Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Goslar, Leipzig, München, im Rheinland und in Stuttgart

Aufgrund der pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen bieten die meisten Ausstellungshäuser Zeitfenstertickets online an. Wir empfehlen, sich vor dem Museumsbesuch auf den Websites über die Buchungsmöglichkeiten und die Hygieneauflagen zu informieren.


Nik Nowak, Georges Adéagbo, Eli Cortiñas und Demokratie heute in Berlin

Auf den beeindruckenden Raum des Kesselhauses in der ab dem 27. März wiedereröffneten ehemaligen Berliner Kindl-Brauerei kann man als Künstler nur auf zwei Arten reagieren. Entweder man entscheidet sich für eine subtile Intervention (wie Bettina Pousttchi oder Haegue Yang), oder man setzt der mächtigen Industriearchitektur eine mächtige Installation entgegen (Roman Signer).

Der Berliner Künster Nik Nowak, der in diesem Jahr das Kesselhaus bespielt, fährt großes Geschütz auf und wirft sich in Grenzkonflikte. Er hat im Ausstellungsraum einen Zaun inklusive Stacheldraht gezogen, an dem sich zwei martialisch aussehende Maschinen belauern. Sie beschallen sich gegenseitig mit ohrenbetäubenden Propaganda-Gesängen, Schnipseln aus politischen Reden und statischem Rauschen. Nik Nowak spielt auf die politische Einflussnahme mit Sound an, die es an der deutsch-deutschen Grenze gab und heute noch an Grenzen verfeindeter Länder gibt (zum Beispiel Nord- und Südkorea). Wem das zu krawallig ist, kann sich in den Innenräumen eine Einzelausstellung von Georges Adéagbo, einen Film von Eli Cortiñas und die von Raimar Stange gastkuratierten Gruppenausstellung "Demokratie heute – Probleme der Repräsentation" anschauen.

Nik Nowak "Schizo Sonics", Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst, bis 15. Mai

"Demokratie heute - Probleme der Repräsentation", bis 4. Juli

Eli Cortiñas "Walls Have Feeling", bis 25. Juli

Georges Adéagbo: "La lumière qui fait le bonheur…", bis 25. Juli


Die Sammlung Hoffmann in Dresden

Die Sammlung von Erika und Rolf Hoffmann gehört zu den international bedeutendsten Privatkollektionen, ihre Anfänge reichen bis in die 1960er-Jahre zurück. Sie umfasst rund 1200 Werke von 1910 bis zur Gegenwart aus den Bereichen Malerei, Fotografie, Zeichnung, Skulptur, Installation, Film- und Videokunst, darunter von Andy Warhol, Sigmar Polke, Frank Stella, Bruce Nauman, Monica Bonvicini, Félix González-Torres oder Nancy Spero. Erika Hoffmann hatte die Sammlung nach dem Tod ihres Mannes 2001 weitergeführt, den Fokus Richtung Osteuropa erweitert und samstags ihre Wohnräume in Berlin-Mitte für Publikum geöffnet.

Die Kollektion soll als Schenkung bis 2023 vollständig in die Staatlichen Kunstsammlungen nach Dresden umziehen. Nachdem bisher immer wieder einzelne Werke in Häusern der SKD gezeigt wurden, eröffnet nun mit der Ausstellung "Still Alive" im Albertinum die erste umfassende Präsentation der Sammlung Hoffmann. Dort werden Werke von 40 Künstlerinnen und Künstlern zu den Schwerpunktthemen Lebendigkeit, Veränderlichkeit und Vergänglichkeit gezeigt. Der Wandel zieht sich als Motiv durch viele Werke der Sammlung, bestimmt aber auch das gesellschaftliche Miteinander in der aktuellen Krisenzeit.

