Ruhrtriennale

Intendantin Carp sorgt schon vor Festivalstart für Debatten

Daniel Sadrowski/Ruhrtriennale 2018
Daniel Sadrowski/Ruhrtriennale 2018
Stefanie Carp bei der Auftakt-Pressekonferenz zur Ruhrtriennale am 1. August

Die Ruhrtriennale gehört zu den großen Kunstfestivals in Europa. Der Anspruch ist hoch. Doch statt über das Programm wird vor dem Start über die neue Intendantin diskutiert

Für die ambitionierte Ruhrtriennale ist der Festivalsommer nicht gut angelaufen. Die neue Intendantin Stefanie Carp hat sich schon vor Beginn der Spielzeit in eine Diskussion um Israel-Kritik verstrickt. Auslöser war Carps irritierender Umgang mit der schottischen Popband "Young Fathers". Die Ruhrtriennale-Intendantin hat die Gruppe mit Nähe zur BDS-Bewegung, die für einen Boykott Israels eintritt, erst ein-, dann aus- und schließlich wieder eingeladen. Am Ende sagte die Gruppe ihren Auftritt selbst ab.

NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) zeigte sich "höchst irritiert". Carp musste zum Rapport vor den Kulturausschuss des Landtags und sorgte dort für weiteres Kopfschütteln. Inzwischen sieht sich die 62-Jährige von Fragen verfolgt, die aus ihrer Sicht vom Wichtigsten des Festivals ablenken – der Kunst. Als sie in dieser Woche die ersten Produktionen der gut sechswöchigen Ruhrtriennale vorstellte, wich sie dem Thema aus. Sie wolle die aufregenden und berührenden Arbeiten der Künstler "nicht mit diesem Nebenschauplatz vermischen", beschied Carp Fragesteller. 

Seit 2002 gibt es die Ruhrtriennale. Das Konzept des Kunstfestivals in alten Industrieanlagen: Ein Intendant oder eine Intendantin stellt ein Programm für drei Spielzeiten zusammen. Das war stets international, oft spektakulär, aber auch mit bekannten Werken. Unter Jürgen Flimm oder zuletzt Johan Simons hatten auch Klassiker einen festen Platz, etwa eine Wagner-Oper wie "Das Rheingold".

Carp geht bewusst einen anderen Weg. Die Triennale habe den Auftrag, etwas anderes zu tun als die großen Opernhäuser. "Ich habe hier eine Verpflichtung zum Experimentellen und zum Neuen", betont sie. Sie solle herausfinden, "wer die Künstler, die Themen, die Formate der Zukuft sein könnten". 

Carp, die an großen Theatern Dramaturgin war, verzichtet weitgehend auf Bekanntes. Die 62-Jährige hat ihre Spielzeiten unter die Überschrift "Zwischenzeiten" gestellt und blickt auf Konflikte, Vertreibung und Migration. Etliche Künstler kommen aus Ländern wie Burkina Faso, Mali oder von den Kapverden. Viele der 33 Produktionen lösen die Grenzen zwischen Konzert, Performance und Installation auf. Das große Thema des Ruhrgebiets in diesem Jahr, das Ende des Steinkohlebergbaus, ist allenfalls ein Randaspekt. 

Mit der Deutschlandpremiere von "The Head and the Load" des südafrikanischen Künstlers und mehrfachen Documenta-Teilnehmers William Kentridge startet die Triennale am 9. August. Das vor wenigen Wochen in London uraufgeführte Stück ist eine bildgewaltige Großproduktion, die sich mit der Rolle Afrikas im Ersten Weltkrieg auseinandersetzt.

Großformatig ist auch die "Musiktheater-Kreation", die Christoph Marthaler als "Artiste associé" des Festivals in der Bochumer Jahrhunderthalle in Szene setzt - und zwar erstmals in allen Teilen des weiträumigen Industriedenkmals. Der Produktion "Universe, Incomplete" liegt ein unvollendetes Werk des amerikanischen Komponisten Charles Ives (1874-1954) zugrunde. 

Weitere Gäste sind die US-amerikanische Performance-Künstlerin Laurie Anderson und Choreographin Sasha Waltz. Hinaus ins richtige Leben geht Regisseur Schorsch Kamerun am 23. August in Dortmund mit der Uraufführung seines Musiktheaters "Nordstadt Phantasien". Thema ist der Aufstieg eines Quartiers vom Problemviertel zum Trendquartier. 

Statt des Auftritts der "Young Fathers" gibt es jetzt am gleichen Tag eine Podiumsdiskussion zum Thema "Freedom of Speech/Freiheit der Künste", die von Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) moderiert wird. Carp will dabei ihre Position ausführlich erläutern. Aber auch hier gibt es Ärger: Mehrere jüdische Verbände aus NRW warfen Carp vor, dass die Diskussion ohne Vertreter der jüdischen Gemeinde stattfinden werde, da sie auf einen Samstag, den jüdischen Ruhetag Schabbat, gelegt wurde.