Bestenliste aus den USA

Ist "Das Leben der Anderen" ein Jahrhundertdrehbuch?

Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck 2007 mit seinem Oscar für "Das Leben der Anderen"
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Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck 2007 mit seinem Oscar für "Das Leben der Anderen"

Die Autorengewerkschaften Writers Guilds of America haben die besten Drehbücher des noch jungen Jahrhunderts gekürt. Dabei trifft man auf die üblichen Verdächtigen - und ein deutsches Stasi-Drama. Etwas mehr Fantasie bitte!

Über die Nummer eins kann man sich kaum beschweren: Der politische Horrorfilm "Get Out" von 2017, vom Afroamerikaner Jordan Peele geschrieben und inszeniert, ist von den beiden US-Autorengewerkschaften WGAW und WGAE (die Endziffern stehen für "West" beziehungsweise "Ost") als beste Drehbucharbeit des bisherigen 21. Jahrhunderts ausgezeichnet worden. Warum Peeles Drehbuch für "Wir" (der noch stärkere Horrorthriller von 2019) auf keinem der nachfolgenden 100 Plätze auftaucht, ist seltsam. Schaffte es der fleißige Christopher Nolan dagegen doch gleich mit vier seiner Scripts ("The Dark Knight", "Memento", "Inception", "The Prestige") auf die Liste.

"101 Greatest Screenplays of the 21st Century (*so far)" ist das vierte Ranking der beiden Writers Guilds of America (WGAs). Erstmals wurden vor 15 Jahren 101 Spitzendrehbücher gekürt. (Feiert diese überraschend krumme Zahl etwa Scheherazades Erzählmarathon und streicht eine Null der "Tausendundeinen Nacht"? Handelt es sich um eine Hommage an Agnès Vardas "101 Nacht – Die Träume des M. Cinema", ohne dass die WGAs Varda je würdigten?) Die Liste von 2006 feierte jedenfalls von "Casablanca" bis "Notorious" 101 Drehbücher aus der ganzen Filmgeschichte. Allerdings wirkt diese in ihrem Fokus auf weiße, männliche Schöpfer heute ziemlich unzeitgemäß. "'Kanon' ist ein zweischneidiges Wort", geben die Initiatoren der neuen Liste nun zu. "Unter jenen 101 Drehbüchern gab es damals keine 'writers of color', und nur bei sieben war eine weibliche Autorin vertreten." Diesmal sind rund 30 weibliche Autorinnen vertreten, fünf POC sind unter den Top 10 des aktuellen Rankings.

Und nun zu den schlechten Nachrichten: Wieder einmal wird das Filmschaffen außerhalb der USA kaum berücksichtigt. Vereinzelt taucht ein Oscar-nominierter Film auf – Ehre, wem Ehre sowieso gebührt: Der hübsche "Die fabelhafte Welt der Amélie" liegt auf Rang 43, mehr ist für Frankreich nicht drin, sieht man von "Midnight in Paris" ab (Platz 83), dessen Drehbuch allerdings der Amerikaner Woody Allen schrieb. Wo bleiben Autoren ihrer eigenen Filme wie Olivier Assayas oder Jacques Audiard? Für den einzigen Iraner auf der Liste – Asghar Farhadi mit dem packenden "Nader und Simin: Eine Trennung" – bleibt nur das Mittelfeld, Platz 66.

Die Abwesenheit deutschsprachiger Filmgrößen – Maren Ade, Harun Farocki und Christian Petzold, Michael Haneke und und und – tut besonders deshalb weh, weil nur der Donnersmarck’sche Komet eine neue Ehrenrunde dreht: Auf Platz 52 glänzt – na was wohl – das Oscar-prämierte Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" von Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck (2006). DDR forever in La La Land! Nicht nur Drehbücher, auch Bestenlisten können weniger Denkfaulheit und mehr Fantasie vertragen.