Dan Graham, Jahrgang 1942, war ein einflussreicher Konzeptkünstler, Kunstkritiker und Verfasser theoretischer Schriften. Schon als Jugendlicher begeisterte er sich für die Schriften von Walter Benjamin, Margaret Mead und Jean-Paul Sartre, aber auch für Science-Fiction-Autoren und "billige" Fernsehserien. Statt zu studieren, schrieb er lieber über Rockmusik, und auch die spätere Körperlichkeit seiner Kunstwerke, in denen er sich oft auf die Spielplätze und die Fertighäuser seiner Jugend stützte, verstand er als Rebellion gegen sein kalt-intellektuelles Elternhaus. Durch das Schreiben kam Graham in Kontakt mit von ihm bewunderten Künstlern wie Robert Smithson, Dan Flavin und Donald Judd.
Anfang der 60er-Jahre eröffnete der Mann aus Urbana, Illinois, in New York die John Daniels Gallery, wo er unter anderem die späteren Stars der Minimal Art ausstellte. Wegen verheerender Bilanzen verließ er die Galerie aber schnell wieder und wurde Künstler: Dan Grahams wichtigstes Frühwerk ist "Homes for America" (1967), eine Fotoserie von Reihenhäusern, die er mit eigenen architekturkritischen Texten versah und ursprünglich als Artikel in Publikumszeitschriften abdrucken lassen wollte. Er legte sich bewusst nicht auf eine einzige Rolle fest.
Das Konzept, mit seiner Kunst vor allem den Betrachter in den Mittelpunkt zu stellen, setzte Dan Graham seit den 80er-Jahren in erster Linie durch verspiegelte Pavillons um, die Institutionen auf der ganzen Welt schmücken: Als Hybriden aus Architektur und Skulptur beziehen die begehbaren Objekte auch immer ihre Umgebung mit ein. Sein Werk umfasst außerdem Performances über Überwachung, messerscharfe Videos über Rock 'n' Roll und kleinformatige Textarbeiten. Seinen theoretischen Kosmos entfaltete der Teilnehmer von fünf Documenta-Ausstellungen zwischen Caspar David Friedrich, Jacques Lacan und der Independent-Rockband Sonic Youth.
Kunst vs Disneyland
Dass er für einen undogmatischen Zugang zur Kunstgeschichte ist, sah man auch daran, dass Dan Graham sehr früh Vergleiche zwischen Kunst und Freizeitparks angestellt hat. "Ich glaube, ein großes Dilemma der Kunst ist tatsächlich, dass sie mit Disneyland klarkommen muss", sagte der Künstler 2008 im Monopol-Interview. "Es gibt viele Künstler, die keine richtig guten Künstler sind, aber hervorragende Entertainer."
In Deutschland ist seine Arbeit früh von Galerist Rüdiger Schöttle ausgestellt worden, in Stuttgart steht seit der Internationalen Gartenbauausstellung 1993 die Graham-Installation "Gate of Hope" in der Parklandschaft des Grünen U, in Berlin das "Café Bravo" im Innenhof des Berliner KW Institute for Contemporary Art.
Dan Graham selbst sah sich nicht in der Tradition der Minimal Art: "Ich habe damit gebrochen", sagte er im Monopol-Interview. "Für mich war die Minimal Art einfach zu objektbezogen. Ich wollte etwas schaffen, das der Subjektivität auf den Grund geht. So habe ich auch immer funktional gearbeitet: 'Café Bravo' ist ein Beispiel."
Dan Graham ist am vergangenen Samstag im Alter von 79 Jahren in New York gestorben.