Personal Shopper

Weihnachtseinkäufe mit Aino Laberenz

Personal Shopper und Monopol-Kolumnist Hans Bussert erledigt mit der Kostüm- und Bühnenbildnerin Aino Laberenz in dem Berliner Geschäft International Wardrobe Weihnachtseinkäufe

Die Almstadtstraße in Berlin-Mitte ist keine typische Einkaufsstraße. Es gibt hier kaum nennenswerte Geschäfte. Zwischen Fußgängerzonenfeeling an ihrem unteren Ende, der Münzstraße, und zugigem Hier-schnell-weiter-Charme am nördlichen Ausgang finden sich aber ein paar Versprengte. Letzte Bastionen des bis vor ein paar Jahren total gehypten Scheunenviertels: Robert Stranz, der Starfriseur der Berliner Kreativszene, die sehr schlaue Buchhandlung Pro qm und eben International Wardrobe.

Hierhin wollte Aino Laberenz. Ich hatte ihr meine Dienste als Personal Shopper angeboten, ob zum Geschenkekaufen oder nicht, da war sie sich noch nicht sicher. Macht ja auch Spaß: ein bisschen rumchecken und dann vielleicht etwas für jemand anderen, eventuell aber doch für sich selbst finden. Was aber nicht heißt, dass Aino nicht gerne gibt: "Generell schenke ich lieber, als dass ich etwas bekomme. Ich wünsche mir auch selten was." So geht das eben: Das, was man meint, wirklich haben zu müssen, kauft man sich am besten selbst. Und überhaupt sei Schenken ja gar nicht so selbstlos, wie man sich gerne einredet: "Ich würde niemals etwas verschenken, das mir selbst überhaupt nicht gefällt."

International Wardrobe ist wie ein Weltladen, nur eben ganz anders und viel besser. Die Besitzerin Katharina Koppenwallner bereist Länder, in die sich nicht mal Studiosus, der Reiseanbieter für Verstehenwoller, traut, und bringt von dort außergewöhnliche Kleidungsstücke und Dekorationsobjekte mit. Aber auch aus dem östlichen Europa gibt es hier einiges, die bemalten Stühle der Installation im Fenster zum Beispiel stammen aus Rumänien. Katharina bietet mir Buchweizentee an, wir bereden dies und das - und warten auf Aino. Die Kostümbildnerin und Witwe von Christoph Schlingensief verspätet sich ein wenig. Kein Problem: Sie war gestern auf der Hochzeit einer Freundin, der Berliner PR-Managerin Silke Neumann und musste eben noch schnell ins Büro. 

Dann ist sie da und schnell wird klar: Aino ist hier Stammkundin. Sie kommt oft zu International Wardrobe zum Stöbern. Denn: "Man darf hier nicht was Bestimmtes im Kopf haben. Man muss sich überraschen lassen." Was in ihrem Fall - Überraschung - auch häufig klappt. Hier und heute interessiert sie sich für ein Holzbesteck aus Indien. Das wird, so erzählt Katharina, in einem extrem aufwändigen Verfahren mit Lack verziert. Die Geschichte ist gut und macht Lust auf Besitz, aber Aino beschäftigt sich schon mit den wirklich sehr hübschen Porzellanschüsseln. Die erinnern an Delfter Keramik, stammen aber aus Persien. Zur Zeit der Kadscharen verwendete man dort dieselbe Technik, um Porzellan weiß zu brennen und blau zu verzieren. 

 

Doch Aino lässt auch die Schüsseln erst einmal Schüsseln sein und wendet sich den anderen ausgestellten Waren zu. Sie hält folkloristische Kleider aus Ungarn und der Türkei probierend vor sich - Begeisterung für blaue Arbeitsschürzen ("Schürzen werden unterschätzt.") -, um dann eines der T-Shirts mit König-Ludwig-Druck beiseitezulegen. Vielleicht kann sie es für die Inszenierung von Virginie Despentes "Das Leben des Vernon Subutex" am Züricher Theater Neumarkt gebrauchen, für die sie zurzeit an den Kostümen arbeitet. Erst dann interessiert sie sich wieder für das Porzellan. Welche der Schüsseln sie für ihre Mutter nehmen soll? Ich rate zu jener mit der schöneren Symmetrie zwischen blauen Muster und unterem Weißrand. Eine reine Bauchentscheidung - konterkariert von der Patronin, die fairerweise auf die Sprünge im Brand hinweist. Zum Beweis schnippst sie mit dem Finger gegen die Schüssel. Der Ton ist dumpf, doch Aino ist das nicht so wichtig. Schließlich soll das Porzellan eher dekorativ eingesetzt denn richtig gebraucht werden.

Ob sich ihre Mutter freuen wird? Schwer zu sagen. "Das Wichtigste beim Schenken ist ja, dass man die Person gut kennt. Was es aber nicht unbedingt leichter macht. Seine Eltern kennt man meistens eher sehr gut und trotzdem fragt man sich immer wieder, was man ihnen schenken soll." Allerdings scheint ihr die bisherige Erfolgsquote Recht zu geben: Sie hat noch nie etwas zurückbekommen. Ist die allgemein als sehr geschmacksicher bekannte Aino Laberenz tatsächlich eine so gute Schenkerin? Oder ist ihre Familie einfach zu höflich? "Nein, das glaube ich nicht. Ich bin auch ehrlich, wenn ich etwas bekomme, das mir nicht gefällt. Wenn mir die Person nahesteht, frage ich schon, ob man das vielleicht umtauschen kann. Ich fände es aber extrem unhöflich, jemandem, den ich nicht so gut kenne, zu sagen: Das ist jetzt total daneben. Was auch überhaupt nicht geht: Geschenke einfach weiter zu schenken. Eher lasse ich sie Jahre bei mir rumliegen."

Die Schüssel jedenfalls wird von Katharina Koppenwallner so schön eingepackt, dass man sie gar nicht mehr auspacken müsste. Dann verschwindet sie zusammen mit dem T-Shirt (Anmerkung an das Finanzamt: Natürlich gibt es zwei Quittungen) und einem Schwung Postkarten, die mit Motiven der Herkunftsorte des Sortiments bedruckt sind, in einer schlichten weißen Tüte. Aino ist glücklich, jetzt ein Geschenk weniger auf der Liste zu haben. Letzte Frage: Wie hält sie es überhaupt mit Weihnachten - ist sie ein Weihnachtsmensch? "Ich mag Weihnachten. Mir geht es um das Zusammenkommen. Ich glaube, es gibt kein Weihnachten, das ich nicht mit meiner Familie gefeiert habe." Wir gehen noch ein Stück, dann verschwindet sie irgendwo bei der Weinmeisterstraße im Strom der anderen.

"Das Leben des Vernon Subutex" mit Kostümen von Aino Laberenz wird am 26. Januar 2019 im Theater Neumarkt in Zürich uraufgeführt