Gruppenschau in Wien

Provokationen in Schwarz-Weiß

In Wien feiert "Provoke" die japanische Fotoavantgarde

Es war die Zeit der Protestbewegungen, die auf den Straßen ausgetragen wurden. In Europa und den USA, aber auch in Japan waren diese Bewegungen politische Manifestationen eines gesellschaftlichen Umbruchs, der die alte Welt ein Stück aus den Angeln hob.

Die Kunst blieb davon nicht unberührt. Besonders radikal reagierten Künstler in Japan auf die Veränderungen, die durch eine neuartige Konsumkultur, amerikanisierten Lebensstil und die Nachwirkungen der Atombombenabwürfe eingebrochen waren. Eine Gruppe von Fotografen setzte in Tokio gegen Ende der 60er-Jahre eine zornige Bildsprache des Protests ein: radikal subjektive Aufnahmen, Fotos von körniger Materialität, mit unscharfen Konturen und Bildmotiven. "Provoke: Provokative Materialien zum Denken" hieß die Zeitschrift zur Bewegung.

Entstanden sind 1968/69 nur drei Ausgaben, diese aber genügten, um den Beteiligten den Ruf ästhetischer Provokateure einzubringen. Mittlerweile haben diese in Auflagen von 1000 Stück produzierten Magazine selbst Kultstatus erreicht.

Die Wiener Albertina zeigt nun erstmals eine zusammen mit Partnerinstitutionen vorbereitete Schau, die dieser Bewegung gewidmet ist. Mit Arbeiten von Fotografen, die "Provoke" gegründet haben oder in deren Umfeld aktiv waren, wie Takuma Nakahira, Yutaka Takanashi, Daido Moriyama (alle in den 30er-Jahren geboren), aber auch einem Vorläufer wie Shomei Tomatsu.

Die Fotografie ist nicht mehr Dokumentation, sie versteht sich als Kunstmedium in Schwarz-Weiß und versucht, sich parallel zur amerikanischen Konzeptkunst als Disziplin einer repräsentationskritischen Bildsprache zu etablieren. Obwohl viele Aufnahmen konkretes Leben abbilden – Protestszenen, einsame Nachtschwärmer, eine wie radioaktiv leuchtende Modenschau –, ist es auch eine ästhetisch entrückte Welt, die hier ins Bild gerät.

Etwas mehr Kontext wäre hilfreich gewesen, aber die Ausstellung bleibt auch so eine eindrückliche Manifestation eines spannenden und in Europa wenig bekannten Moments der Fotogeschichte: Radical Chic auf Japanisch.