Eine Ausstellung im Handy-Shop? Unbedingt – denn einen integrativeren Ort kann man sich kaum denken. Deshalb sind Charlotte Bank und Salah Saouli mit ihrem Projektraum Art-Lab Berlin im iPhonedoctor an der Perleberger Straße in Moabit an der richtigen Stelle. Die von ihnen kuratierten Ausstellungen beschäftigen sich mit Rassismus und Migration und wollen Barrieren zwischen Menschen und Kulturen abbauen. Zur Berlin Art Week ist das Art-Lab Berlin einer von sieben Gewinnern des Project Space Award. Zu sehen ist die Ausstellung „Matière noire“ mit der iranischen Künstlerin Azar Pajuhandeh und der aus dem Libanon stammenden Künstlerin Nadia Safieddine.
„Matière noire“, Art-Lab Berlin, bis 25. September
"Im Buddhismus gibt es die Vorstellung, dass nichts real ist, weder in der digitalen noch in der physischen Welt. Sie lässt sich nicht anfassen, sie ist wie eine Blase oder ein Traum. Auf der Grundlage dieses Konzepts glaube ich nicht, dass digitale Welten eine Fälschung sind. Sie sind real", sagt Lu Yang aus Shanghai. Diese Überzeugung wird immersiv in der diesjährigen "Artist of the Year"-Schau der Deutschen Bank im Palais Populaire umgesetzt. Die Hauptrolle spielt dabei der Avatar Doku, der durch VR-Installationen und Videos tanzt oder auch als Hologramm die Grenze zwischen real und virtuell durchbricht.
"Lu Yang. Artist of the year 2022", Palais Populaire, Berlin, 10. September bis 13. Februar 2023
"Paris. New York. Grenzenlos." Rund 70 Werke des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude werden unter diesem Titel im Düsseldorfer Kunstpalast gezeigt. Die posthume Hommage an das Künstlerpaar ist bis zum 22. Januar 2023 zu sehen. Christo (1935-2020) und Jeanne-Claude (1935-2009) begeisterten mit ihren Großprojekten Millionen Menschen weltweit. Ein Höhepunkt war die Verhüllung des Berliner Reichstags 1995.
Zum ersten Mal werde das in Frankreich entstandene Frühwerk des Paares im Paris der 1950er-Jahre gezeigt - im Kontext mit Arbeiten ihrer Weggefährten wie Jean Dubuffet, Yves Klein, Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely und Wolf Vostell.
Die Werkschau sei die letzte Ausstellung, der Christo kurz vor seinem Tod im Mai 2020 noch zugestimmt habe, berichtete Felix Krämer, Generaldirektor des Kunstpalastes. Mit ihren Großprojekten erweiterten Christo und Jeanne-Claude die Grenzen des Kunstbegriffs.
Vor rund 60 Jahren hatte sich das Paar erstmals im Rheinland aufgehalten. 1963 präsentierte Christo in der Düsseldorfer Galerie Schmela einen verhüllten VW-Käfer. Dieser ist nun - fast 60 Jahre später - im Kunstpalast zu sehen. Die Ausstellung präsentiert in zehn Themenräumen die wichtigsten Projekte des Künstlerpaares – vom Eisernen Vorhang in Paris 1962 bis zur noch nicht verwirklichten Mastaba in Abu Dhabi.
Die Werkschau zeigt auch die verhüllte Küste in Australien (1968/69), umsäumte Inseln (1983) in Miami/Florida, die verhüllte Brücke Pont-Neuf in Paris (1985), die zeitgleich in Japan und den USA installierten Schirme (1991), die Tore im New Yorker Central Park (2005) und die berühmten schwimmenden Stege im Iseo-See in Italien (2016).
