Frau Hansen, "Mobility" ist das Motto des Rimowa-Designpreises. Geht es da nur um Koffer?
Meine Studenten haben wirklich alles entworfen, von Sitzmöglichkeiten bis zu Wanderstöcken und Tankstationen, aber keine Koffer, was ja zu Rimowa passen würde. Es ist ein Preis, bei dem es um pure Kreativität geht und nicht darum, Designs zu finden, die wieder der Marke zuspielen, wie viele andere Brands das machen.
Wie wählt man zwischen so unterschiedlichen Designs wie Wanderstöcken und Tankstationen fair aus, wer es in die nächste Runde schafft?
Das ist wie bei anderen Designpreisen auch, da geht es ja zum Beispiel um Tassen, die dann mit Autos verglichen werden. Ich finde, man muss sich überlegen, welches Objekt die Welt besser macht. Mir ging es darum: Welches Objekt ist in seiner Existenz wichtiger? Das kristallisiert sich eigentlich ziemlich schnell raus, es gibt ja einfach Sachen, die eher unwichtiger sind, und Sachen, die die Welt auf eine positive Weise verändern.
Welches Design braucht die Welt denn, um besser zu werden?
Ich finde, dass ohne den Gedanken der Weltverbesserung generell kein Design mehr existieren dürfte. Nachhaltigkeit etwa ist meiner Meinung nach kein Pluspunkt mehr, sondern eine absolute Notwendigkeit. Vielleicht sogar mehr als nur eine Notwendigkeit: Es ist der Ursprung, aus dem Sachen existieren sollten. Gutes Design sollte also auf jeden Fall nachhaltig sein und außerdem multifunktional. Damit es einfach auch immer weniger Objekte gibt. Ich hasse dieses Trend-Design, dass beispielsweise immer neue Sessel entworfen werden. Als ich vor Kurzem in Mailand auf der Design-Week war, hatte ich das Gefühl, wir werden überflutet mit nicht-notwendigen Dingen. Das macht mich dann immer etwas wuschig und ich denke mir nur: "Das braucht man doch alles gar nicht!" Ich glaube, da wäre eine Selbstregulierung der Design-Welt manchmal gar nicht so schlecht.
Das heißt eine bessere Welt ist auf die Selbstregulierung von Designerinnen und Designern angewiesen, die im Zweifel bewusst auf Geld verzichten sollen?
Ich mache das auf jeden Fall so. Ich weiß, dass ich viele Entwürfe habe, die Marken auch nehmen würden. Ich möchte aber, dass meine Entwürfe wirklich gut genug sind und der Welt etwas bringen. Ich will nicht einfach alles rausschmeißen und endlos produzieren. Man kommt ja als Designerin mit einem gewissen Stand irgendwann schon an einen Punkt, wo man viel designen kann. Da muss man sich selbst fragen: Will ich das? Deshalb finde ich das Thema Mobility des Designpreises so gut, das hat an sich schon eine eigene Ethik. Es ist eben nicht einfach schon wieder so ein Sofaentwurf – vielleicht mit Rollen (lacht). Vielmehr ist es ja das Herzstück von Mobility, dass Sachen leicht, adaptierbar, auseinandernehmbar und damit multifunktional sind und viele Eigenschaften in sich kombinieren. Für mich ist Mobility auch leichtes Reisen, da steckt ja auch schon eine Less-is-more-Einstellung drin, sich auf das Wesentliche zu reduzieren. Also eigentlich ein Mies-van-der-Rohe-Gedanke.
Mobil-Sein, das kann auch Reisen bedeuten, etwa mit dem Auto oder Flugzeug. Wo ist da der Nachhaltigkeitsgedanke?
Man kann ja auch mit dem Zug reisen, das finde ich auch viel entspannter als mit dem Flugzeug und manchmal geht es letztendlich genauso schnell. Aber im Wettbewerb ging es vor allem um Mobility in anderen Perspektiven des Lebens, zum Beispiel im Alltag und nicht um das Reisen mit Koffer und Flugzeug.
Sie selbst kombinieren in Ihren Arbeiten bewährte Materialien, etwa Geflecht und Holz mit schlichten, modernen Formen. Dadurch entsteht eine simple, aber geniale Zeitlosigkeit.
Meine Sachen sind meistens nicht so wahnsinnig revolutionär, sondern so, als hätten sie schon seit Jahrzehenten da sein können. Die sind einfach praktisch. Dabei setze ich eigentlich immer voraus, dass die Sachen aus Massivholz sind, wenn es das Budget zulässt. Ich finde einfach, dass die Sachen aus Holz anders altern als Interiors, die aus Kunststoffen gemacht sind. Wenn man mit natürlichen Materialien arbeitet, sieht man, wie schön die altern können. Bei den Rimowa-Koffern ist das übrigens ähnlich: Das Aluminium ist so wie Holz, die Patina, die es beim Altern überzieht, macht es erst interessant. Ich finde, das kann man auch auf sich selbst beziehen: Durch diese Akzeptanz des Alterns und der Patina geht man auch viel netter mit seinem eigenen Körper um.
Besteht die Zukunft des Designs also aus Holz?
Ich liebe Holz, du kannst alles daraus machen und ich glaube, es gibt kaum noch Designer, die nicht mit Holz gearbeitet haben. Du kannst es zur Skulptur machen, du kannst es drehen … Es ist eine genial zu bearbeitende Masse, die eben auch natürlich wächst und die Welt nicht vermüllt. Aber eigentlich müsste man von Eiche weg, das ist heutzutage nämlich nicht mehr ökologisch, weil das Holz besonders von China weggekauft wurde. Ich gehe auf andere Holzarten über. Es gibt ja auch schon auf viele andere, neue Materialen, aber da ist noch nicht alles durchdacht.
Zum Beispiel Pilze?
Ja, es gibt schon sehr gute Lederimitate aus Pilzmyzel, aber das Problem ist da, welchen Klebstoff man verwendet, der sollte ja auch ökologisch sein. Kork finde ich aber auch ganz toll. Aus Kork wurden schon Tische und Stühle designed, das ist zukunftsfähig. Ich glaube, bei diesen ursprünglichen und den synthetischen Materialien gibt es zwei Einstellungen. Es gibt immer die, die nach vorne gehen, und die, die das alte Craftmenship verteidigen. Ich glaube, das ist ein bisschen so wie damals das Bauhaus und William Morris, der war ja auch gegen die Industrialisierung des Designs. Das sind zwei Kontraste, die sich gegenseitig brauchen und die es auch immer geben sollte. Ich habe aber mal gelesen, dass es den Körper glücklich macht, wenn du eine Sache von A bis Z machst. Das ist das, was ich in meiner Arbeit und mit dem Material Holz mache. Es macht dich einfach glücklich.
Also ursprünglichere, aber längere Prozesse. Sollte es ähnlich wie Slow-Food auch Slow-Design geben?
Ja, genau. Ich glaube, es sind am Ende diese Prozesse, die das Leben lebenswert und die Welt besser machen.