Interview mit Timo Miettinen

"Ich habe eine Sammlerseele"

Der Sammler Timo Miettinen wird 70 und feiert ein ganzes Jahr mit Ausstellungen in Berlin, Düsseldorf und Helsinki. Hier erzählt er von seinen Anfängen, übersehener finnischer Kunst und seiner Sicht auf deutsche Kulturpolitik
 

Timo Miettinen, ich habe gelesen, dass Sie das Sammeln zusammen mit ihrer Mutter begonnen haben. Müssen junge Menschen den Geschmack ihrer Eltern nicht erstmal schrecklich finden?

Die Rebellion gab es eher bei meinem Vater, mit meiner Mutter kam ich gut aus. Ich habe eine Sammlerseele, ich habe zuerst Briefmarken und Münzen gesammelt. Aber dann waren wir auch auf Versteigerungen, und obwohl ich Wirtschaftsingenieur geworden bin, habe ich mich immer für Kunst und Design und auch Mode interessiert. Und dann war es wie bei so vielen Sammlern: Es ist alles etwas aus dem Ruder gelaufen. 

Die Ausstellung, die Sie jetzt in Ihren erweiterten Räumen in der Marburger Straße in Berlin zeigen, heißt "Maybe It Was Magic". Gab es so etwas wie einen magischen Moment in Ihrer Sammlerlaufbahn?

Viele beschreiben den zentralen Moment, wenn die Kunst nicht mehr in die Wohnung passt und zum ersten Mal Werke in ein Lager gehen. Aber für mich war es der Moment, als ich mit 50 nochmal ein ganz neues Leben begonnen habe. Ich komme aus einem finnischen Familienunternehmen für Elektrotechnik, und ich dachte, dass ich nochmal etwas anderes machen und gestalten möchte. Da kamen auch die Kunst und Berlin ins Spiel. Ich habe meine Firmenanteile an meine Kinder übergeben und bin nun seit über zehn Jahren nicht nur Sammler, sondern auch Salonier in Charlottenburg. Das ist ein großes Privileg und bringt mich mit den verschiedensten Leuten in Kontakt. Kunst bringt uns alle zusammen. Mir ist wichtig, dass die Sammlung lebt und auch öffentlich zu sehen ist. 

Sie zeigen wechselnde Ausstellungen im ehemaligen Salon Dahlmann in der Nähe des Kurfürstendamms. Warum gerade Berlin?

Ich bin sehr international aufgewachsen und fand zwar Helsinki und meine Heimatstadt Porvoo immer wunderschön, aber ein bisschen zu klein. Als junger Mann habe ich mehrere Jahre in Deutschland gewohnt, deshalb war Berlin sehr interessant für mich. Nicht nur wegen der Kunstszene, sondern als Großstadt allgemein. Und weil ich in Westdeutschland gelebt hatte, war mir klar, dass ich auch in Berlin im Westen landen werde. 

Angefangen haben Sie mit dem Sammeln finnischer Landschaftsmalerei. Wie kam die Gegenwartskunst dazu?

Das hat sich nach und nach ergeben. Ich habe aber immer noch viele zeitgenössische Landschaftsmalereien. Landschaften und Blumengemälde sind fantastisch. Das Genre bleibt in der Kunst relevant, gerade mit Themen wie der Klimakrise. Auch unsere aktuelle Ausstellung von Josefina Nelimarkka beschäftigt sich mit Wetterphänomenen. 

Ist es ein Klischee, dass ein Finne vielleicht naturverbundener ist als ein gebürtiger Berliner Großstädter? 

Nein, das ist sicher so. Es hat etwas damit zu tun, dass ich aus dem Norden komme.

Obwohl es für ein Land mit 5 Millionen Einwohnern extrem viele gute finnische Künstlerinnen, Architekten und Designerinnen gibt, fällt den meisten Deutschen wahrscheinlich höchstens Alvar Aalto ein … 

… und den anderen Tom of Finland …

Beide sind in Ihrer Sammlung, aber auch viele junge Positionen. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe an, finnische Kunst bekannter zu machen?

Ich habe das mit meinen begrenzten Möglichkeiten versucht, in Berlin und im internationalen Kontext. Das ist aber nur ein Teil meines Interesses. Die Sammlung ist sehr international, um die 20, 25 Prozent sind finnische Kunst. Am Anfang dachte ich auch, dass meine Sammlung eine Brücke zwischen Finnland und meiner Wahlheimat Deutschland sein kann. Deshalb habe ich auch viel deutsche Kunst. 

