Nur noch knapp drei Jahre und es ist ein halbes Jahrhundert her, dass die Ausstellung "Women Artists: 1550 – 1950" in Los Angeles eröffnet wurde. Was Linda Nochlin und Ann Sutherland Harris dem staunenden Publikum ab Ende 1976 im L.A. County Museum und in drei weiteren Museen quer durch die USA vorführten, war der Reichtum an Kunst von weiblicher Hand, von der die Institutionen nichts hatten wissen wollen. Und zwar nicht nur die Museen, sondern – schlimmer noch – die Universitäten mit ihrer Litanei festgefügter Stilabfolgen, in denen Frauen schlicht keinen Platz hatten.
Dieses halbe Jahrhundert muss man sich vor Augen halten, wenn jetzt im Arp-Museum Rolandseck die vom Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid übernommene, doch von Kuratorin Susanne Blöcker in Auswahl und Umfang abgewandelte Ausstellung "Maestras. Malerinnen 1500-1900" gezeigt und von der Kritik gefeiert wird. Denn festzuhalten ist, dass der Fortschritt wieder mal eine Schnecke ist und es im Jahr 2024 immer noch großer Überzeugungskraft bedarf, Künstlerinnen als selbstverständliche Mitschöpferinnen der Kunst vorzustellen. Und es geht, wohlgemerkt, wie schon 1976 um Berufskünstlerinnen, zumal um solche, die zu ihren Lebzeiten durchweg Erfolg hatten und sich auf dem für alle Teilnehmer schwierigen Kunstmarkt behaupteten, nicht um die so gerne belächelte "Amateurkunst".
Namen, die schon 1976 dabei waren, sind unter den 51 Malerinnen erneut vertreten, wie Artemisia Gentileschi oder Lavinia Fontana, beide aus dem italienischen 17. Jahrhundert, oder aus nordalpinen Gefilden und ein knappes Jahrhundert später Maria Sibylla Merian, schließlich die hochrespektierten Angelika Kauffmann oder Elisabeth Vigée-Le Brun. Für Rolandseck verdientermaßen hinzugefügt wurden beispielsweise Anna Dorothea Therbusch oder auch Käthe Kollwitz.
Auf Heim und Familie reduziert
Ein Schwergewicht hat die Ausstellung im späten 19. Jahrhundert – jenem entscheidenden Säkulum, das Genie und Schöpfertum allein im Manne verortete und die bis heute mehr oder weniger gültigen Dogmen der Kunstentwicklung überhaupt erst festlegte. Frauen wurden in dieser akademisch gestützten Sichtweise auf gesellschaftlich akzeptable Rollen in Heim und Familie reduziert. Daraus immerhin haben Mary Cassatt oder Helene Schjerfbeck großartige Bilder zu entwickeln gewusst. Marie Petiets "Wäscherinnen" von 1882 oder Eloísa Garnelos "Traubenleserinnen aus Montilla" von 1891 würde man heute allerdings kaum mehr als gefälliges Genre durchgehen lassen, sondern die zugrunde liegenden sozialen Probleme herausstellen. Insofern zeigt sich, dass Künstlerinnen naturgemäß den gesellschaftlichen Wertvorstellungen folgten, zumal, wenn sie ihre Kunst verkaufen wollten und mussten.
Im Arp-Museum werden die Werke in fünf chronologische und zugleich thematische Kapitel gefasst, die acht Jahrhunderte übergreifen und mit "Moderne und Avantgarde 1900 – 1940" abschließen. Erst das 20. Jahrhundert sieht eine von Konventionen sich befreiende Kunst, ob von Gabriele Münter, Sonia Delaunay oder der Rolandsecker Hausheiligen Sophie Taeuber-Arp, um nur drei der bekanntesten Malerinnen anzuführen. Es ist nicht so, dass jede für sich noch entdeckt werden müsste – nur den Kontext der Kunst von Frauen, wie ihn diese Ausstellung stiftet, haben sie bis fast in die Gegenwart entbehren müssen.
Leihgaben bezieht die Ausstellung aus Privatsammlungen – die dem Arp-Museum anvertraute Sammlung Rau ist allein mit elf Arbeiten vertreten –, aber ebenso aus Museen in ganz Europa. Da hinein, am besten in die großen, in der jetzigen Ausstellung kaum vertretenen Nationalmuseen, müssen die Werke der Künstlerinnen kommen, um auf Dauer nicht nur physisch, sondern auch im öffentlichen Bewusstsein präsent zu sein. Es sind immer noch viel zu wenige.