Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Bremen, Frankfurt, Hamburg, Leipzig, München, Leipzig, Seebüll und Stuttgart

Aufgrund der pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen bieten die meisten Ausstellungshäuser Zeitfenstertickets online an. Wir empfehlen, sich vor dem Museumsbesuch auf den Websites über die Buchungsmöglichkeiten und die Hygieneauflagen zu informieren.

 

Kunst mit Wut im Bauch in Berlin

Ein flackernder böser Engel aus Licht war eines der meistbeachteten Werke auf der Venedig-Biennale 2019. Für sein Werk "L’Ange du Foyer" hatte Cyprien Gaillard das brutale Monster, mit dem Max Ernst 1937 den Sieg des Faschismus in Spanien symbolisierte, in ein Hologramm verwandelt – technologisch passgenaues Update einer Warnung vor den brutalen Kriegstreibern, die auch heute noch gilt. Jetzt wird das Werk ein Hingucker in der großen Sammlungspräsentation in Julia Stoscheks Berliner Standort.

Ihren Titel "A Fire in My Belly" leiht die Ausstellung von einem unvollendeten Werk von David Wojnarowicz, der im aufgeheizten Klima der 1980er-Jahre auf Aids-Krise, Diskriminierung und Homophobie reagierte. Gewalt und Widerstand sind die Leitbegriffe der Werke aus mehreren Jahrzehnten und Generationen, die die Sammlerin Stoschek und ihre Kuratorin Lisa Long versammeln, und man darf eine so aufreibende wie aufregende Zusammenstellung erwarten. Zu sehen sind feministische Klassiker von Ana Mendieta oder Barbara Hammer, bekannte Hits aus den 1990ern wie Tracey Emins "Why I Never Became a Dancer" sowie Werke von Arthur Jafa oder Bunny Rogers, die in jüngerer Zeit Furore machten.

Auch der Biennale-Film von Laure Prouvost wanderte in Stoscheks Sammlung, genauso wie der erste Film von Anne Imhof. Erstmals werden die Film- und Videoprojektionen in größerem Stil von Fotografien und Skulpturen von Trisha Donnelly, Thomas Demand und Rob Pruitt ergänzt. 

"A Fire In My Belly", Julia Stoschek Collection Berlin, bis 12. Dezember


Amelie von Wulffen in Berlin

Die Biene Maja sitzt am Boden und hat sich in die Hose gemacht – giftig gelb ist die Pisse, so wie die Streifen der plumpen Figur und auch das geometrische Muster auf dem Gemälde dahinter. Nein, es war kein optimales Jahr, sagt dieses Ensemble von Amelie von Wulffen. Endlich hat sie die längst verdiente große Retrospektive in Berlin, der Stadt, in der sie seit Jahrzehnten lebt und deren Kunstszene sie mitgeprägt hat.

Immer wieder klingt eine Abrechnung mit der Kindheit an, stickig-spießige Familienszenen mit nazibraunem Unterton in ländlicher Pseudo-Idylle – die Künstlerin kommt aus der Oberpfalz – treffen auf Versatzstücke der Konsumwelt. In wilde Landschaftsmalerei platzen Netflix-Fenster mit dem abzuglotzenden Pensum, die Lautenspielerin hat eine Ferkelfamilie zu Besuch, und im hölzernen Bauernschrank stecken Grabsteine aus Terrakotta, Nachbildungen vom jüdischen Friedhof in Weißensee. So feiert bei Amelie von Wulffen das Trauma seine unpathetische Wiedergeburt als Schwester des Trash, und gemeinsam lassen sie keinen Stein auf dem anderen.

Amelie von Wulffen, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, ab Mittwoch, bis 24. Mai


Picasso und sein Galerist in Bremen

Der Künstler hatte viele Fragen an den Gast aus Bremen. Aber es gefiel Pablo Picasso, dass Michael Hertz zur Friedensbewegung gehörte und vor dem Zweiten Weltkrieg Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen war. So wurde Hertz (1912-1988) zum alleinigen Verkäufer von Picassos Grafiken im Nachkriegsdeutschland. Ein besonders eifriger Abnehmer war die Kunsthalle Bremen. Sie zeigt ihre Picasso-Bestände in einer Sonderausstellung. Die um drei Monate verschobene Schau "Die Picasso-Connection. Der Künstler und sein Bremer Galerist" läuft bis zum 18. Juli.

