Der Monopol-Katechismus 2013

Zehn Vorsätze für das neue Jahr

1. Vorauseilenden Gehorsam verweigern: Schluss mit dem Missverständnis, ein Kunstwerk werde automatisch dadurch relevant, dass es anscheinend gesellschaftlich angesagte Themen aufgreift! Werke mit politisch-moralischer Botschaft sind unergiebig für den Betrachter, aber auch für die Kunst selbst. Deshalb bitte keine Burkas und US-Flaggen mehr in Kunstwerken verarbeiten. Auch verzichten können wir auf noch mehr Objekte, die irgendwie an Möbel der Moderne erinnern und „ihre Benutzbarkeit verweigern“. Auch entbehrlich: immer neue Facetten der Spiegelfolie.

2. Freakshows absagen: Sicher, jeder will einen eleganten, weltläufigen, ausschweifenden Abend erleben. Das gelingt nicht immer, am seltensten auf Kommando. Beim vor Kurzem gefeierten Fünfjahresjubiläum des Ullens Center for Contemporary Art (UCCA) in Peking schwangen plötzlich Menschen in Trainingsanzügen Nudelteig zu Salt-n-Pepas „Push It“ über ihren Köpfen, eingeölte chinesische Bodybuilder in Speedo-artigen Slips tauchten zwischen den eingeschüchterten Gästen auf. Auf programmierten Gaga-Events fühlt sich einfach jeder unwohl. Außer jene Exoten, die mal einen Ausflug in die verrückte Kunstwelt machen wollen, die sie für so etwas wie einen 24/7-Cirque de Soleil halten.

3. Kunst anwenden:
Kunstsponsoring für Experimentelles, Laborhaftes etablieren.

4. Die Wahrheit über Frauen: In solch avantgardistischen Branchen wie Politik und Wirtschaft hat es sich schon herumgesprochen – vielleicht ja auch bald im Kunstumfeld: Frauen, die sich hohe Ziele stecken und unter großen Aufgaben nicht zusammenbrechen, sind nicht automatisch herrisch, verrückt oder keine richtigen Frauen.

5. Anabolika auf den Index: Überträgt man sie auf Kunstwerke, kommt dabei zuverlässig etwas heraus, das Viktor Pintschuk garantiert sammelt. Das kann doch nicht nur daran liegen, dass im Englischen für „groß“ und für „bedeutend“ dieselbe Vokabel gilt.

6. Zahlen entmystifizieren: Der Kauf von sehr teurer Kunst soll angeblich „krisenfest“ sein, aber liegt das vielleicht allein daran, dass alle genau das behaupten? Erst die Händler (was sollen sie auch sagen?), dann die Journalisten, die aus Rekordpreisen auf Auktionen brav schlussfolgern: „Kunst gilt als sicherer Hafen für Geld in wirtschaftlich unsicheren Zeiten“ (dpa). Doch wir wollen hier gewiss niemandem die Freude über seinen 34-Millionen-Dollar-Richter verderben. Wer vermag schon zu sagen, das sei er nicht wert?

7. Künstler in Ruhe lassen:
Dass omnipotente Sammler sich mit nie versiegender großartiger Kunst umgeben wollen, stellt auf längere Sicht ein Problem her, das tiefe Schneisen schlägt bis in jene Bereiche, die in anderen Branchen „Nachwuchs“ heißen. Denn in der Kunst darf nichts in Ruhe nachwachsen, wer als Nachwuchs gilt, wird sofort abgeerntet. Wird mit Preisen, Biennale-Teilnahmen und Deadlines für Kataloge und Einzelausstellungen überhäuft, für die vorangegangene Generationen 60 Arbeitsjahre Zeit hatten. „Comeback nach Burn-out mit 36“ ist eine der traurigsten Perspektiven der Gegenwartskunst. Ließe man junge Künstler mal ein paar Jährchen einfach machen, brächten sie vielleicht die „Spiral Jetty“ des 21. Jahrhunderts zustande.

8. Museen stärken: Spannend wird, wie es mit dem Kurator weitergeht. Erst vor zwei Jahrzehnten als Berufsstand erfunden, scheint der genialische Ausstellungsmacher schon wieder abgemeldet. Die nächste Whitney-Biennale wird von drei Leuten kuratiert, andere Biennalen von ganzen Kuratorenteams oder, besser noch: mehreren Kuratorenteams. Der Trend geht definitiv wieder zurück zum Museumsdirektor: Kluge, international operierende Kuratoren wie Jens Hoffmann oder Chus Martínez zieht es an kleine, in der Gegenwartskunst unbedeutende Museen (Jewish Museum, Museo del Barrio, beide in New York).

9. Streit aushalten: Mehr Dissonanz, weniger Harmonie in der Kunstkritik wäre nicht schlecht. Wie man im Clinch mit allen anderen gut lebt, können wir uns im kommenden Jahr bei Kippenberger in mehreren Ausstellungen abschauen.

10. Aufhören zu verstören:
„Verstörend“ ist ein sehr starkes Partizip. Wer es verwendet, etwa in Pressetexten, will sagen, dass etwas angsteinflößend und sehr beunruhigend sei. In dieser aufgeklärten Gesellschaft trifft das nur noch auf ganz wenige Dinge zu. Neoromantische Malerei aus Weißrussland (Viennafair), fiktive Stadtlandschaften (Nusser & Baumgart), gezeichnete flauschige Fantasy-Monster (Taschen Verlag), Gleichzeitigkeit (Schirn), die unerwartete Schönheit von Entwicklungsländern (KOW Berlin) und auch der weibliche Körper (Kunsthalle Ravensburg) zählen nicht dazu.