"Still Alive. Werke aus der Sammlung Hoffmann", Albertinum, bis 4. Juli


Willem de Rooij in Frankfurt am Main

Auf einer großen, frei stehenden, verspiegelten Projektionsfläche scheinen wunderschöne dokumentarische Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus Surinam auf. Zwischen den einzelnen Bildern sieht man sich selbst beim Sehen. Das ist formal bestechend, erhellend und höchst wirksam. Die Ausstellung des Städel-Professors Willem de Rooij in dem der Schule angeschlossenen Portikus hat den Charakter eines künstlerischen Forschungsprojekts, das die Ästhetik der Bilder eines Bildjournalisten aus den 1940er Jahren überhöht und für die Gegenwart produktiv macht. Pierre Verger (1902–1996) ging als Ethnologe und Fotoreporter für französische Agenturen nach Brasilien. Dort entwickelte er sich zu einem Experten für die Einflüsse der Nachfahren westafrikanischer Sklaven und für den kulturellen und religiösen Synkretismus, Vermischung der Kulturen und Religionen in der Diaspora. Er wurde zum Experten für die kulturelle Achse zwischen Westafrika und Südamerika, ließ sich selbst zum Candomblé-Priester ausbilden und war zugleich visueller Anthropologe und Ethnologe. Bei einem nur einwöchigen Aufenthalt im benachbarten, kleinen Land Surinam fand er eine komplett diverse Gesellschaft vor. Er fotografierte indischstämmige Arbeiter, Menschen aus Indonesien und befasste sich intensiv mit den sogenannten Maroon People, den Nachkommen der laut Studien der Unesco insgesamt zwölf Millionen Versklavten, von denen einige in Surinam Seite an Seite mit der indigenen Bevölkerung ihre westafrikanischen kulturellen Praktiken weiterlebten und das Trauma der gewaltsamen Verschleppung in Candomblé-Riten bearbeiteten.

Der Niederländer Willem de Rooij ist selbst auf den Spuren Vergers nach Surinam gereist, das zu den ehemaligen niederländischen Kolonien zählt. Verger wurde zu Lebzeiten nur in Brasilien berühmt, in Deutschland kennt man ihn kaum. De Rooij bringt ihn in die aktuellen Diskurse ein, die Schönheit der Bilder ist dabei ein gutes Vehikel. Das Besondere an Vergers Perspektive ist, dass er trotz der asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen Fotografierendem und Fotografiertem eine Haltung einnimmt, die weder von Exotismus, Voyeurismus noch Viktimisierung gekennzeichnet ist. Sein analytischer Blick erkannte auch als einer der Ersten in den rituellen Handlungen der Maroon Strategien der Konfliktbewältigung und Identitätsfindung. Die Ausstellung ist ab dem 27. März wieder geöffnet und lädt auf eine Reise in die Vergangenheit ein.

Willem de Rooji: "Pierre Verger in Suriname", Portikus, bis 30. Mai


Japanische Fotografie in Goslar

In Deutschland wissen wir wenig über japanische Fotografie. Eine Ausstellung im Goslarer Mönchehaus Museum soll das ändern, zumal 2021 das 160-jährige Bestehen der deutsch-japanischen Freundschaft gefeiert wird. Mit Noboyushi Araki und Hiroshi Sugimoto sind zwei berühmte Namen dabei – daneben kaum bekannte wie Daido Moriyama, Asako Narahashi oder Miwa Yanagi. Der Parcours mit über 80 Werken beginnt Ende der 1960er-Jahre, als eine Gruppe junger japanischer Fotografen sich gegen Krieg, Kommerz und Kapitalismus wendete.

Daneben wird ebenfalls bis zum 16. Mai die Schau "Lienhard von Monkiewitsch - Hommage zum 80. Geburtstag" gezeigt. Werke des langjährigen Professors an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig werden zudem in Ausstellungen im Sprengel Museum und der Städtischen Galerie Kubus in Hannover präsentiert. In Goslar sind unter anderem Wandarbeiten aus Beton zu sehen.

"Past and Present - Positionen Japanischer Fotografie", Mönchehaus Museum, bis 16. Mai


Andreas Gursky in Leipzig

Andreas Gursky, einer der weltweit erfolgreichsten zeitgenössischen Fotografen, stellt erstmals in seiner Geburtsstadt Leipzig aus. Knapp 60 seiner großformatigen Werke aus 35 Jahren sind bis 22. August im Museum der bildenden Künste zu sehen. «Ich bin sehr emotionalisiert, endlich die Ausstellung eröffnen zu können, und dankbar, dass ich bei der Auswahl und Zusammenstellung hier schalten und walten konnte», sagte der 66-Jährige am Mittwoch in Leipzig. Nahezu die komplette obere Etage des Hauses ist mit seinen monumentalen Collagen bespielt, knapp 1500 Quadratmeter in 15 Räumen.

Neben Hauptwerken wie "Ruhrtal", "Paris, Montparnasse" oder "99 Cent" sind erstmals auch neue Arbeiten aus dem Vorjahr zu sehen. Die Motive von Gurskys Werken sind jedermann bekannt, sie entstammen der Gegenwart: Es geht um Massenveranstaltungen, Arbeitswelt, Freizeit, Konsumschauplätze, Sport, aber auch Politik. In "Politik II" versammeln sich etwa deutsche Spitzenpolitiker um eine Tafel, die an das "Letzte Abendmahl" erinnert. "Dieses Werk ist eher als Nebenprodukt entstanden, die Anordnung der Personen ist bewusst gewählt. Die Interpretation will ich aber dem Betrachter überlassen", erläuterte Gursky.

