"Zu Friedrich. Dessen wunderbare Landschaften. Ein Nebelkirchhof, ein offenes Meer", notiert Johann Wolfgang von Goethe im September 1810 in sein Tagebuch. Ob der Dichter mit dem Maler auch gesprochen hat, geht aus der kargen Notiz nicht hervor. Caspar David Friedrich hatte sich Wochen zuvor brieflich beklagt, dass man bei Goethe schlecht über ihn geredet habe: "Wie mach man mich wohl verstanden haben, und wie es Göthen vorgetragen haben?"
Goethe und Friedrich, das gilt gemeinhin als Missverständnis. Der Weimarer Dichterfürst, dem Klassizismus zugeneigt, habe den Dresdner Romantiker nicht geschätzt. Zurück geht diese Ansicht auf einen Aufsatz von Goethe und seinem Kunst-Berater Heinrich Meyer, der freilich erst 1817 erschienen und gegen die in Rom lebenden Nazarener gerichtet war und nur beiläufig Kritik an Friedrichs Malweise enthält. Doch die Fronten waren aufgerichtet, Goethe focht für den Klassizismus, Friedrich hingegen war Romantiker.
Da gibt es nun einiges zu entwirren. Das unternimmt die von der Klassik Stiftung Weimar ausgerichtete Ausstellung im Schiller-Museum unter dem Titel "Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar". Sie führt alles vor, was von Friedrich in der Stadt gesammelt worden ist, und das ist durchaus nicht wenig. Es beginnt mit den beiden Sepia-Zeichnungen, die Friedrich 1805 nach Weimar schickt, um sie auf der dortigen Kunstausstellung zu zeigen, und die dann zur Überraschung Friedrichs mit der Hälfte des Preises ausgezeichnet wurden, der alljährlich als "Preisaufgabe" ausgelobt wurde und 1805 die "Taten des Herkules" zum Thema hatte.
Von wegen engstirniger Deutschtümler
Friedrich hat sich nie mit einem solchen klassizistischen Thema beschäftigt, sondern er schickte einen "Herbstabend am See" und eine "Wallfahrt bei Sonnenuntergang". Hätte sich Goethe an dem religiösen Unterton der "Wallfahrt" gestört, mit einem mittig platzierten Kruzifix, so hätte er kaum seine Auszeichnung vergeben. Später sammelten die Weimarischen Herzöge, stets Goethe zugetan, auch Arbeiten von Friedrich, zuletzt das größte Gemälde im heutigen Bestand, "Huttens Grab" von 1826, ein unschwer als anti-napoleonisch-patriotisch zu deutendes Werk.
Die Klassik Stiftung hat ihren überraschend reichhaltigen Bestand vorwiegend an Zeichnungen gründlich untersucht, und so sind auf "Huttens Grab" Inschriften erkannt worden, die eine bislang übersehene Parteinahme Friedrichs für den damals halb Europa bewegenden griechischen Freiheitskampf belegen. Von wegen, Friedrich sei ein engstirniger Deutschtümler gewesen.
Auch andere Romantiker schätzte Goethe, zum Beispiel den früh verstorbenen Philipp Otto Runge wegen dessen Farbenlehre. Runges zauberhaftes Kinderbildnis "Die kleine Perthes" von 1805 ist im Weimarer Bestand und strahlt großformatig in dieser ansonsten kammermusikalischen Ausstellung voller Briefe und Dokumente. Die sind auch bald 200 Jahre nach Goethes Tod nicht vollständig untersucht – so kam jetzt unter den botanischen Papieren eine Zeichnung Friedrichs zum Vorschein, das "Wiesenblumenstück" von 1807, die Goethe eingelegt und zeitlebens dort belassen hat. Das bedeutendste Belegstück für die durchaus enge Beziehung zwischen Dichter und Maler ist allerdings ein Kriegsverlust von 1945, die "Rügenlandschaft mit Regenbogen", die sich auf "Schäfers Klagelied" von Goethe bezieht und von Herzog Carl August direkt beim Künstler erworben wurde, gegen Barzahlung übrigens.
Weder Religiosität spricht heute an noch die patriotische Gesinnung
Die Weimarer Station beschließt die Reihe der Jubiläumsausstellungen zu Friedrichs 250. Geburtstag, mit den drei Schwergewichten nacheinander in Hamburg, Berlin sowie Dresden und einer Reihe kleinerer, von eigenem Erkenntnisinteresse getragenen Ausstellungen, etwa in Friedrichs Vaterstadt Greifswald.
Die Überblicksschauen, mochten sie auf dem Papier auch voneinander abgesetzte Themen behandeln, dienten letztlich doch der Gesamtheit des Œuvres, das einerseits erstaunlich reich ist – und zu großen Teilen durchaus nicht wohlbekannt –, andererseits durch bittere Verluste wie den erwähnten dezimiert. Chronologisch in Früh-, Mittel- und Spätwerk ließen sich die drei Großprojekte ohnehin nicht einteilen. Bei Friedrich gibt es eine solche Kontinuität an Themen, Einzelmotiven und an Malweise sowieso, dass eine zeitliche Aufteilung allenfalls Spezialisten etwas zu sagen hätte.
Die Beliebtheit der Bilder Friedrichs bleibt ohnehin rätselhaft, macht man sich bewusst, was der Maler ausdrücken wollte. Weder die tief verwurzelte Religiosität Friedrichs spricht heute an noch die patriotische Gesinnung.
Was ließe sich besser sagen?
Das ganze Motivvokabular Friedrichs, bis ins feinste Detail mit Bedeutung aufgeladen, findet heutzutage kein gleichermaßen beseeltes Publikum mehr. Was bleibt, sind vor allem Landschaften, deren bis zur Kargheit gesteigerte Bescheidenheit und deren Ereignislosigkeit auch ohne das Verständnis ihres tieferen Sinnes betrachtet, genossen und sogar als Botschaft wahrgenommen werden können.
Die Weimarer Ausstellung zu Goethe und Friedrich (und über ihn hinaus) ist ein glücklicher Abschluss des Festjahres, gerade weil sie nicht in Konkurrenz zu den aufwändigen Blockbustern tritt. Sie hält sich an das, was sich in Sammlung und Archiven vorfindet, was belegbar ist und was unsere Kenntnis zweier zeitgleicher, unterschiedlicher, aber gerade nicht durchweg konträrer Fixpunkte der deutschen Geistesgeschichte wie der Weimarer Klassik und der Dresdner Romantik ganz wesentlich verbreitert. Was ließe sich Besseres zum Abschluss eines Jubeljahres sagen?