Debatte über Kultursponsoring

Wenn Konzerne ihre Kunst verkaufen

Düsseldorf (dpa) - Ein Raunen ging durch die Kunstszene, als der unter Spardruck stehende Energieversorger Eon ankündigte, sich von einem der spektakulärsten Stücke seiner Kunstsammlung zu trennen. Jackson Pollocks Schwarz-Weiß-Komposition «Number 5 (Elegant Lady)» soll Mitte Mai von Christie's in New York versteigert werden und umgerechnet bis zu 15 Millionen Euro einbringen. Mit dem Erlös will der Konzern sein künftiges Kultursponsoring finanzieren.

Sofort kam eine neue Diskussion auf, was das Engagement von Großunternehmen für die Kunst eigentlich wert ist. Der Fall Eon ist ein besonderer, denn der Stromversorger finanziert zusammen mit der Stadt Düsseldorf in einer für die Kultur noch ungewöhnlichen öffentlich-privaten Partnerschaft (Public Private Partnership/PPP) seit 1998 das Museum Kunstpalast. Dort hing das Pollock-Werk bislang als vielfach bewunderte Dauerleihgabe und wurde auch an andere Museen verliehen. Einmal versteigert, darf sich demnächst wohl ein privater Eigentümer im eigenen Wohnzimmer an der «Elegant Lady» erfreuen.

Die Attraktivität des Kunstpalastes im internationalen Leihverkehr werde durch den Verlust nicht leiden, heißt es im Museum. Man habe noch viele andere künstlerische Pfunde. Die Abhängigkeit von Eon hat den Spardruck im Kunstpalast ohnehin verschärft. Ein von dem Stromversorger abgeordneter Manager bringt als kaufmännischer Geschäftsführer das Museum derzeit aus den roten Zahlen. Bis 2017 hat Eon dem Kunstpalast einen jährlichen Betriebskostenzuschuss von 750 000 Euro zugesichert. Allerdings bekommt das Museum schon seit Jahren keinen festen Zuschuss mehr für Ausstellungen, sondern muss für Projekte um Sponsoring werben.

Der Geschäftsführer des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, Stephan Frucht, glaubt dennoch nicht, dass die Glaubwürdigkeit von Unternehmen als Kulturförderer leidet. «Die Unternehmen sehen ihre Kunstsammlungen und Kulturengagements in der Regel als Beitrag ihrer eigenen gesellschaftlichen Verantwortung.» Die Kunstetats der Unternehmen seien ohnehin «denkbar ungeeignet», um eine Bilanz zu konsolidieren. Dazu seien sie in ihrem Umfang viel zu klein.

Für den einflussreichen Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach ist der Verkauf des Pollock-Gemäldes «ein kulturelles Armutszeugnis». «Die verscherbeln jetzt ihr Tafelsilber», sagt er. Schon lange fordert Achenbach, dass die Kulturförderung von Konzernen in Unternehmensstiftungen gehört, damit sie «nicht von der jeweiligen Tagespolitik eines Vorstandschefs abhängig ist». «Dann wäre die Kulturförderung auch nicht mehr Leidtragende, wenn ein Unternehmen durch Fehlmanagement Verluste macht», sagt Achenbach.

Eon ist nicht das einzige Unternehmen, das in wirtschaftlich schweren Zeiten bereit ist, sich von Kunst zu trennen. Der österreichische Unternehmensgründer Karlheinz Essl bot den Verkauf seiner Sammlung an, um seine Baumarktkette bauMax zu retten. Der Wert der rund 7000 Werke der Gegenwartskunst seit 1945 wird mit 86 Millionen Euro veranschlagt.

Dass die Kunstschätze der Unternehmen Rekorderlöse bringen können, zeigte 2010 die Versteigerung der Giacometti-Skulptur «L'homme qui marche» durch die Commerzbank. Die Skulptur aus der ehemaligen Kunstsammlung der Dresdner Bank, die von der Commerzbank übernommen worden war, brachte fast 74 Millionen Euro ein. Ein Drittel des Erlöses steckte die Commerzbank übrigens in die Kulturförderung von Museen in Frankfurt, Berlin und Dresden.

Was aber passiert mit Kunstsammlungen von Unternehmen, die in die Insolvenz gehen? Die insolvente Arcandor AG ließ 2011 rund 75 Werke aus der einstigen Karstadt-Firmenkollektion durch die Villa Grisebach in Berlin versteigern. Der Gesamterlös betrug nach Angaben eines Sprechers des Insolvenzverwalters nur gut zwei Millionen Euro. Den weniger wertvollen Rest der Sammlung übernahm eine Galerie am Niederrhein für gerade mal 15 000 Euro.

Auch die 2012 nach Milliardenverlusten zerschlagene WestLB verfügte über eine Kunstkollektion. Die Sammlung mit Werken der Zero-Künstler sowie von Joseph Beuys, Gotthard Graubner oder Katharina Grosse befindet sich jetzt im Eigentum der Nachfolgegesellschaft Portigon AG, die wiederum dem Land NRW gehört. «Eine Entscheidung über die weitere Verwendung wurde noch nicht getroffen», heißt es bei Portigon. Die Kunstwerke befänden sich in den Gebäuden der Gesellschaft, seien «an Museen ausgeliehen oder fachgerecht eingelagert».

Die wirklich wertvollen Werke aus der einstigen WestLB-Sammlung aber hingen nach Angaben von Kunstberater Achenbach in den NRW-Spielbanken. Als die WestLB 2002 in eine Geschäftsbank und in die NRW.Bank als Förderbank aufgepalten wurde, fielen die Spielbanken an die NRW-Bank. Im Aachener Casino etwa habe ein «Double-Elvis» von Andy Warhol gehangen, dessen Wert bei 60 Millionen Dollar liegen dürfte, sagt Achenbach. Das Bild sei inzwischen eingelagert. Was damit passiert, weiß niemand.