Gursky konstruiert mithilfe der digitalen Fotografie seine eigene Bilderwelt. Für sein Werk "Amazon" fotografierte er zwei Tage beim Versandriesen in den USA. Dabei war ihm nicht sofort klar, wie das Bild letztendlich aussehen wird. "Ich interpretiere das Objekt nicht schon bei der Aufnahme, sondern betrachte es mit Abstand", erklärte der 66-Jährige. Anschließend fügte er die zahlreichen Aufnahmen scheibchenweise und nahtlos zu einem großen Bild zusammen. Dabei wird aber inhaltlich nichts verfälscht. "Die Bilder müssen von der Komposition funktionieren, aber der dokumentarische Charakter steht im Vordergrund." (dpa)

"Andreas Gursky", Museum der bildenden Künste, bis 22. August

 

Der Blaue Reiter in München 

Das Lenbachhaus in München rückt seine berühmte Sammlung von Werken der Künstlergruppe Blauer Reiter ins Zentrum einer großen Ausstellung. "Gruppendynamik - Der Blaue Reiter" zeigt bis zum 5. März 2023 mehr als 500 Arbeiten von Malern wie Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, August Macke oder Franz Marc. Darunter seien rund 60 internationale Leihgaben, teilte die Städtische Galerie in München am Montag mit. Sie stammten unter anderem aus dem Solomon R. Guggenheim Museum in New York.

Roter Faden sind die Kapitel des Kunstalmanachs von 1912, in dem die Künstler ihre Positionen niederschrieben. Moderne Werke wurden darin in Bezug gesetzt zu Bildern, Skulpturen und Volkskunst verschiedener Ländern und Epochen. Das Lenbachhaus hat versucht, die abgebildeten Kunstwerke soweit wie möglich zu vereinen. Neben Gemälden aus der Gruppe und ihrem Umfeld finden sich auch japanische Holzschnitte, Hinterglasmalerei, Kinderzeichnungen oder Volkskunst etwa aus Russland, Sri Lanka oder Ägypten.

Ein Augenmerk liegt auf zwei Frauen: Maria Franck-Marc oder Elisabeth Epstein seien von den anderen Künstlern überschattet worden. Malende Frauen schienen dem Blauen Reiter primär als Naturtalente gegolten zu haben, ohne Stellung auf dem Kunstmarkt, schreibt die Kulturstiftung des Bundes im Katalog. Sie fördert die Schau, die auch kritischen Stimmen Raum gibt. Von Herrschaftsperspektive ist die Rede, wenn die Kulturstiftung über den Umgang der Künstler mit ethnografischen Werken wie etwa Masken aus Benin schreibt. Die historische Eigenart der Produzentinnen und Produzenten erfahre kaum Geltung.

Die auf zwei Jahre angelegte Schau ist erst der Auftakt. Am 19. Oktober kommt eine Ausstellung hinzu, die weltweit tätigen Gruppen von Künstlerinnen und Künstlern gewidmet ist. (dpa)

"Gruppendynamik - Der Blaue Reiter", Lenbachhaus, bis 2023

Ausstellung "Der Blaue Reiter - Gruppendynamik" im Lenbachhaus
Foto: dpa

Ausstellung "Der Blaue Reiter - Gruppendynamik" im Lenbachhaus in München


Geburtstagskind Joseph Beuys im Rheinland

Mit Ausstellungen in Düsseldorf und Wuppertal soll das Beuys-Jubiläumsjahr an diesem Wochenende trotz drohendem verschärften Corona-Lockdown eröffnet werden. Schon kommende Woche droht in Nordrhein-Westfalen die erneute Schließung von Museen. Ab Montag werde in NRW die Corona-"Notbremse" gezogen, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Mittwoch im Landtag. Das bedeutet, dass etwa Geschäfte, Museen und Sportanlagen nach vorübergehenden Öffnungen wieder schließen müssen.

Der Ausnahmekünstler Joseph Beuys (1921-1986) wäre am 12. Mai 100 Jahre alt geworden. Diese Woche stellte der Bildhauer Tony Cragg im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal die Ausstellung "Perpetual Motion" mit Werken von Beuys vor. Am Sonntag werde sie für Besucher geöffnet, sagte eine Sprecherin.