Zu sehen sind in Bremen die für Picasso typischen Motive: die Friedenstauben, die Stierkämpfe, die Frauenporträts. Aber es gibt auch Unerwartetes zu entdecken zu Buchillustrationen oder erstaunlich naturalistische Tierzeichnungen. Zugleich erzählt die Ausstellung mit liebevollen Details davon, wie diese Werke vermittelt und gekauft wurden. Der Galerieneuling Hertz kam 1949 mit Picassos Hauptgaleristen Daniel-Henry Kahnweiler in Paris in Kontakt, wie Kuratorin Manuela Husemann sagt. Picasso war damals noch nicht der unumstrittene Weltstar der Kunst. Hertz verkaufte an viele deutsche Museen und trug dazu bei, dass die Wertschätzung für den Künstler und damit auch dessen Marktwert wuchs.

Für die Kunsthalle ist es die erste Ausstellung nach dem Lockdown seit November. Das Museum kann nur nach Anmeldung besucht werden. (dpa)

"Die Picasso-Connection: Der Künstler und sein Bremer Galerist", Kunsthalle Bremen, 18. Juli

Das Werk "Im Atelier (Maler und Modell, ihr Porträt betrachtend)" von Pablo Picasso wird in der Kunsthalle Bremen gezeigt
Foto: Sina Schuldt / dpa

Das Werk "Im Atelier (Maler und Modell, ihr Porträt betrachtend)" von Pablo Picasso wird in der Kunsthalle Bremen gezeigt


Hommage an Graphic Novels in Bremen

Comics sind mehr als Jugend-Unterhaltung mit Action und muskulösen Superhelden. Seit einiger Zeit haben sich Graphic Novels als eigene literarische Gattung durchgesetzt. Früher auf Independent-Messen zuhause, sind sie jetzt im Museum angekommen - etwa in Bremen. Dort widmet das Wilhelm Wagenfeld Haus den Graphic Novels nun eine eigene Schau, die nach vier Monaten Lockdown seit dieser Woche live zu sehen ist. Besucher müssen vorher einen Termin vereinbaren. "Wir hoffen, dass wir jetzt ein paar Wochen öffnen können", sagt Julia Bulk, Geschäftsführerin der Wilhelm Wagenfeld Stiftung.

Graphic Novels sind oft autobiografisch, dokumentarisch und humorvoll hintergründig. Zu den Autoren und Zeichnern gehört etwa Julia Bernhard, die in Mainz und Berlin lebt und arbeitet - sie entwirft mit digitalem Pinsel und Tablet ein Psychogramm ihrer Generation. In ihrem Comic-Debüt hinterfragt sie Rollenklischees zu Frauen um die 30 - es geht um penetrante Fragen nach Freund, Hochzeit oder Baby. Sogar Hund, Zimmerpflanzen und Toaster stellen das Verhalten der Frau in Frage, bis diese mit ihrem Sofa verschmilzt und verschwindet.

Anna Haifisch, im Sommer mit dem Max-und-Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin ausgezeichnet, ist mit ihrem Buch "Schappi" vertreten. Ihre hintersinnige Fabelwelt in leuchtenden Rot- und Gelbtönen kreist um Geltungssucht beim G20-Gipfel in Hamburg und eine Maus, die sich wie ein Schwein benimmt. "Ich liebe die Kombination aus Wort und Bild, weil mir beides Spaß macht", sagt die Leipzigerin.

Auch "Unsichtbar" wird gezeigt, die Geschichte eines Flüchtlings aus Eritrea. In skizzenhaftem Stil hat Barbara Yelin mit Aquarellfarben und Buntstiften Hoffnung und Verzweiflung des jungen Manns festgehalten: "Ich will solche Einzelschicksale von innen anschauen und so Nähe schaffen. Das suchende, forschende Zeichnen ist dabei meine persönliche Art, die Welt begreifen zu wollen", sagt die Münchnerin. "Toll sind Comics, weil ich da alles in einem bin: Drehbuchautorin, Regisseurin, Dramaturgin und Maskenbildnerin." (dpa)

"Graphic Novel mit Battle of Print", Wilhelm Wagenfeld Stiftung, bis 29. August

Graphic-Novel-Schau in der Wagenfeld Stiftung in Bremen
Foto: dpa

Graphic-Novel-Schau in der Wagenfeld Stiftung in Bremen


Gilbert & George in Frankfurt

Tod, Hoffnung, Leben, Angst, Sex, Geld und Religion sind die Themen, die Großbritanniens bekanntestes Künstlerduo umtreiben. Gilbert & George verkörpern als Living Sculptures ihre Kunst und sind zugleich Gegenstand der großformatigen Collagen und gerasterten Bildwelten. Zwischen 1971 und 2019 datieren die Werke der großen Retrospektive in Frankfurt.