"Paris. New York. Grenzenlos.", Kunstpalast, Düsseldorf, bis 22. Januar 2023
In Frankfurt leitet die Frankfurt Art Experience traditionell den Kunstherbst ein. Rund 50 Galerien und Projekträume präsentieren zum Saisonstart ihre neuen Ausstellungen. Diese Kooperationen zwischen alteingesessenen Galerien und neueren Off-Spaces, häufig unkomerziell und weniger gewürdigt, macht das Wochenende zu einem besonderen Erlebnis.
Besucherinnen und Besucher können in geführten Rundgängen außerdem Einblicke in Frankfurts Kunstwelt erhalten. Die Highlights hat unsere Autorin Katharina Cichosch hier zusammengetragen.
"Frankfurt Art Experience", Frankfurt am Main, bis 11. September
Nach einer längeren Renovierung zeigt das Freiburger Augustinermuseum in der wieder eröffneten Gemäldegalerie
die Ausstellung "Faszination Italien". Zu sehen sind 34 Gemälde von Künstlern wie Franz Xaver Winterhalter, Anselm Feuerbach, Emil Lugo, Johann Baptist Kirner und Max Wilhelm Roman.
Mittelmeer-Landschaften und die kräftigen Farben von "Bella Italia" faszinierten die Künstler des 19. Jahrhunderts. Die Sehnsucht nach Italien war verbreitet, Künstler erkundeten die Gegenden um Rom und Neapel.
Die Ausstellung hat demnach drei Schwerpunkte: Alltag, Landschaft und Menschen. Präsentiert wird die Schau im Dachgeschoss des Augustinermuseums, das für Besucherinnen und Besucher fast vier Jahre lang unzugänglich war. Das Museum in der Innenstadt ist einer ehemaligen Klosterkirche untergebracht. (dpa)
"Faszination Italien", Augustinermuseum, Freiburg
Für Okwui Enwezor war es ein Herzenswunsch, die Joan-Jonas-Schau aus der Tate Modern 2018 gleich nach München ans Haus der Kunst zu holen. Enwezor verstarb 2019, sein Interimsnachfolger sagte die Jonas-Schau aus finanziellen Gründen ab. Doch zum Glück ist Andrea Lissoni seit 2020 künstlerischer Direktor am Haus der Kunst – und die Londoner Ausstellung hatte er selbst kuratiert. Dank einer Benefizauktion, die Ende Juli 600 000 Euro einbrachte, kann – trotz knapper Kassen – das bisher größte deutsche Solo der 1936 in New York City geborenen Künstlerin nun realisiert werden.
Als Pionierin der Performance wird es sich die 86 Jährige nicht nehmen lassen, die Ausstellung von Aufführungen des "Mirror Piece I/II" und von "Working Together: A Lecture Demonstration" flankieren zu lassen. Ein Thema der Werkschau ist Ökologie, die Jonas bereits in frühen Videoarbeiten wie "Wind" (1968) anklingen ließ. Jüngeren Datums ist das aus einer Wandmalerei und einem Zweikanal-Video bestehende Environment "Stream or River, Flight or Pattern" (2016), das sich der bedrohten Natur Kantabriens – an der Nordküste Spaniens – widmet. Von Jonas’ Talent, brandaktuelle Themen mit Bildern und Figuren kollektiver Erzählungen wie Märchen und Sagen zu verbinden, zeugt unter anderem die Installation "Lines in the Sand" (2002), die um Helena, Auslöserin des Trojanischen Krieges, und auf einer tieferen Ebene um Macht und Besitzdenken kreist.
Und wie bereits vor vier Jahren in London säumen Masken und Requisiten den Ausstellungsparcours. Jonas hat auch mit solchen Details immer wieder an Traditionen angeknüpft, etwa an das japanische Nō-Theater und den französischen Surrealismus.
