vier Jahre zwischen Dresden und Hannover wechseln, beginnend mit der Elbestadt. Dort war es von 1995 und bis 2023 zu sehen, als die Erben es zum Verkauf anboten.

"Das Bild ist den Menschen hier sehr vertraut", sagte SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann. Es könne "ein Stück weit helfen, Lücken in diesem Bereich der klassischen Moderne zu füllen". Die Dresdner Gemäldegalerie verlor mit der Nazi-Aktion "Entartete Kuns" 1937 alle sechs Kokoschka-Bilder, die schon 1919/1920 erworben wurden. Sie befinden sich heute in Museen im In- und Ausland sowie in Privatbesitz. Laut Ackermann stammt "Sommer I" genau aus der auch international erfolgreichen Phase des Künstlers, der 1922 den Hauptsaal der Biennale Venedig bespielte.

Stephanie Tasch von der Kulturstiftung der Länder, die nach eigenen Angaben eine halbe Million Euro beisteuerte, sprach von einem gelungenen Schulterschluss, "um dieses bedeutende Kunstwerk dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich zu machen". Das sei vor allem in Zeiten finanzieller Anspannung ein Modell. Auch die Fritz Behrens Stiftung Hannover und die Ernst von Siemens Kunststiftung förderten das Projekt. Es stehe für die Bedeutung von Museumskooperationen, "um hochkarätige Werke finanzieren zu können und an den richtigen Orten dauerhaft zugänglich zu machen", sagte deren Generalsekretär Martin Hoernes.

Ankauf im Bereich der Klassischen Moderne selten

Kokoschkas Werk hat in beiden Museen einen wichtigen Stellenwert. Es gehörte schon zur Sammlung von Margrit und Bernhard Sprengel, auf deren Schenkung die Museumsgründung basiert. "Wir lassen Dresden gern den Vortritt", sagte Sprengel-Direktor Reinhard Spieler. Es sei "eine der ganz selten gewordenen Chancen" für Museen, in der Klassischen Moderne noch Werke zu erwerben. "Uns fehlte für genau diese Zeit, die für Kokoschka unglaublich wichtig war, noch ein wichtiges Hauptwerk." Mit bisher sechs Kokoschka-Gemälden hat das Haus einen umfangreichen Bestand.

Der Österreicher Kokoschka zählt zu den wichtigsten Vertretern der expressionistischen Malerei und lebte zwischen 1916 und 1923 in Dresden. Dort war er 1919 jüngster Professor der Kunstakademie überhaupt und entwickelte seinen künstlerischen Stil weiter: expressiv, mit grobem Pinsel modellierte Bildnisse und Allegorien, mit leuchtenden Farbkontrasten.

Kokoschka besuchte oft die Gemäldegalerie mit den Bildern Alter Meister, die ihn wie aus der Forschung bekannt inspirierten, sagte SKD-Chefin Ackermann. Mit der liegenden, teils bekleideten Frau vor Parklandschaft bezog er sich auf Peter Paul Rubens Bild "Bathseba am Springbrunnen" von 1635 - wie eine kleine Ausstellung im Albertinum zum Ankauf von "Sommer I" zeigt.