Truismus und Taunus

 

„Aus Liebe sterben ist schön, aber dumm. Fitness schützt deinen Bauch vor allem, nur nicht vor der Katastrophe. Unter deinem Hemd verbirgt sich ein Spalt.“ Sätze von Jenny Holzer, die in Leuchtbändern an der Decke der Neuen Nationalgalerie in Berlin entlanglaufen. Sätze, die verwirren, auch rätseln lassen. Doch die 13 computergesteuerten Leuchtbänder laden den Kubus von Mies van der Rohe mit Fragmenten der Körperlichkeit auf. Es geht um Gewalt und Zärtlichkeit, Folter und Sexualität, Krankheit und Tod.


Die Kassettendecke dient der Künstlerin nicht nur als Projektionsfläche, sondern fordert vom Betrachter einen Perspektivwechsel. Wer diese textlichen Interventionen lesen will, muss sich eigentlich auf den Boden legen. Seit den 70er-Jahren konfrontiert Jenny Holzer ihr Publikum mit solchen „Truisms“, auf Slogans reduzierte Wahrheiten über menschliche Beziehungen. Damit wurde die amerikanische Künstlerin bekannt. Wenn sie nun die Besucher der Nationalgalerie zu Verrenkungen zwingt, zeigt sie: Lesen kann auch eine Zumutung sein.


Ein Erzähler ganz anderer Art ist der Maler Daniel Richter. In zumeist riesigen Formaten zeigt er gespenstische Figuren, die wie von Infrarotkameras durchleuchtet scheinen. In „Tuanus“ aus dem Jahr 2000 verschwindet die Grenze zwischen Ornament und Figur. Eine Gruppe von schemenhaften Gestalten schält sich aus einer verschwommenen Farbigkeit heraus und schart sich um einen Baum. Richter spielt in seinem Titel auf eine Drogenrazzia im Frankfurter Taunus­park an und erzählt doch eine hochromantische Geschichte in den Farben einer LSD-Halluzination. Ein Meisterwerk figurativer Malerei.

 

"Stations" im November: In der neuen Nationalgalerie in Berlin

nahm Andrea Meier, die computergesteuerten LED-Leuchtbänder

von Jenny Holzer auf, die am 5. Novemberum 19.20 Uhr vorgestellt werden.

14 Tage später, am 19. November , berichtet 3sat zur gleichen

Zeit aus dem Denver Art Museum, wo das Bild "Tuanus" von Daniel Richter hängt.