Sislej Xhafa, gleich am Eingang Ihrer Ausstellung steht ein Olivenbaum, von dem ein Schild mit der Aufschrift hängt: Don't touch me. Olivenbäume sind ein traditionelles Symbol für Frieden und Liebe. Blicken Sie hoffnungsvoll auf die Gegenwart?
Der Baum verkörpert die Idee der Verwurzelung, der Zugehörigkeit, der Identität. Er steht für die Erde, unsere Wurzeln. Ich wollte diesen Baum an den Anfang meiner Ausstellung stellen, da er das Publikum gleichsam willkommen heißt, aber auch darum bittet, respektiert zu werden.
Olivenbäume sind in Berlin eher nicht heimisch.
Ursprünglich kommen sie vielleicht aus dem Mittelmeerraum. Aber sie symbolisieren doch etwas Universelles: Schönheit, das Leben. Der Baum ist uns fremd, und doch vertraut. Er hat eine physische Präsenz, und er wirft Schatten. Alle Stücke in meiner Ausstellung spielen mit dieser Idee von einer Vorder- und der Rückseite, von Erfahrung und Indifferenz, Autorität und Ironie.
Abgesehen von dem Baum besteht Ihre Ausstellung aus eher minimalistisch anmutenden Alltagsgegenständen: ein durchlöcherter Kühlschrank; eine Matratze, aus der Kakteen wachsen; eine Plastikreisetasche, wie sie oftmals von Flüchtlingen benutzt wird. Betrachten Sie die Werke als Readymades im Sinne Duchamps?
Duchamp war Schachspieler – mein Spielfeld ist die Straße. Ich habe all diese Gegenstände in Berlin gefunden. Der Kühlschrank stammt aus einem Trödelladen und verkündet nur noch auf seinem Label "Privileg". In der Plastiktasche steckt ein alter Kronleuchter. Die Arbeit heißt "Still-life on the left lane". Alle träumen davon, auf der linken Spur zu überholen. Was nehmen wir mit auf unsere Reisen? Woran hängen wir, was hält uns zurück? Welche Werte tragen wir mit uns?
Auch Ihre Malerei wirkt wie ein Verspechen, das von der Realität durchkreuzt wurde: Hinter den weißen Leinwänden verlaufen Bahnen aus Stacheldraht.
Die Malerei verkörpert – ähnlich wie der Olivenbaum – die Idee der Freiheit. Aber wie frei ist die Kunst heute, wie steht es insgesamt um die Freiheit in unserer Gesellschaft? Kunst ist für mich die letzte verbleibende Form von Demokratie. Mir geht es nicht um formale Fragen, sondern ich will mit meiner Kunst zum Handeln und zur Partizipation anregen: einen Raum schaffen, in dem das Poetische zum Politischen führt.
Sie wurden 1970 in Peja im Kosovo geboren. Inwieweit ist Ihre Kunst biografisch geprägt?
Ich habe erlebt, wie Serbien das Kosovo besetzte, ich habe Gewalt am eigenen Körper erfahren. Aber heute lebe ich in New York, kann international ausstellen, führe ein privilegiertes Leben in einer multiethnischen Stadt. Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen: Vor einiger Zeit beobachtete ich vor einem Restaurant, wie sich der Küchenchef, ein aus Äthiopien stammender Mann, neben einen älteren Herren auf eine Bank setzte und ihn fragte, wie es ihm gehe. Der alte Mann war verängstigt, er glaubte, dass der andere irgendwas von ihm wollte – dabei ging es ihm nur um ein höfliches Wort. Für mich symbolisierte diese Szene, was wir alles verpassen, wenn es uns an Wissen und Offenheit gegenüber anderen Kulturen mangelt. Insofern: Der Kampf geht weiter.