Thomas Scheibitz in Bonn

Kopfkino

Im Kunstmuseum Bonn zerlegt Thomas Scheibitz die Welt in Stücke

Der Parcours durch "Masterplan/kino", Thomas Scheibitz' größte Einzelausstellung seit zehn Jahren, funktioniert wie ein Gang durch Platons Höhle. Zu sehen sind Abzüge von Ideen, die sich längst von den Dingen abgekoppelt haben: Kerzen oder Kugelschreiber sind als Skulpturen oder Malerei nur noch vage erkennbar, sie haben unterwegs ihre Form verändert und erscheinen als geometrische Figuren oder ungenaue Schattenwürfe.

Ein zu groß gewordenes Puzzleteil könnte man mit einem humanoiden Umriss verwechseln. Eine Burgmauer würde auch als riesiger Reißverschluss aus der Pop-Art-Ära durchgehen. Malerei und Skulptur fusionieren in dieser Ausstellung selbst in den Künstlerinitialen, die Thomas Scheibitz selbstbewusst einschleust. Gestapelte rosa Kästen formen sich zu einem S, gleichzeitig zu einem T, wenn man beim Schauen nur flexibel genug ist. In diesem großen Dazwischen stellt sich die Frage nach Abstraktion oder Figuration nicht mehr.

Alles verschmilzt mit allem, und der Künstler führt Regie in seinem eigenen, wild collagierenden Kopfkino. Ein riesiges Auge lässt ohnehin keinen Zweifel daran, dass es nichts gibt, das nicht ins Visier des Weltaneigners geraten könnte, von Wolkenformationen bis zu Satzzeichen.

Der 49-Jährige ist in der DDR in Dresden aufgewachsen. 2005 nahm er im deutschen Pavillon gemeinsam mit Tino Sehgal an der Kunstbiennale von Venedig teil. Das MoMA in New York und das Centre Pompidou in Paris haben ihn ausgestellt. Kürzlich ist er zum Professor für Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie berufen worden. Die Bonner Schau und den Katalog hat er persönlich konzipiert. Die Mehrheit der rund 70 gezeigten Arbeiten ist 2017 entstanden.

Die große Dekonstruk­tionsmaschine des Bildhauers und Malers Thomas Scheibitz stellt immer wieder gezielt produktive Irritation her, und doch legt er seine Mittel offen, wenn er im zentralen Raum einen Tisch installiert, auf dem die wiederkehrenden Elemente seines inzwischen 20 Jahre umfassenden Gesamtwerks zur Schau gestellt sind: architektonisch anmutende Entwürfe, glanzpolierte
Würfel und ein Wiegemesser, das ultimative Werkzeug des Zerlegens.