Bis zum 20. Juni sollen rund 25 Beuys-Werke aus Sammlungen wichtiger Wegbegleiter des Künstlers gezeigt werden. Die Objekte wurden von der Galerie Thaddaeus Ropac und der Galerie Klüser ausgeliehen, aber auch von der Herausgeberin des "Kunstkompass", Linde Rohr-Bongard. Sie war eng mit Beuys befreundet. Zu sehen sind etwa eine große Bronze-Badewanne, ein handsignierter Ziegelstein und die berühmte Capri Batterie - eine an eine Zitrone angeschlossene gelbe Glühbirne.

Auch die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf will am Wochenende trotz drohender Schließung die große Ausstellung "'Jeder Mensch ist ein Künstler' - Kosmopolitische Übungen mit Joseph Beuys" eröffnen. Die in 13 Kapitel untergliederte Ausstellung orientiert sich am Leitspruch von Beuys (1921-1986), wonach jeder Mensch ein Künstler sei. Das Besondere: Es werden nur Videos und Fotos der spektakulären Aktionen von Beuys gezeigt, aber keines seiner berühmten Werke wie Schlittenrudel oder Badewannen.

Happenings wie etwa Beuys' Auftritt 1965 mit einem toten Hasen in Düsseldorf oder später mit einem Kojoten in einer New Yorker Galerie werden Aktionen von zeitgenössischen internationalen Künstlern und Aktivisten gegenübergestellt. So treten etwa die "Fridays for Future"-Aktivistin Greta Thunberg, der Whistleblower Edward Snowden und auch der Autor Michel Houellebecq in Dialog mit Beuys. (dpa)

"Perpetual Motion", Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal, bis 28. Juni

"Jeder Mensch ist ein Künstler" - Kosmopolitische Übungen mit Joseph Beuys", Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf


Beuys als Raumkurator in Stuttgart

Kann man aus einem Museum einen Ort gesellschaftlicher Debatten machen? Im Jahr 1984 richtete Joseph Beuys, den diese Frage sein ganzes künstlerisches Schaffen über beschäftigte, in der Staatsgalerie seinen eigenen Raum ein. Er wollte damit das Verhältnis von Werk, Raum und Betrachtenden neu definieren. Dazu brachte Beuys verschiedene Werke zusammen: eine Vitrine mit Objekten aus den Jahren 1949 bis 1972, die zwei kleinformatigen Plastiken "Kreuzigung" (1962/63) und "Friedenshase" (1982) sowie die beiden großen Installationen "Plastischer Fuß Elastischer Fuß" (1969–86) und "dernier espace avec introspecteur" (1964–82). Außerdem integrierte er ein Werk von Andy Warhol.

In seinem Bestreben, die Distanz zwischen Werk und Betrachtenden aufzulösen, war Beuys radikal und seiner Zeit voraus. Das Umschreiten der Objekte und das Betreten von Installationen, heute eine gängige Praxis, war damals ungewöhnlich. In diesem Raum sollte zwischen dem "Chaotisch-Willensmäßigen" und dem "Gedanklich-Formmäßigen", so Beuys’ Begriffe, Energie zirkulieren, die sich auf die Besucherinnen und Besucher überträgt und sie so befähigt, ihr eigenes kreatives Potenzial wahrzunehmen.

Den Energiefluss im Beuys-Raum kann man seitdem auf die Probe stellen, denn er besteht in Stuttgart seit seiner Installation durch den Künstler unverändert. Anlässlich von Beuys’ 100. Geburtstag wird er jetzt in der Ausstellung "Joseph Beuys. Der Raumkurator" ergänzt um historisches Filmmaterial und Fotografien von Lothar Wolleh, der Beuys mit der Kamera begleitet und die Entstehung der ausgestellten Werke dokumentiert hat. Die Ausstellung betont, wie Beuys in seine Werke die Blickwinkel der Betrachterinnen und Betrachter einbezog und deren unmittelbare Beteiligung aktivieren wollte. Zu sehen sein wird auch eine Neuerwerbung, die größte Zeichnung von Joseph Beuys, ein mit Hasenblut eingefärbter Pausabdruck eines Fettflecks. Beuys’ Werke und die ihnen zugeschriebene Energie laden weiter zum leidenschaftlichen Diskutieren ein.

"Joseph Beuys. Der Raumkurator", Staatsgalerie Stuttgart, bis 18. Juli