Vögel, die sich in Fische und wieder in Vögel verwandeln, paradoxe Gebäude, auf- und absteigende Treppen, spiegelnde Kugeln, in denen man sich zu verlieren droht. Dahinter verbirgt sich – Sie ahnen es schon – Maurits Cornelis Escher, kurz M.C. genannt. Aus Anlass seines 125. Geburtstags am 17. Juni feiert Den Haag den Meister der Illusion, der sich selbst eher als Mathematiker denn als Künstler sah.
Vielleicht ist das einer der Gründe, warum Escher von der Kunstkritik oft unterschätzt wird, vom Publikum jedoch anhaltende Verehrung erfährt. Nahezu 40 internationale Ausstellungen allein in den letzten sechs Jahren zeigen, wie sehr der 1898 im friesischen Leeuwarden Geborene in der Wahrnehmung vieler immer noch en vogue ist.
Dabei wurden Eschers Bilderfindungen und Metamorphosen in den 1970er-Jahren bereits zu populären Ikonen der grafischen Kunst und gingen in das kollektive Bildgedächtnis ein. Laut dem im doppelten Wortsinn fantastischen Arte-Dokumentarfilm "M.C. Escher - Reise in die Unendlichkeit" von Robin Lutz (immer noch auf YouTube verfügbar), fanden auch die Hippies Gefallen an seinen Arbeiten. Diese deuteten in psychedelischer Manier die Traumwelt der LSD-Generation an, was der Meister genervt zu kommentieren wusste: "Die Hippies in San Francisco hören nicht auf, heimlich meine Arbeiten zu drucken." Dass sich die "außer Kontrolle geratene" Jugend der 1960er für seine Motive erwärmte, war unverständlich für den logisch denkenden Erschaffer virtuoser Grafiken, der die Ordnung über das Chaos stellte und von sich selbst sagte: "Ich wandle in Rätseln durch die Welt".
Eintauchen in die Escher-Welt
Bis heute ist Eschers Popularität ungebrochen. Das zeigen jetzt auch die im Rahmen des "Escher-Jahres" präsentierten Schauen in Den Haag. Dass ausgerechnet diese Stadt, mit der Escher zeitlebens wenig verband, Ausrichter eines Escher-Jubiläums wurde, ist einer ersten großen Retrospektive des Künstlers 1968 im damals noch unter dem Namen Gemeentemuseum firmierenden Haus zu verdanken.
Der Friese (geb. in Leeuwarden 1898) zeigte sich begeistert von dem Ergebnis, was das Museum seinerzeit anspornte, nach Eschers Tod 1972 einen beträchtlichen Teil seines Werkes zu erwerben. Heute besitzt das Kunstmuseum mit rund 1000 Objekten die weltweit größte museale Escher-Sammlung. Darunter mehr als 400 Drucke, 300 Zeichnungen sowie ein umfassendes Archiv mit Briefen, Tagebüchern und Fotoalben.
Eine "normale Retrospektive" allerdings, und damit ein Déjà-vu, sollte es diesmal nicht werden. Deshalb, und um dem Ganzen buchstäblich einen neuen Anstrich zu verleihen, wurde das belgische Architektengespann Gijs Van Vaerenbergh mit der Inszenierung der Schau "Escher – Andere Wereld" (bis 10. September) beauftragt. Und tatsächlich: Betritt man die Ausstellung, taucht man ein in eine Welt, die nicht von dieser ist – eben eine Escher-Welt.
Unmögliche Architektur wird möglich
Räume mit realen, im Nirgendwo endenden Treppen, Säulen und Torbögen sind dem Geist des Künstlers nachempfunden. Arnout Van Vaerenbergh und Pieterjan Gijs (beide 1983 geboren) lernten sich während ihres Architekturstudiums im flämischen Löwen kennen, wo sie beschlossen, ihre individuelle Suche nach einer neuen Wahrnehmung des Raums in gemeinsamen, experimentellen Projekten zu bündeln.
Für ihre erste museale Ausstellung loten sie die Grenzen von Raum, Landschaft, Perspektive und Illusion aus. Während Escher dies auf dem Papier vollzog, schuf das ambitionierte Künstler-Duo raumgreifende Installationen, die auf den Escher-Prinzipien der Leichtigkeit, der Unendlichkeit und der "unmöglichen Architektur" beruhen und so im Kontext zu dessen Arbeiten stehen.
