Vor dem Hintergrund von Forderungen im Vorfeld, nicht zu reisen, sagte Ai Weiwei am Freitag der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist zumindest keine schlechte Idee." In der heutigen Welt wäre es unrealistisch, Beziehungen abzubrechen, um politische Ziele zu erreichen. Das habe nie funktioniert. "Ich denke nicht, dass sein Besuch in Peking inakzeptabel ist."
Kontakte zwischen Staats- und Regierungschefs fänden meist aus Gründen strategischer Abhängigkeit statt und könnten nicht durch Moralismus verhindert werden. Egal, ob Scholz oder andere europäische Führer - das wichtigste sei, dass sie klar darstellten, wofür sie stünden. "Respekt kann nicht verdient werden, wenn eine Beziehung nur aus Profitgründen aufgebaut ist", sagte der heute in Portugal lebende Künstler, der häufig als "soziales Gewissen" Chinas beschrieben wird.
"Wenn Werte und Interessen wie auch die eigenen Notlagen und Risiken in einer offenen Art vorgetragen werden, dann ist das eine klare Haltung", sagte Ai Weiwei. Das demonstriere auch "Selbstbewusstsein". Wenn sich Deutschland aber nicht an europäische Werte hielte, verdiente es nicht die führende Position, die von ihm erwartet werde. "Der Gewinn könnte die Verluste nicht aufwiegen."
Zu Sorgen, dass Deutschland mit China ähnliche Fehler wie früher im Umgang mit Russland machen könnte, sagte Ai Weiwei: "Was Deutschland jetzt tut, kann nur von der Geschichte beurteilt werden. Heute kann das praktisch niemand sagen." Der Besuch von Scholz ist unter anderem umstritten, weil er als erster westlicher Regierungschef kurz nach dem Parteitag nach Peking reist. Auf dem Kongress hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Alleinherrschaft ausgebaut und sich für eine historisch ungewöhnliche dritte Amtszeit bestätigen lassen.