Videokünstler François Schwamborn

"Ich beherrsche digitale Programme wie Musikinstrumente"

Beim Berliner Festival "Into The Open" kommen klassische Musik und digitale Kunst zusammen. Einer der Videokünstler ist François Schwamborn. Hier spricht er über seine Verbindung zu Klängen und Freiheit durch "Creative Coding"
 

François Schwamborn, Sie arbeiten als Videokünstler regelmäßig mit Musik. Wie passen Kunst und Musik zusammen? 

Für mich ist es ganz normal, Kunst und Musik gemeinsam zu denken. Während meines Studiums in Animation habe ich mich viel mit Bewegtbild auseinandergesetzt und habe so gemerkt, dass ich interdisziplinär arbeiten möchte.  Ich will meinen Horizont beständig erweitern und glaube, dass sich die Wirkung von unterschiedlichen Medien potenzieren kann. Deswegen arbeite ich oft mit Musikern, Tänzern oder Bildhauern zusammen. 

Erzeugen Sie durch Ihre Kunst eine Form der Synästhesie?

Wenn Video und Musik genau richtig miteinander wirken, passiert etwas mit einem. In der Wahrnehmungspsychologie beschreibt man das damit, dass man in einen Trance-Zustand versetzt wird. Genau das ist auch ein Ziel meiner Kunst, sowohl bei Konzerten als auch bei Installationen. 

Was ist zuerst da: Die Musik oder eine Idee, zu der Sie dann die passende Musik suchen? 

Als Künstler habe ich Strategien entwickelt, um Dinge zu kreieren. Wie ich arbeite, passe ich der Musik an, in dem ich mit der Geschwindigkeit, der Farbigkeit und den Formen, die ich einsetze, spiele. Beim Berliner "Into The Open"-Festival habe ich unter anderem Videos für einen Abend mit dem Vision String Quartett gemacht, die Stücke von Felix Mendelssohn Bartholdy spielen. Darauf habe ich die Videos angepasst. Der Abend bestand aus zwei Teilen, im ersten habe ich organisch anmutende Formen genutzt, im zweiten Teil geometrisch-tektonische. 

Entstehen vor Ihrem inneren Auge Farben und Formen, wenn Sie Musik hören? 

Wenn ich Kunst mache, dann habe ich kein Bild im Kopf, das ich dann genau so umsetzen möchte. Ich arbeite eher experimentell und entwickle im Prozess das, was am Ende zu sehen ist. Die Tools und Programme, die ich benutze, zum Beispiel After Effects, Blender und Programme für Echtzeitvideos, beherrsche ich wie Musikinstrumente. So kann ich spielerisch damit umgehen. Das ist auch das Schönste daran: Wenn ich dabei in einen Flow-Zustand komme. 

Wie beschreiben Sie Ihre Ästhetik? 

Ich nutze viele organische, lebendige Formen. Es ist mir wichtig, dass alles im Fluss ist. Schon beim klassischen Zeichnen auf Papier für Animationen habe ich gemerkt, dass es mir sehr wichtig ist, dass die Bewegungen nicht stockig, sondern natürlich aussehen. Animation heißt "zum Leben erwecken". Diese Lebendigkeit ist mir in meiner Kunst wichtig, egal ob ich einen Charakter animiere oder Formen. Manchmal arbeite ich auch mit realen Aufnahmen, zum Beispiel von Wasserreflexionen, die ich dann sehr stark verlangsame. Damit kann ich ganze Räume verwandeln. 

Sie passen Ihre Werke jeweils an die Architektur der Räume an, in denen Sie gezeigt werden. Wie gehen Sie dabei vor?

Bevor ich beginne, an meinen Videos zu arbeiten, sehe ich mir den Raum genau an und führe Messungen durch. Mit Architekturplänen zeichne ich die Räume in einer 3D-Software nach, um die Projektoren zu simulieren, damit ich weiß, wie viele Beamer ich brauche, wie sie ausgerichtet sein sollen und wie hell sie sein müssen. 

Ihre Arbeit entsteht digital, an der Hochschule der Bildenden Künste Saar haben Sie Workshops in "Creative Coding" gegeben. Was heißt das für Sie: kreatives Coden? 

Für mich bedeutet es, dass ich durch Code Bilder generiere. Dadurch gewinne ich Freiheit und Schnelligkeit in meinen Arbeitsprozessen. Ich habe mir das Coden selbst beigebracht. Das hat eine Weile gedauert, sich aber sehr gelohnt. Dadurch kann ich jetzt viel schneller und mehr produzieren. 

So etwas können heute auch bildgenerierende KIs. Werden diese Programme Ihre Arbeit verändern? 

Auf jeden Fall. Ich habe auch schon mal ein paar Sachen ausprobiert und finde die Entwicklungen sehr spannend. Da muss man dranbleiben – wenn man sich jetzt nicht damit auseinandersetzt, ist man in ein paar Jahren vielleicht benachteiligt. 

Das "Into the Open"-Festival in Berlin, bei dem Sie dabei sind, beschreibt sich als Plattform für eine neue Generation in der Kunst. Sind Sie die neue Generation? 

Zunächst finde ich, dass bei "Into the open" Welten aufeinandertreffen. Hier ist ein Streichquartett, das Felix Mendelssohn Bartholdy spielt, die Stücke sind an die 200 Jahre alt – und treffen auf digitale Kunst. Das ist eine Herausforderung. Ich möchte sehr sensibel damit umgehen, weil diese Musik so viel Geschichte in sich trägt. Mit diesem Erbe möchte ich respektvoll umgehen. 

Ihre Echtzeit-Videos passen Sie live an, zum Beispiel in Begleitung eines Konzerts. Sind das für Sie Performances? 

Diese Form meiner Kunst hat auf jeden Fall einen performativen Charakter. Die Videos, die ich dafür nutze, sind sehr langsam produziert. Während der Konzerte bringe ich Variationen hinein und spiele zum Beispiel mit der Geschwindigkeit, damit sie zur Musik passen. In diesen Momenten arbeite ich wie ein DJ, der Musik mixt.