Erst vor rund zwei Jahren wurde Sabato de Sarno zu Guccis neuem Kreativdirektor ernannt. Heute Morgen wurde nun verkündet, dass er das italienische Luxushaus wieder verlassen wird. Schon die Herbst-Winter-Kollektion 2025 wird im Februar während der Mailänder Modewoche nur noch vom Design-Team des Hauses präsentiert werden. Die Trennung wurde in einer kurzen Meldung des Unternehmens bekannt gegeben. Gucci-CEO Stefano Cantino sagte darin: "Ich möchte Sabato meine tiefe Dankbarkeit für seine Leidenschaft und sein Engagement für Gucci aussprechen. Ich schätze es sehr, dass er die Handwerkskunst und das Erbe von Gucci mit so viel Engagement gewürdigt hat."
Doch dieses Engagement hat wohl nicht gereicht. Nach dem Rausschmiss von Alessandro Michele im Herbst 2022 hatte sich die Firmen-Spitze einen klaren, modernen Neuanfang gewünscht. Und das, obwohl Michele die Marke in eine neue, milliardenschwere Ära designt hatte.
In dessen Spitzenjahren bei Gucci, von 2015 bis 2019, verdreifachte sich der Jahresumsatz und erreichte fast zehn Milliarden Euro. Während der Pandemie dann waren die Umsätze stagniert. Die Stimmung für ausladende Exzentrik und magische Vintage-Roben war verflogen. Das Haus wollte von nun an auf eher klassische, traditionelle Luxusmode setzen, die immer geht. Ähnlich wie Louis Vuitton oder Hermès, die selbst in Krisenzeiten schwarze Zahlen schreiben.
Die Modewelt ist gnadenlos
De Sarno also sollte als neue kreative Leitung Gucci in diese Richtung entwickeln. Der Designer kam vom französischen Couture-Haus Valentino, wo er als rechte Hand des damaligen Kreativdirektors Pierpaolo Piccioli galt. Die Modewelt ist gnadenlos und unvorhersehbar schnell, und so sitzt heute Alessandro Michele als Chefdesigner bei Valentino, und Sabato de Sarno, für den Moment jedenfalls, auf der Straße.
Letzterer hatte eine große Vision des Neuanfangs für das kostümig-nostalgisch geratene Michele-Gucci formuliert. "Gucci Ancora" hatte er sein Debüt genannt und internationale Metropolen in ochsenblutartigem "Gucci-Rot" gepflastert, allen voran Mailand. Die italienische Kult-Marke und ihr neuer Boss waren bereit gewesen, eine frische Ära einzuleiten. Allerdings mit einer Ästhetik, die bis zuletzt nicht zu definieren war.
In seiner ersten Kollektion, die er am 23. September 2023 in Mailand zeigte, war nicht eine einzige spannende Silhouette zu entdecken. Stattdessen hätten die scharf geschnittenen Mäntel, winzigen Minikleider und Blazer-Hotpants-Kombinationen direkt aus dem Fast-Fashion-Giganten Zara stammen können, der Looks dieser Art für ein Hundertstel des Preises im Sortiment hat. Jünger, zurückhaltender, freizügiger war das neue Gucci, aber leider auch langweilig, einfallslos, fast schon traurig, wenn man an die Michele-Hochzeit dachte.
Wer ist eigentlich Gucci?
Es fehlte an dem unterhaltenden Element, in dem Michele ein Meister war und mit dessen Einsatz er Geschäfte und Kassen füllte. Sei es eine Künstler-Kollaboration oder die Entführung in sein unfassbar reiches Design-Universum. De Sarno setzte viel mehr auf Tragbarkeit, galt als kommerziell motivierte Wahl, doch seine Kleider generierten weder Momentum noch ließen sie Gucci in eine neue Luxus-Liga aufsteigen.
