Es muss schon eine besondere Geburtstagsparty sein, wenn man sich diese Ratten dazu einlädt. Knapp drei Meter hoch und von einem matten Schwarz, das alles Licht zu schlucken scheint, stehen sie Rücken am Rücken im Kreis, 16 an der Zahl, die Schwänze unentwirrbar verknotet. Katharina Fritschs monumentale Skulptur "Rattenkönig" aus dem Jahr 1993 hockt seit Eröffnung des Basler Schaulagers 2003 fest installiert im Untergeschoss des großzügigen Gebäudes der Architekten Herzog & de Meuron. Und natürlich ist sie auch bei der Ausstellung zum 20-jährigen Jubiläum dabei und gibt ihr mit ihrer leicht unheimlichen, surrealen Anmutung die Richtung vor.
Den anderen Ankerpunkt der Ausstellung setzt der 1998 verstorbene Schweizer Künstler Dieter Roth. Ihm gebührte vor 20 Jahren die Eröffnungsausstellung hier, seine Videowand "Solo Szenen" von 1997 bis 1998 bleibt bis heute ein selbstironisches Memento Mori: Auf 128 Monitoren sieht man den Künstler selbst bei banalen Alltagstätigkeiten, ein alter Mann, der dem Leben noch ein paar letzte Umdrehungen abtrotzt, der große Gesten ablehnt und gerade auf diese Weise dem Existenziellen ergreifend nahe kommt.
Absurdität und Ironie ziehen sich auch durch die weiteren Werke der Ausstellung, die sich – ein klares Plus – meist auf ganze Werkkomplexe stützt, anstatt möglichst viele Positionen aufzureihen. Bei Robert Gober, Meister des Seltsamen, wird die ebenfalls permanent installierte unbetitelte Installation mit einer durchbohrten Jungfrau Maria auf dem Abwasserrost – im Hintergrund plätschert echtes Wasser eine Treppe hinunter – unter anderem ergänzt durch eine Art Wäschekorb, an dessen Boden eine täuschend echt nachgegossene blässliche männliche Brust mitsamt Behaarung überrascht – mitten im Bauch ein Abfluss.
Dazu passen Klara Lidéns Filme, in denen sie kommentarlos und schief eine Straße hinunterrollt, tapfer aber vergeblich versucht, beim Training professioneller Balletttänzerinnen mitzukommen oder mit entschlossener Miene durch ein Baugerüst klettert, während die Kamera sich immer wieder dreht, so dass man bald nicht mehr weiß, ob sie kopfüber, aufrecht oder seitwärts hängt.
Mit mehr Lächeln, aber genauso postheroisch kommt auch das Werk von Fischli/Weiss daher. Es gibt nicht nur ein Wiedersehen ihrem zauberhaften Fragenkatalog "Findet mich das Glück?", der wohl beliebtesten Projektion der jüngeren Kunstgeschichte, sondern auch neue Arbeiten von Peter Fischli, der nach dem Tod von David Weiss alleine weitermacht – in ganz ähnlicher Tonlage: Seine Installation aus Ampel-Skulpturen spielt die Varianten des Understatement genauso durch wie seine Nachbildungen von "Cans, Bags & Boxes", die genau das sind: Dosen, Taschen, Kisten, in neutralem Material nachgebildet und einfarbig gestrichen.
Sie gaben dann auch die perfekte Vorlage für den Titel der Ausstellung "Out of the Box", der sich auf die einmalige Funktionsweise des Schaulagers bezieht. Die private Emanuel Hoffmann Stiftung – eine 1933 gegründete Stiftung zur Förderung zeitgenössischer Kunst, die mittlerweile in dritter Generation in der Hand der Stifterfamilie ist – sorgt einerseits mit ihren Beständen für die exzellente Ausstattung des Kunstmuseums Basel, andererseits betreibt sie mit dem Schaulager eine Institution ganz neuer Art, die wie ein offenes Depot funktioniert, Werke verleiht und in dem über zeitgenössische Kunst geforscht werden kann. Wenn Ausstellungen stattfinden, sind sie für gewöhnlich exzellent produziert, aber es gibt maximal eine im Jahr, manchmal wird auch pausiert. Hier geht es um Wissensproduktion und Kunstförderung – weiter weg von dem Bling Bling mancher Privatmuseen könnte man sich nicht positionieren.
Bei der Jubiläumsausstellung zeigt sich, dass das Schaulager auch in anderer Hinsicht seinen eigenen Weg geht: Die Einbeziehung der Kunstszenen jenseits von USA und Westeuropa beispielsweise, die Erweiterung des Kanons auf nicht-weiße Positionen, auf die man überall sonst viel Wert legt, wird hier einfach mal nicht mitgemacht. Stattdessen: Rodney Graham, David Claerbout, Tacita Dean, Thomas Demand. Und man weiß gar nicht, ob man das jetzt rückwärtsgewandt oder einfach konsequent finden soll. In jedem Fall wirkt es erhellend. Denn bedenkt man, was sonst in der Welt so los ist und war, werden Gober und all die anderen vielleicht historisch noch mal anders lesbar: Als Repräsentanten einer weißen Mittelschicht reicher westlicher Staaten, deren Intelligenz und Kritikfähigkeit an einem wie in Watte gepackten Leben abprallten und die die Widersprüche der Existenz in sanfte Selbstironie auflösten, ohne sich von sich selbst erlösen zu können.