"Joan Jonas", Haus der Kunst, München, bis 26. Februar 2023
Seit 1989 ist das Open-Art-Kunstwochenende ein fester Termin im Münchner Kulturleben. Am 8. und 9. September laden 40 Galerien und mehr als 20 Institutionen und Non-Profit-Räume zum gemeinsamen Kunstwochenende. Es gibt Eröffnungen, Performances, Künstlertalks und geführte Rundgänge durch die Galerien. Zu entdecken sind einige Neuzugänge in der Galerienszene wie Heldenreizer Contemporary oder All You Can Art.
"Open Art", München, bis 9. September
Neue Location, neues Glück: Zum zweiten Mal lädt die New Yorker Armory Show im September in das Javits-Kongresszentrum im Westen von Manhattan. Die Armory bleibt die wichtigste Messe für den starken New Yorker Markt, mit 240 Galerien, darunter diesmal 40 junge Galerien mit geförderten Kojen. Sowohl die kuratierten Solo- und Duopräsentationen als auch die Sektion für großformatige Skulpturen haben Lateinamerika als Fokus.
"Armory Show", New York, bis 11. September
Für die Schrecken des schwarzen Lebens gebe es keine Sprache, schrieb James Baldwin in einem Essay. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Jean-Michel Basquiat (1960– 1988) Maler wurde – und so letztlich doch eine Bildsprache für seine Gedanken und Emotionen entwickeln konnte. In seiner Malerei griff er politische Themen auf, kritisierte Rassismus oder soziale Ungerechtigkeiten. Basquiat ließ sich von Street-Art, Cartoons, Kinderzeichnungen und Werbung inspirieren und bezog sich auf seine Wurzeln in Haiti und Puerto Rico. Rund 80 Hauptwerke präsentiert die Wiener Albertina in einer umfassenden Retrospektive des großen, früh verstorbenen US-Künstlers.
"Basquiat. Die Retrospektive", Albertina, Wien, bis 8. Januar 2023
Einen Überblick über feministisch orientierte Kunst der Gegenwart bietet von Samstag an die Ausstellung "Empowerment" im Kunstmuseum Wolfsburg. Präsentiert werden Werke von rund 100 Künstlerinnen und Künstlern aus 50 Ländern von allen Kontinenten. Trotz weltweiter Bewegungen, Demonstrationen und Petitionen, um Gleichberechtigung herzustellen, könne im Hinblick auf Frauen und LGBTQIA+-Communitys von einer umfassenden Gleichstellung der Geschlechter noch immer nicht gesprochen werden, teilte das Museum mit. Strukturelle Macht- und Ungleichheitsverhältnisse verhinderten vielerorts gleiche Bezahlung oder die Honorierung häuslicher Arbeit und sorgten für Unterdrückung und Ausbeutung bis hin zu körperlicher Gewalt oder sogar Mord.
Auf mehr als 2000 Quadratmetern Fläche ist die Ausstellung in sieben Themenfelder gegliedert, darunter Gender & Identity (Gender und Identität), Desired & Violated Bodies (Begehrte und verletzte Körper) oder Labour of Care (Care-Arbeit/Pflege). Zu den Fragestellungen gehören dem kuratorischen Team zufolge: Welches emanzipatorische Verständnis liegt den Arbeiten zugrunde? Wie weiten die Künstlerinnen den Blick auf eine feministisch orientierte Zukunft?
Kuratiert wurde die bis zum 8. Januar 2023 laufende Ausstellung von Museumsdirektor Andreas Beitin sowie Katharina Koch und Uta Ruhkamp. Der Blickwinkel wurde nach Museumsangaben erweitert durch eingeladene Kollektive wie Nacional Trovoa (Brasilien) oder Njabala (Uganda), die für eigene Bereiche in der Schau "Empowerment" verantwortlich sind. Es gibt ergänzende Ausstellungen in der Städtischen Galerie und im Kunstverein Wolfsburg, eine über die Schau hinausgehende Publikation sowie ein umfangreiches Begleitprogramm.
"Empowerment", Kunstmuseum Wolfsburg, bis 8. Januar 2023