Eine Marke kann nicht einfach einen abrupten Richtungswechsel entscheiden und dann davon ausgehen, dass die Kundschaft mitzieht. Sie muss etwas bieten, das mindestens genauso reizt wie das, was ersetzt wurde. Und das tat "De-Sarno-Gucci" nicht. Das Haus versuchte, ein Narrativ um die neue kreative Leitung zu spinnen, De Sarno und das Haus begehrenswert zu machen. Es erschien sogar ein Kurzfilm auf Mubi mit dem Titel "Who is Sabato de Sarno? A Gucci Story".
Vielmehr hätte man sich jedoch fragen sollen: "Who is Gucci?". Denn das war irgendwann nicht mehr klar. Viele Berühmtheiten repräsentierten die Marke auf den roten Teppichen, die Inszenierung einer Luxuswelt in den Roben war offenbar. Ein Hype sollte kreiert werden, aber der ging über das, was vom Marketing-Budget gesponsert wurde, nicht hinaus. Was konnte Gucci liefern, das andere Modehäuser nicht hatten? Eine Antwort auf diese Frage bleibt bis heute aus.
Umsatzrückgang von 21 Prozent
Sabato de Sarno hatte es nicht leicht. Die Fußstapfen waren immens, und dazu kam ein allgemeiner Rückgang in der Nachfrage nach Luxusgütern. Leichter zugängliche, modisch orientierte Luxusmarken wie Gucci waren dazu stärker betroffen als die ganz großen, stabileren Luxushäuser, zu denen die Marke ja eigentlich hatte aufsteigen wollen. "Business of Fashion" berichtet, dass Gucci weniger vom Reise-Einzelhandel, Outlets und Einsteigerprodukten wie Sneakers, Kapuzenpullis und Minitaschen abhängig sein wollte und sich stattdessen auf die stabil-wohlhabende Kundschaft konzentriert hatte.
Jedoch ging dieses Vorhaben nicht schnell genug auf, um den Rückgang auszugleichen. Gucci hat überdies stark darauf gesetzt, den unter Michele gewonnenen asiatischen Markt als treue Kundschaft beizubehalten, was nicht geglückt ist. Am 11. Februar wird das Luxuskonglomerat und Guccis Mutterkonzern Kering die Jahresergebnisse von 2024 veröffentlichen. Aber schon heute lässt sich sagen, dass die Marke einen Umsatzrückgang von 21 Prozent in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres verbuchen musste.
Es gleicht einer Wissenschaft, die Position eines Kreativdirektors an die richtige Person zu vergeben. Die Marke muss wissen, wer sie ist und wen sie erreichen möchte. De Sarno zu beschuldigen, das Modehaus auf die falsche Fährte gebracht zu haben, wäre ungerecht, da er sich wohl nur an den strategischen Vorgaben orientiert hat. Es ist ein Risiko, die Kreativität der Kreativen zu beschränken, sich rein wirtschaftlich zu orientieren und den Markenkern nach diesen Belangen auszurichten. Und wie immer wird beim Abschied des Chefdesigners eines Modehauses spekuliert, wer die Position übernehmen wird.
Letztlich eine Geschäftsentscheidung
Branchen-Insider gehen fest davon aus, dass Hedi Slimane die Spitzenposition bei Gucci erhalten wird. Das französische Allroundtalent hatte zuletzt als kreative Leitung bei Celine den Jahresumsatz auf über 2,5 Milliarden Dollar verdoppelt. Vorher hatte er Saint Laurent den Vornamen Yves genommen, aber auch hier die Umsätze verdoppelt.
Gucci könnte also, dem Geld folgend, profitieren. So sehr man sich auch wünschte, die wahren Inspirationen und Ideen der Modeschöpfenden erfahren zu dürfen, ist letztlich alles eine Geschäftsentscheidung. Ein Business, in dem die Reichen und damit Mächtigen die Fäden in der Hand halten und alles so besetzten, wie es ihnen gefällt. Wohin das führt, wird sich zeigen. Das Gucci-Korsett hat Sabato de Sarno jedenfalls nicht gepasst.