Der Titel dieser grandiosen Ausstellung spielt an Peter Friedls Videoinstallation "Report" an, die auf der Documenta 14 in Athen ihre Premiere feierte und jetzt im Basement der Kunst-Werke ein Zentrum der Ausstellung ist. Wir sehen die Bühne des griechischen Nationaltheaters in Athen, ohne Bühnenbild, leer bis zu den Brandmauern. Und wir sehen 25 Darsteller, die einer nach dem anderen Texte vortragen, genauer: Passagen aus Franz Kafkas "Bericht an eine Akademie" (1917).
Bei diesen Vorsprechenden, auf dem ersten Blick "Menschen wie du und ich", handelt es sich um in Griechenland lebende Menschen mit Migrationshintergrund, die ihren Vortrag meist in ihrer Muttersprache rezitieren. Kafkas Parabel der Menschwerdung eines Affens, in der es um das Problem jüdischer Assimilation geht, wird so erlebbar als Bericht aus den Leben von Migranten. Kafkas Literatur nun ist Kronzeuge für Gilles Deleuze/Felix Guattaris Konzeption einer "Minor Art", in der vor allem Zweierlei entscheidend ist: Das (politische) Sprechen von "Außenseitern" in einer fremden Kultur und dieses mit marginalisierten Formaten – etwa dem Vorsprechen im Theater.
60 Jahre Kunst, drei Mal Documenta
Friedls Kunst, dieses macht die Ausstellung mit ihren Arbeiten aus sechs (!) Jahrzehnten deutlich, setzt immer wieder auf das Konzept der Minor Art und entzieht sich dabei jedwedem Mainstream. Kein Zufall ist daher, dass Friedls bekannteste Arbeit, seine Giraffenskulptur "Zoo Story", die 2007 auf der Documenta 12 für Furore sorgte, hier nicht gezeigt wird, wohl aber sein Marionettenensemble "The Dramatist (Black Hamlet, Crasy Henry, Guila, Toussaint)" (2013).
Vier, an dünnen Fäden von der Decke hängende Figuren stellen historische Personen dar, die in Zeiten des Umbruchs in unterschiedlicher Weise von Bedeutung waren. Da ist "John" Chavafambria, der afrikanische Wahrsager, der Anfang des 20. Jahrhunderts als "schwarzer Hamlet" bekannt wurde, genauso vorgestellt, wie Henry Ford, Gründer des gleichnamigen Automobilkonzerns, Julia Schucht, Gattin des Philosophen Antonio Gramsci, und Toussaint Louvertue, Anführer der Haitianischen Revolution von 1791. Eigentlich an unterschiedlichen Raum- und Zeitstellen verortet, stehen diese Protagonisten in "The Dramatist" zu möglichen Aufführungen einer kontrafaktischen Geschichtsschreibung bereit. Doch diese Aufführungen bleiben in der (Un-)Möglichkeitsform, einerseits scheinen die vier Marionetten auf ihren Einsatz zu warten, andererseits hängen die Fäden so weit oben, dass ein Spiel unmöglich ist.
Welches Tier wären Sie gerne?
Eine in der Kunst genauso marginalisierte Form, wie das Marionettentheater nutzt Friedl in seiner relativ frühen Arbeit "Peter Friedl" (1998), nämlich die des Verkleidens mit Tierkostümen. Für dieses Projekt fragte der Künstler Mitarbeiter des Brüsseler Palais des Beaux-Arts nach den Tieren, die sie gern hätten sein wollen. Diese Kostüme durften dann in der Ausstellung von den Besuchern angezogen werden, um gleichsam in fremde Identitäten zu schlüpfen. In den Kunst-Werken ist solch Partizipation jetzt nicht mehr erlaubt, die zu kleinen Haufen aufgetürmten Kostüme werden zu unbelebten Objekten, die an ein fast schon animistisches Spiel von Identifikation erinnern.
Zur künstlerischen Strategie Friedls gehört auch mainstreamfähige Formate zu entpopularisieren und so kleinzureden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Arbeit "King Kong" (2002), die als Musikvideo mit dem Singer-Songwriter Daniel Johnston daherkommt. Johnston, ein legendärer Einzelgänger in der Musikbranche, der unter anderem für die Kunstrock-Band Sonic Youth von Bedeutung war, trägt da seinen King-Kong-Song (1983) vor, in dem er die Story der monströsen Affenfigur in dem gleichnamigen Films nacherzählt. Dabei sitzt der Sänger, von Kindern umringt, auf einer Bank in dem ehemaligen Johannesburger Stadtteil Sophiatown. Dieses Stadtteil ist einerseits Schauplatz des Musicals "King Kong" (1958), in dem es um das Schicksal eines südafrikanischen Boxers geht. Andererseits wurde Sophiatown von dem Apartheidregime mit Hilfe von Zwangsumsiedlungen gnadenlos gentrifiziert. Geschichte in komplexen, bisher ungeschriebenen Konstellationen anders zu denken – auch das ist typisch für Friedls Minor Art.