Archivfund

Verborgen in Dresden: Verlorenes Bernini-Meisterwerk entdeckt

Papst Alexander VII. hatte im 17. Jahrhundert einen Totenschädel aus Marmor auf dem Schreibtisch. Das Werk von Bildhauer Bernini ist berühmt - aber lange verloren geglaubt

Täuschend echt, aus Marmor gehauen und mit faszinierender Geschichte: Der verloren geglaubte Totenkopf aus weißem Carrara-Marmor vom Schreibtisch Papst Alexander VII. (1655-1667) ist seit fast 200 Jahren in Dresden. Das in der Literatur vielbeschriebene, aber bisher als verschollen geltende Meisterwerk des berühmten Barockbildhauers Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) wurde bei Recherchen zu einer Caravaggio-Ausstellung der Gemäldegalerie Alte Meister 2020 im Bestand der Skulpturensammlung entdeckt, wie Museumsdirektor Stephan Koja am Freitag berichtete.

Der täuschend echt wirkende Schädel und ein Gemälde, das den Pontifex mit dem Kunstwerk zeigt - eine spektakuläre Leihgabe - sind bis Anfang September Mittelpunkt der Schau "Bernini, der Papst und der Tod" im Semperbau am Zwinger. Sie blickt zurück auf eine historische Pandemie, die der frischgewählte Pontifex Alexander VII. in Rom rigoros mit Erfolg eindämmte: die Pest 1656/57. Damit habe die Schau eine spannende Aktualität und fordere angesichts der Corona-Krise zur Reflexion heraus, sagte die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), Marion Ackermann.

"Es war wirklich Zufall, der Kopf fiel uns auf und hat uns sofort in seine Aura gezogen", berichtete Kuratorin Claudia Kryza-Gersch. Wegen Corona konnte sie nur online in den Vatikanischen Archiven zur Kunstsammlung der Sienner Adelsfamilie Chigi recherchieren, die Päpste und Kardinäle stellte. Fabio Chigi (1599-1667), als Papst Alexander VII., vererbte den Totenschädel einem Neffen, Kardinal und dessen "rechte Hand", erzählte Kryza-Gersch.

"Man glaubte, er ist einfach kaputt oder verloren gegangen."

Als Teil der Sammlung Chigi, die 1728 in Rom für Sachsens legendären Kurfürst-König August der Starke (1670-1733) angekauft wurde, gelangte er in die Elbresidenz. Sie umfasste 164 antike Skulpturen und vier moderne Stücke, darunter der Totenschädel. Laut Kryza-Gersch haben sich hauptsächlich Archäologen mit dem Bestand Chigi beschäftigt, das könne ein Grund sein, warum der Totenkopf so lange nicht erkannt und gefunden wurde. "Man glaubte, er ist einfach kaputt oder verloren gegangen."

Die realistische Ausführung in Marmor mit zart gekräuselten Schädelnähten, unterschnittenem Jochbein und hauchdünner Nasenscheidewand machen ihn zum Ausnahmestück. "Carrara-Marmor gilt seit Michelangelo als die Königsdisziplin der Skulptur", sagte die Kuratorin. Es sei "das luxuriöseste, schönste, teuerste Medium", und genau das habe der Papst gewollt für den Schädel.

Ein Ölgemälde zeigt ihn am Schreibtisch, die rechte Hand auf dem einzigartigen Stück liegend. Das Bild ist eine Leihgabe des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens in Rom. "Es grenzt an ein Weltwunder, dass wir die Ausfuhrgenehmigung so schnell bekommen haben", sagte Kryza-Gersch. Gemalt hat es ein Schüler von Bernini, der 1656 an der Pest starb. Die Schau beleuchtet auch die erfolgreiche Bekämpfung dieser Pandemie durch den Papst durch strenge Quarantäne, Masken und Stilllegung des öffentlichen Lebens.

Für Museumschef Koja ist der Fund eine "Sensation". Es habe zwar Hinweise im Inventar gegeben, aber der Totenkopf sei lange als Leihgabe in Schloss Pillnitz "untergegangen", auch weil bis 2017 ein Kurator für Renaissance- und Barockskulptur fehlte. "Große Sammlungen brauchen gute Wissenschaftler", appellierte er, diese einzustellen. Sonst blieben solche Dinge verborgen und unerforscht.