Wade Guyton in München

Zwischen Malerei und Fotografie

Im Museum Brandhorst zeigt Wade Guyton seinen Tintenstrahl

Seit Anfang der Nullerjahre beschäftigt sich Wade Guyton mit der digitalen Bildproduktion und deren Auswirkung. Das Herzstück seines Studios ist ein Tintenstrahldrucker Epson 9900, mit dem er seine Leinwände bedrucken lässt. Das Studio des 1972 geborenen US-amerikanischen Künstlers liegt in einem Loft auf der New Yorker Bowery. Dort hat er in den letzten zwei Jahren an einer Bildserie für seine bisher größte Ausstellung, "Das New Yorker Atelier" im Münchner Museum Brandhorst, gearbeitet. Guyton legt dafür gefaltete Leinwände und Seiten aus Kunstkatalogen in den Drucker und lässt sie mit verschiedenen Informationen bedrucken. Die Motive seiner bisherigen Bilder waren überwiegend minimalistische Symbole wie die Buchstaben X und U, Streifen oder monochrome Flächen. Diese Arbeiten – von Sammlern geliebt – verhalfen Guyton zu einer steilen Karriere.

Jetzt hat der Künstler die Motive und Techniken seiner "Paintings" erweitert. Mithilfe seiner Smartphone-Kamera machte er Schnappschüsse in seinem Atelier. Da gibt es den Blick aus dem Fenster auf die Skyline von Manhattan, den mit Leinwänden bedeckten Holzboden des großen Studioraums, einen verbogenen Stuhl von Marcel Breuer. Guyton übersetzt die Bildmotive mit Computerprogrammen in digitale Codes und schickt sie an den Drucker – Befehle, die dessen Leistungsgrenzen übersteigen. So geraten die oft fehlerhaft bedruckten, mit Farbe verschmierten Leinwände in ein ständiges Wechselspiel zwischen Malerei und Fotografie.

Bei Wade Guyton wird immer von "Paintings" gesprochen, aber ist es denn noch Malerei? Der Begriff wird längst so weit gefasst, dass nicht nur mit dem Pinsel aufgetragene Farbe damit gemeint ist. Vor allem die Leinwand erinnert an das Medium, der Rest sind Dateien. Für die Serie der "New York Times Paintings" hat Guyton Screenshots der Zeitungswebsite auf Leinwände gedruckt. So wird er zum Archivar eines sich ständig aktualisierenden tagespolitischen Nachrichtenmediums und zum nicht malenden Fotorealisten. Wie auch beim "New York Times"-Screenshot vom 28. November 2016, durch den wir erfahren, dass Donald Trump die Wahl wegen illegaler Stimmabgabe anfechten will. Direkt daneben: Werbeanzeigen.

Neben den 35 Bildern auf Leinwand präsentiert die Ausstellung eine Serie aus 120 Zeichnungen: Buchseiten, die der Künstler vor allem aus Kunstkatalogen gerissen und digital bedruckt hat. Außerdem gibt es zwei Videoprojektionen, die Bilder mit Stapeln von an die Wand gelehnten Arbeiten Guytons zeigen. Hier geht der Künstler auf die Metaebene und macht nach dem Inkjet-Print auch die digitale Bildprojektion zum Teil seiner Malerei. "Manche Betrachter fantasieren mit Vorliebe über meine malerischen Qualitäten, auf die ich aber nie besonderen Wert gelegt habe", sagt er.