Drei untersuchte Häuser

Provenienzforschung: Auf Spurensuche in hessischen Museen

Historisches Museum Hanau: die Werkstattausstellung "Objekten auf der Spur - Einblicke in die Provenienzforschung"
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Historisches Museum Hanau: die Werkstattausstellung "Objekten auf der Spur - Einblicke in die Provenienzforschung"

Handelt es sich bei einigen Exponaten in hessischen Museen um NS-Raubgut? Anhaltspunkte dafür gibt es in drei untersuchten Häusern. Klar ist: Es besteht weiter Forschungsbedarf

Mit einem sogenannten Erstcheck hat der Museumsverband Hessen seit Anfang März in drei Museen geprüft, ob es sich bei dort vorhandenen Werken um NS-Raubgut handelt. Nun liegen erste Ergebnisse vor. Wie der Verband in Kassel mitteilte, bestehen bei allen drei Museumssammlungen in Hanau, Hünfeld (Kreis Fulda) und Korbach (Waldeck-Frankenberg) Anhaltspunkte, die weitere, vertiefende Recherchen notwendig machen. 

Die Städtischen Museen Hanau, das Konrad-Zuse-Museum in Hünfeld und das Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach seien gezielt für diesen Erstcheck ausgewählt worden, erläuterte der Verband. Ihre Sammeltätigkeiten reichten bis in die Zeit vor 1933 zurück, sie verwalteten Altbestände und verfügten über begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen für eine umfassende Provenienzforschung. 

In enger Zusammenarbeit mit den Museumsteams wurde demnach untersucht, ob Hinweise auf Kulturgüter vorhanden sind, die in der NS-Zeit verfolgten Menschen weggenommen wurden und möglicherweise in die Sammlungen eingegangen sein könnten. Der Fokus der Überprüfung lag laut Museumsverband auf den Museumszugängen zwischen 1933 und 1945 sowie auf späteren Erwerbungen nach Kriegsende. 

"Wir haben das Museum auf den Kopf gestellt"

In den Sammlungen der Städtischen Museen Hanau und des Hanauer Geschichtsvereins, die rund 100.000 Stücke umfassen, besteht nach Angaben der Provenienzforscherin Jennifer Chrost weiter Forschungsbedarf. 620 Objekte umfasst die nun nach mehrmonatiger Forschung zusammengestellte Liste von Verdachtsfällen.

Ein konkreter Fall von NS-Raubgut liege nach derzeitigem Kenntnisstand nicht vor, erklärte Markus Häfner, Leiter der Städtischen Museen Hanau. Die fehlenden, unklaren oder verdächtigen Nachweise über Besitzverhältnisse sollen in weiteren Forschungsprojekten geklärt werden. Auch im Konrad-Zuse-Museum in Hünfeld wurde eifrig geforscht. "Wir haben das Museum auf den Kopf gestellt", sagt Museumsleiterin Ute Schneider. In der über 100-jährigen Geschichte des Museums zur Stadt- und Kreisgeschichte und zum Leben des Computer-Pioniers Konrad Zuse gebe es Dokumentationslücken, die nun deutlich geworden seien. 

Hinter einem Objekt aus der Abteilung zur Dokumentation der jüdischen Bevölkerung im Altkreis Hünfeld stehe ein Fragezeichen, berichtete Schneider. Dabei handele es sich um eine Besamimbüchse, die in der jüdischen Kultur verwendet wurde, um darin duftende Gewürze aufzubewahren. Für dieses Objekt gebe es keinen Herkunftsnachweis. Unterstützung bei der weiteren Forschung bekommt das Haus vom Museumsverband.

Vase und Sabbatleuchter im Blickpunkt

Im Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach, dessen Sammlung 30.000 Objekte umfasst, ergab der Erstcheck laut Mitarbeiterin Britta Hein keine konkreten Hinweise auf das Vorhandensein von Objekten zweifelhafter Provenienz oder als Raubgut während der NS-Zeit. Gesichtet worden seien die ältesten vorhandenen Zugangsbücher, die Datenbank sowie der im Stadtarchiv vorhandene Schriftverkehr. 

"Jedoch besteht bei einigen wenigen Objekten des Museumsbestandes durchaus weiterer Forschungsbedarf", führte Hein aus. Dazu zählten etwa eine Vase, ein Kristallglas und ein Sabbatleuchter. Bei diesen Objekten könne ein jüdischer Hintergrund oder ein Verbleib im Museum bedingt durch unrechtmäßige Aneignung nicht vollständig ausgeschlossen werden. 

Die Sammlung des Wolfgang-Bonhage-Museums Korbach besteht laut Hein seit über 100 Jahren. Anfangs seien bevorzugt Haushaltsgegenstände, Werkzeug und landwirtschaftliche Geräte gesammelt worden. "In den letzten Jahrzehnten kamen zahlreiche Objekte zu den Schwerpunktthemen Goldbergbau Eisenberg und Fossilienfundstelle Korbacher Spalte aus dem Bereich Geologie und Paläontologie hinzu." Während in den Städtischen Museen Hanau bereits die Planungen für ein langfristiges Folgeprojekt begonnen haben, sollen laut Museumsverband in den beiden anderen Museen zunächst gezielte Untersuchungen zu einzelnen Objekten fortgeführt werden.

Zuvor Checks in Bad Wildungen, Eschwege, Fulda und Reinheim

Es ist bereits das zweite derartige Projekt des Verbands. 2022 wurden die Stadtmuseen in Bad Wildungen und Eschwege, das Vonderau Museum Fulda und das Heimatmuseum Reinheim auf jüdischen Vorbesitz überprüft. Finanziert wird die Initiative vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. 

«Diese zweite Runde des Erstchecks zeigt, wie groß der Bedarf und die Notwendigkeit an Provenienzforschung auch in kleineren und regionalen Museen weiterhin ist», sagte Saskia Johann vom Museumsverband. Ziel sei es, Transparenz zu schaffen und das Wissen über die Herkunft der Bestände weiter auszubauen, um der Verantwortung gegenüber der Geschichte gerecht zu werden. 

Beim Erstcheck kratze man eher an der Oberfläche, erläuterte sie. "Es ist keine tiefergehende Erforschung der Bestände." Man prüfe vielmehr, ob in dem jeweiligen Haus Bedarf an Provenienzforschung bestehe und ob man diese dort auch wirklich durchführen könne. "Manchmal ist die Quellenlage einfach sehr schlecht." Der Erstcheck solle den Museen einen Einstieg bieten und einen Überblick verschaffen, um selbst proaktiv Provenienzforschung betreiben zu können. "Sie sollen so mehr Sicherheit im Umgang mit ihren Objekten bekommen."

Kontext und Eigenschaften verdächtig

Der Bedarf sei groß. "Es gibt viele Objekte, bei denen unklar ist, wo sie herkommen", sagte Johann. Oft fehlten die Provenienzangaben im Zugangsbuch. "Oder ein Objekt ist von seinem Kontext und seinen Eigenschaften her verdächtig." Sie hoffe daher auf ein Nachfolgeprojekt, bei dem die Forschung vertieft werden könne, um die oft komplexen Fragen zur Herkunft von Kulturgütern zu klären und historisches Unrecht aufzuarbeiten. Ein weiterer Projektantrag sei eingereicht und befinde sich zurzeit in der Prüfung. 

Bestätige sich ein Verdacht, sei es das Ziel der Museen, eine gerechte und faire Lösung zu finden. So könne ein Objekt an Nachfahren zurückgegeben werden, wenn man einen entsprechenden Adressaten finde. Auch ein Rückkauf oder eine Umschreibung des Eigentums seien möglich.