Schnitzeljagd: Die Gruppenschau „Colossal“ im Wald bei Osnabrück

Hier soll es gewesen sein. Von da sind sie gekommen, dorthin geflüchtet. Und in diesem Wald hingen noch lange Zeit die Toten zur Abschreckung und als Zeichen der Macht. Im Ort Kalk­riese rieb nach Maßgabe der meisten Fachleute 9 nach Chris­tus Hermann der Cherusker drei römische Legionen auf. 2000 Jahre Varusschlacht – Kurator Jan Hoet hat nicht gezögert, sich diesem urdeutschen Mythos entgegen- zustellen und 20 Künstler ins Osnabrücker Land geladen, deren Arbeiten um Themen wie das Verschwinden, das Wiederauftauchen, das Deuten und Umdeuten kreisen.
Fernando Sánchez Castillo lässt den Kopf eines Reiterdenkmals des Diktators Franco just auf dem einstigen Kampfgebiet aus der Erde schauen. Bei Slava Nakovska ragt ein überdimensionaler Römerhelm unter einer Trauerweide aus dem Boden, der Geräusche von sich gibt: Pferdewiehern, Kriegsgetöse, Löwengebrüll, Stöhnen. Bazon Brock ließ auf einem Kirchplatz einen Container aufstellen, in dem in wenigen, fast schäbigen Dokumenten eine Linie von der Varusschlacht über Hitlers „Unternehmen Barbarossa“ hin zum Attentat des Oberst von Stauffenberg gezogen wird, bereitstehende Aktentasche inklusive. Stichwort Explosives: Ives Maes’ überall zu findende Hinweistafeln mit der Aufschrift „Vorsicht! Biologisch abbaubare Mine!“ beschäftigen derzeit die Lokalpolitik. „Was sollen die Touristen denken, wenn sie das sehen?“
„Colossal“ ist mal keine sich im Abstrakten verlierende Skulpturenversammlung, sondern ein Angebot, sich auf handfeste Weise mit der Rekonstruktion einer Legende zu beschäftigen. Und zu erspüren, wie man selbst dieses Terrain mit Phantasmen von Sieg, Krieg, Niederlage, Flucht auflädt. Am Ende dürften nicht wenige der Kunstwerke mit ihrer Umgebung verwachsen oder gar von ihr verschlungen worden sein. Dann kann der Nächs­te kommen, um zu graben.

 

An verschiedenen Orten, Osnabrück, bis 31. Dezember 2011.
Informationen unter www.colossal.de.com