Sind Sie ein impulsiver Käufer, oder beobachten Sie jemanden länger, wenn er oder sie Sie interessiert?

Das kommt darauf an. Manchmal sieht man eine junge Position und merkt sofort, dass jemand etwas geschaffen hat, das man noch nie gesehen hat. Da habe ich schon spontan zugeschlagen. Bei etablierten, und damit teureren Künstlern braucht man etwas mehr Bedenkzeit. 

Sie waren bei vielen heute bekannten Künstlerinnen und Künstlern einer der ersten, der sie gezeigt und gekauft hat. Der Malerei-Star Amoako Boafo fällt mir sofort ein, oder Secundino Hernández. Aber gibt es auch die Gegenbeispiele? Wen haben Sie verpasst?

Ich habe zum Beispiel Alicja Kwade verpasst. Sie ist eine sehr interessante Künstlerin, aber sie ist inzwischen fast in allen Sammlungen und Museen vertreten, auch in Finnland. Auch Daniel Richter wäre so ein Fall. Ich habe ihn vor 20 Jahren schon gesehen, aber dann wurde er zu teuer. Wenn man mit diesem Gedanken erst einmal anfängt … aber insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meiner Sammlung. 

Sind Sie ein Sammler, der die Künstlerinnen und Künstler persönlich kennenlernen will?

Ich versuche, zuerst die Kunst kennenzulernen, sonst ist man von der Person voreingenommen. Aber natürlich bin ich auch mit vielen Künstlern in Verbindung.  

Welche Rolle spielen Galerien? Sie hatten mit Robert Grunenberg bis vor Kurzem sogar eine in Ihrem Haus und haben auch seine Positionen in der Sammlung …

Es gibt einige junge Galerien, mit denen ich kooperiert habe: Soy Capitán, Anne Schwarz, Russi Klenner und natürlich Robert Grunenberg, der bis Ende letzten Jahres seine Galerie hier im Haus hatte. Kunsthändler sind eine wichtige Verbindungsstelle im Kunstsystem, die ich auch fördern möchte. Was ich dagegen nicht wirklich mag, sind Kunstmessen. Ich war nur zweimal in meinem Leben auf der Art Basel.

Aufgrund der aktuellen Kulturkürzungen des Senats machen sich viele Sorgen um Berlin als Kunst- und Künstlerstadt. Sie auch?

Nein, ich bin der Meinung, dass nicht nur öffentliches Fördergeld, sondern auch privates Engagement wichtig ist. Ich möchte mich nicht amerikanisieren, aber wir haben auch Verantwortung für uns selbst und können nicht nur auf staatliches Geld bauen. Mehr denn je muss auch in Deutschland ein Umdenken stattfinden, und private Förderer müssen stärker in Erscheinung treten. Ich für meinen Teil versuche, mit den Projekten, die ich mache, auch etwas für die Kunstszene, die Künstler und die Öffentlichkeit zu tun. Ich würde mich freuen, wenn es mehr öffentlich wirksame Beispiele geben würde.

Sollte man Kultur wirklich so unternehmerisch angehen?

Bisher haben Staaten wie Deutschland und Finnland durch ihre Förderpolitik einen anderen Weg gewählt, aber man sieht ja auch die Probleme: wenn die Konjunktur schwächer wird, hat das Auswirkungen. In den USA werden alle großen Museen zum großen Teil durch private Förderer finanziert. Und auch in Deutschland gibt es ja dieses Engagement, auch wenn es vielleicht nicht ganz so sichtbar ist. Wir könnten jetzt lange über Steuerpolitik sprechen … Ich bin der Meinung, dass es gut wäre, private Sammlungen durch Steuererleichterungen zu unterstützen.

Es haben sich schon öfter Sammlerinnen und Sammler beschwert, dass sie sich von Berlin nicht willkommen oder unterstützt fühlen. Wie ist es bei Ihnen?

Ich habe das auch schon gehört, habe es aber selbst nicht so erlebt. Ich bin sehr an Politik interessiert, habe aber direkt mit der Berliner Politik wenig zu tun gehabt. Wenn ich nicht gestört werde, bin ich zufrieden. Allerdings fühle ich mich von den Bewohnern der Stadt sehr unterstützt, weil wir viele Besucher haben. Das reicht mir.