Neu im Kino: "The Happy Film"

Bin ich glücklich?

Coach dich selbst: Der österreichische Grafikdesigner und zweifache Grammy-Gewinner Stefan Sagmeister investierte sechs Jahre in seine Doku "The Happy Film". Die kamerataugliche Selbstoptimierung auf den Spuren eines launischen Glücksversprechens war nicht ohne Nebenwirkungen zu haben – inklusive Todesfällen, reihenweise zerbrechenden Beziehungen und jeder Menge Kosten-Nutzen-Rechnungen.

Seit Woody Allen gelten New Yorker bekanntlich eher als Unglücksexperten. Obwohl 1962 in Österreich geboren und aufgewachsen, fügt sich Stefan Sagmeister mühelos in die Reihe vergrübelter Stadtneurotiker ein, die diesem chronisch unter Vervollkommnungszwang stehenden Kreativen-Mekka zu verdanken sind. Das Résumé seines filmischen Experiments kann der stilbewusste Top-Designer natürlich nur über den Dächern der Stadt ziehen, die ihm einen enormen beruflichen Erfolg beschert hat. Die Agentur "Sagmeister & Walsh" brummt, an gewonnenen Design Awards mangelt es nicht und seine Entwürfe für CD-Cover sind nur bei der A-Liga anzutreffen, von Lou Reed über Rolling Stones bis zu den Talking Heads.

Während die Wolkenkratzer im nächtlichen Glamour schimmern, bricht Sagmeister auf einer beneidenswerten Terrasse irgendwann in sich zusammen und fällt ein vernichtendes Urteil über sein entgleistes Happy-Projekt: "It's a total desaster". Dabei war die Stimmung am Anfang noch gut. Wenn im Job alles glatt läuft, muss ich doch auch mein Ich formen und das eigene Zufriedenheitsempfinden steuern, messen und mit anderen teilen können? Training ist alles, dachte sich der Systematiker und schritt zur Tat. Sein Team ließ er optisch aufwändige, lustig-fröhliche Zwischen-Clips produzieren, die das Gesamtpaket aus Film, Vorträgen und der Ausstellung "The Happy Show" auflockern sollten. Zeitgleich holte er sich professionelle Handlungsanwei-sungen bei Jonathan Haidt ab. Der Professor für Psychologie, Moral-Fachmann und Bestseller-Autor schlug einen wenig originellen Cocktail vor. Um festgefahrene Denkweisen aufzubrechen, sollte sein Proband ein Dreistufen-Programm aus Meditation, Verhaltenstherapie und Antidepressiva-Einnahme absolvieren.

Das Leben würzte das etwas blutleere Drehbuch zwischen Bali-Idylle und Raus-aus-der-Komfortzone-Übungen mit unkalkulierten Wendungen. Ein Freund und Co-Regisseur erlag einer schweren Krankheit. In eine jener Kosten-Nutzen-Rechnungen, die Sagmeister zuvor gerne als Befindlichkeitsbarometer zu Rate zog, ließ sich dieses existenzielle Ereignis nicht packen. Gleich drei neue Partnerinnen sorgten in jeder Experimentphase nacheinander für ein kurzes Hoch, um letztlich doch den bitteren Beweis zu erbringen, dass der schnell gelangweilte Glücksaktivist ein ernsthaftes Bindungsproblem hat, selbst wenn er sich unter Lexapro-Einfluss in einen himmelhoch jauchzenden Euphorierausch zu steigern vermochte, der ihn beinahe in eine Ehe mit einer zwanzig Jahre jüngeren, aber immerhin "perfekten" Kunstkritikerin hineinstolpern ließ.

Mit den Waffen des intimen Video-Tagebuchs und eines geschickt montierten Bilder-Gedanken-Stroms schafft es Sagmeister, dass man ihm auf seiner selbstironischen, verzweifelten und mitunter auch unfreiwillig zeitdiagnostischen Recherche folgt, ohne den eigenen inneren Voyeur mit Minuspunkten abzustrafen. Bescheidene Einsichten wie "Lebe im Hier und Jetzt", "Sei aktiv" oder "Helfe mit deiner Arbeit anderen" tun zwar im Finale, das er mit einer slapstickhaft misslingenden Ballonfahrt metaphorisch auflädt, nicht weh. In Zeiten des näher rückenden Terrors, polarisierter Gesellschaften und global rückwärts schreitender Polit-Eliten wirkt sein verspieltes Ego-Zappeln in der von Ratgebern der Nuller-Jahre herbeimeditierten Glücksfalle aber leider doch inzwischen wie ein fernes Jammer-Echo auf niedrigem Happy-Niveau.