"Gilbert & George: The Great Exhibition". Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Main,


De Chirico in Hamburg

Er zählt zu den wichtigsten Vorläufern des Surrealismus und der Neuen Sachlichkeit: Giorgio de Chirico (1888–1978) schuf ikonische Bilder von leeren Plätzen, in denen die Zeit stillsteht und vermeintlich Alltägliches befremd-lich wirkt. Neben Werken von de Chirico und seinen Nachfolgern Carlo Carrà und Giorgio Morandi sind Bilder von Künstlern in der Hamburger Kunsthalle ausgestellt, die den in Griechenland geborenen italienischen Künstler beeinflusst haben, von Arnold Böcklin oder Max Klinger.

"Giorgio De Chirico: Magische Wirklichkeit", Kunsthalle Hamburg, bis 25. April


Karnevalistische Malerei in Hamburg

Eine "karnevalistische" Malerei wäre die sozial relevante Malerei, so die Idee am Hamburger Kunstverein. Der Gruppenschau "Carnivalesca" liegt die These zugrunde, dass Clement Greenbergs Paradigma des autonomen Kunstwerks bis heute die Malerei bestimmt, sodass der Kunstgattung eine soziale Rolle weiterhin eher abgesprochen wird. Welche Positionen in der Malerei heute aber möglich sind, belegen Werke von Anna Boghiguian, Beatriz González, Donna Huanca, Victor Man, Khalil Rabah, Raphaela Vogel und anderen.

"Carnivalesca - Was in der Malerei mölich wäre", Kunstverein Hamburg, bis 2. Mai

 

Die Faszination von Selfies in Leipzig

Das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig hat in dieser seine Selfie-Ausstellung "Immer ich" eröffnet.  Planmäßig hätte die Schau schon Anfang Februar zu sehen sein sollen.

Nach Angaben des Museums entstehen weltweit täglich rund 93 Millionen Selfies. Die Ausstellung widme sich der Frage, wie dieses Phänomen zu erklären sei, sagt Kuratorin Henrike Girmond. In vier Themen-Räumen werden dazu Einzelstränge dargestellt - zum Beispiel, was Selfies bewirken und wie sie die Gesellschaft verändern.

Rund 600 Objekte sind zu sehen. Sie reichen von Selfie-Wahlplakaten verschiedener Politiker über Selfiesticks bis hin zu ikonischen Bildern wie jenes, das Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Flüchtlingen zeigt, oder das bekannte Gruppenbild, das US-Moderatorin Ellen DeGeneres 2014 bei der Oscar-Show in Los Angelas aufnahm.

Unter anderem Museen dürfen in Sachsen wieder Besucher empfangen, solange die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Tagen im gesamten Land und im jeweiligen Landkreis oder der Kreisfreien Stadt unter 100 liegt. (dpa)

"Immer ich - Faszination Selfies", Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, bis Januar 2022

 Emmanuel Macron, Staatspräsident von Frankreich, lässt sich während des französisch-spanischen Gipfels fotografieren
Foto: dpa

Emmanuel Macron, Staatspräsident von Frankreich, lässt sich während des französisch-spanischen Gipfels in Montauban fotografieren


Lucy McKenzie in München

Die herausragende Malweise von Lucy McKenzie ist zugleich das Wichtigste und das Unwichtigste in ihrer Arbeit. Im Alter von 30 Jahren schrieb sie sich am Institut für dekorative Malerei Van Der Kelen Logelain in Brüssel für einen Intensivkurs ein und arbeitete an ihrer Trompe-l’œil-Technik zur illusionistischen Darstellung von Holz oder Marmor. Ihre großen Leinwände in den hohen Räumen des Museums Brandhorst erzeugen tatsächlich den Eindruck von hinter den Bildern liegenden Jugendstil-Räumen oder viktorianischen Architekturen.