Zwei Abschnitte der Schau teilen diese in Tag und Nacht - ein Kontrast, der auch den Schwarz-Weiß-Maler Escher faszinierte. Der erste Teil ist nach Themen gegliedert und wird in sieben großen, taghellen Sälen gezeigt, wo sich das Werk Eschers und die Rauminstallationen von Gijs Van Vaerenbergh gegenseitig herausfordern und ergänzen. Im zweiten Teil hat das Künstlerduo in dunklen seitlichen Kabinetten seine Modelle der Traumarchitektur mit eigenwilligen Elementen aus Eschers Werk kombiniert.
Unendlichkeit über Donald-Judd-Parkett
Wer in Den Haag ist, sollte unbedingt – und dies am besten vor dem Besuch des Kunstmuseums – Station im Escher Palast machen. Bevor das Haus aus dem 18. Jahrhundert zum Museum umfunktioniert wurde, diente es als Winterpalais von Emma (1858 bis 1934), der Ehefrau von Wilhelm III., Königin der Niederlande und Großherzogin von Luxemburg. 1991 verkaufte die heutige königliche Familie das Gebäude der Stadt. Seit 2002 befindet sich hier die Dauerausstellung mit Escher-Werken aus dem Bestand des Kunstmuseums, die einen guten Überblick bietet, gerade auch über die Anfänge des Künstlers.
Das nahe dem Regierungssitz in der Altstadt gelegene Museum ist das einzige Gebäude in Den Haag, in dem die einstige Palastfunktion noch erfahrbar ist. Entsprechend ist in jedem Raum beschrieben, welchem Zweck er diente, sei es als Salon, Bibliothek, Bade- oder Balkonzimmer. Höhepunkt der Escher-Erfahrung ist die sieben Meter lange "Metamorphose III" (1967-68), ein rund aufgestellter Holzschnitt, der einem das Gefühl von Unendlichkeit vermittelt.
Italienische Landschaften, die aus Eschers Zeit in Rom herrühren, hölzerne Kugeln sowie Fotos aus dem Familienalbum ergänzen das Dauerrepertoire. Neben dem Parkettboden, der von Donald Judd gestaltet wurde, stammen auch die Kronleuchter aus Künstlerhand, der von Hans van Bentem. Noch bis zum 1. Oktober ist im Escher Palast eine Sonderschau über den Mann zu sehen, der Escher entdeckte: Samuel Jessurun de Mesquita.
Das Rathaus trägt Escher
De Mesquita (geboren 1868), Spross portugiesisch-jüdischer Eltern, war ein begabter Künstler und Grafiker, der außerdem grafische Techniken an der Hochschule für Architektur und Kunstgewerbe in Haarlem unterrichtete. Als Escher sich dort als Architekturstudent einschrieb war De Mesquita von seinen grafischen Arbeiten so beeindruckt, dass er ihn überredete, den Studiengang zu wechseln. Unter seinen Fittichen wurde Escher zu einem Meister der Druckgrafik, was zu einer lebenslangen künstlerischen und persönlichen Verbindung der beiden führte.
Nach dem Tod von De Mesquita im Konzentrationslager Auschwitz im Jahr 1944 hielt Escher das Andenken an seinen Lehrer und Freund in Ehren. In der Ausstellung werden dessen ergreifende Drucke Arbeiten seines berühmtesten Schülers gegenübergestellt, die Einflüsse Mesquitas erkennen lassen.
Auch in der Innendstadt kommt man an dem Ausnahmekünstler – hier greift der zuweilen inflationär vergebene Titel zu Recht –, nicht vorbei. So wurde unter anderen das 50 Meter hohe, von Richard Meier 1995 entworfene Rathaus mit einer Escher-typischen Perspektive versehen. Die optische Täuschung ist das Werk von Madje Vollaers und Pascal Zwart vom Rotterdamer Design-Studio Vollaerszwart. Ziel der "City Dresser", wie sich das Duo selber nennt, ist es, Eschers Kunst auf abstrakte Weise mit der Architektur der niederländischen Küstenmetropole interagieren zu lassen. "Wir wollten weg von der Kunst mit dem großen K, hin zu einer Kunst für alle", erklärt Madje Vollaers ihren Ansatz, mit dem die Designer schon seit den 1990er-Jahren Fassaden temporär verkleiden. Erst 2017 wurde dem markanten Haager Rathaus ein Kleid aus bunten Quadraten übergestülpt. Damals stand die Stadt ganz im Zeichen von "100 jaar Mondriaan & De Stijl".