Es gehört viel Coolness dazu, die dekorativen Täuschungsmanöver derart akribisch durchzuziehen. Ihre Könnerschaft und auch ihr Fleiß könnten alles ersticken. Aber sie bilden im Gegenteil die Kulisse für eine große Leichtigkeit. Auf diesen perfekt imitierten Oberflächen aus vermeintlichem Teakholz, Marmor, pittoreskem Himmel blau tanzen Witz, Gegenwartswissen, Popbegeisterung, Subversion.

Lucy McKenzie: "Prime Suspect", Museum Brandhorst, München, bis 6. Juni


Emil Nolde als Maler und Grafiker in Seebüll

Die 65. Jahresschau der Nolde-Stiftung in Neukirchen-Seebüll (Schleswig-Holstein) widmet sich den verschiedenen Facetten Emil Noldes (1867-1956) als Grafiker und Maler. Sie wollten einen neuen Blick auf das Wechselspiel der künstlerischen Techniken werfen, sagte der Direktor der Stiftung, Christian Ring. Dazu werden Druckgrafiken und Aquarelle in unmittelbare Nachbarschaft zu Ölgemälden gehängt. Durch die ungewohnte direkte Gegenüberstellung zeigt die Ausstellung "Emil Nolde - Maler und Graphiker", wie Nolde die verschiedenen künstlerischen Techniken ins Wechselspiel gesetzt und seine Motive in Variationen gedacht hat. Neben bekannten werden auch bislang nur selten oder nie zuvor gezeigte Werke zu sehen sein.

Insgesamt werden bis zum 31. Oktober 125 Exponate gezeigt. Erstmals in Seebüll sind 72 der Werke zu sehen. Die Schau ist wegen der denkmalgerechten Sanierung des ehemaligen Wohn- und Atelierhaus des Malers erneut im Besucherforum untergebracht. Für den Besuch gelten Corona-bedingte Auflagen. (dpa)

"Emil Nolde - Maler und Graphiker", Nolde-Stiftung, Seebüll, bis 31. Oktober

Ausstellung "Emil Nolde - Maler und Graphiker" in Seebüll
Foto: dpa

Ausstellung "Emil Nolde - Maler und Graphiker" in Seebüll


Selbstreflexion in Stuttgart

Das Stuttgarter Linden-Museum, eines der bedeutendsten Völkerkundemuseen in Europa, stellt sich in seiner neuen Ausstellung der umstrittenen eigenen Vergangenheit. Unter dem Titel "Schwieriges Erbe" widmet es sich vor allem den ersten Jahrzehnten seiner Geschichte und den Spuren, die der Kolonialismus auch in Württemberg und den Sammlungen des Hauses hinterlassen hat. Es geht nach Angaben des Museums nicht zuletzt auch um die kolonialen Verbindungen in der Zeit zwischen 1882 und etwa 1940, in der das Museum viele Sammlungen aufgenommen hat.

"Wir werden mit Sicherheit unschöne Seiten des Museums aufdecken, aber es ist wichtig, sich damit zu beschäftigen", hatte Museumsleiterin Ines de Castro bereits bei der Vorbereitung der "Werkstattausstellung" angekündigt. Sie ist seit dieser Woche wieder geöffnet und soll nach bisheriger Planung bis zum 8. Mai 2022 zu sehen sein.

Einen der Schwerpunkte setzen die Kuratoren auf Karl Graf von Linden (1838-1910), den damaligen Vorsitzenden des Trägervereins und bestimmende Figur des Museums während der Kolonialzeit. Die Ausstellung betrachtet aber auch das kolonialistische Vereinswesen, zu dem der Trägerverein zählt. "Vereine prägten das gesellschaftliche Leben und dienten als Multiplikatoren kolonialer Ideologien", erklärt das Museum. Erinnerungen an Ereignisse wie Kolonialtagungen, -ausstellungen und sogenannte Völkerschauen sollen zeigen, wie tief der Kolonialismus auch in Stuttgart verwurzelt gewesen ist.

Das Linden-Museum wurde vom 1882 gegründeten Württembergischen Verein für Handelsgeographie konzipiert und 1911 eingeweiht. Heute beherbergt das Haus mehr als 160 000 Objekte aus allen Erdteilen außerhalb Europas. Bekannt ist es auch für seine fortgeschrittene Provenienzforschung. (dpa)

"Schwieriges Erbe", Linden Museum, Stuttgart, bis 8. Mai 2022

"Schwieriges Erbe", Installationsansicht Linden Museum Stuttgart
Foto: dpa

"Schwieriges Erbe", Installationsansicht Linden Museum Stuttgart