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12 Kunstfilme, die sich im Februar lohnen

Unsere Filme im Februar bringen Shakespeare in die Neuzeit, schauen auf die niederländischen Meister und wagen einen Ausblick auf die Documenta. Und ganz nebenbei erklären sie, wie Bilder funktionieren

 

Wie Wände fühlen

Wenn Wände Ohren hätten, dann könnten sie wohl einiges erzählen. Ganz besonders jene, die die Gemächer von geschichtlichen Figuren wie Hitler oder Stalin umgaben. Ausgehend von dieser Überlegung und mithilfe gefundenen Filmmaterials (von historischen Filmschnipseln bis hin zu Werbeclips und Youtube-Videos) bildet die Filmkünstlerin Eli Cortiñas eine Assoziationskette, die sie schließlich zu den großen Themen im Kapitalismus bringt: Arbeit, Wertschöpfungskette, Produktionsbedingungen und die Grundlage eines lebenswerten Daseins in einer von Marktmechanismen gesteuerten Welt, Selbst- und Fremdausbeutung.

Das Filmarchiv als sowohl Produkt als auch Dokumentationsort technischen Fortschritts bildet den Ausgangspunkt für die suchend-forschende Arbeitsweise der kubanischen Künstlerin: Es finden sich darin sowohl utopische und dystopische Zukunftsahnungen, als auch Rückblicke auf die Folgen der Globalisierung von Produktion. Durch Schnitt- und Filmtechniken übersetzt sie die Inhalte, die die Bilder widergeben, in eine zweite ästhetische Ebene.

In dem Video-Essay "Walls Have Feelings" (2019), der diesen Februar als Video des Monats auf der Seite des Hartware MedienKunstVerein Dortmund zu sehen ist, erforscht Eli Cortiñas auf diese Weise Räume im weiteren Sinn, soziale wie globale, und kommt am Ende auf grundlegende Fragen des Mensch-Seins in der Moderne im Sinne einer Vita Activa. 

Eli Cortiñas "Walls Have Feelings", Video des Monats des Hartware MedienKunstVerein Dortmund, bis 28. Februar
 

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Ausschnitt aus dem Trailer zu der Videoarbeit vom KINDL - Zentrum für zeitgenössische Kunst in Berlin

 

Der neue Shakespeare 

Es war eine gute Entscheidung, dass die "Macbeth"-Verfilmung von Joel Coen schon kurz nach dem Kinostart beim Streaming-Dienst Apple TV+ angeboten wird. Denn die Kälte dieses Films geht durch Mark und Knochen; ein Tee, eine Decke können zumindest die schlimmsten Erfrierungen verhindern. Die Coen-Brüder, das wissen wir seit ihrem frühen Meisterwerk "Fargo", lieben den Winter, sie lieben den Schnee. Weil er so schön unschuldig wirkt, weil er die Möglichkeit eines Neuanfangs verspricht, aber eben auch: weil das Blut so schön darauf spritzt.

Im dichten Nebel einer Winterlandschaft eröffnet auch "The Tragedy of Macbeth". Drei Hexen erscheinen dem gefeierten General Macbeth – großartig gespielt von Denzel Washington – und prophezeien ihm eine ruhmreiche Zukunft als König, was ihn zum Mörder werden lässt und schließlich in den Wahnsinn treibt. Durch seine unnatürliche Thronbesteigung ist die Welt aus dem Gleichgewicht geraten, und Macbeth versinkt immer tiefer in einem Sumpf aus Schuldgefühlen, Ängsten und Realitätsverlust.

Joel Coen, der diesen Film erstmals seit 25 Jahren ohne seinen Bruder Ethan realisiert hat, gibt Shakespeares berühmter Parabel über Machtgier und menschliche Hybris keinerlei modisches Update, und erspart sich jede naheliegende Anspielungen auf aktuelle Despoten. Sein Film ist komplett in Schwarz-Weiß gehalten, das Setting ist minimalistisch, und weil alle Szenen im Studio gedreht wurden, verschwimmen die Grenzen zwischen Film und Theater, Traum und Wirklichkeit. Auch was die Sprache anbelangt, hält sich Coen ganz ans Original – man sollte den Film unbedingt auf Englisch gucken, eintauchen in Shakespeares trommelnde Hexameter, die die Handlung gnadenlos voranpeitschen.

Coen interpretiert das historische Stück als Urstoff des Film noir. Er hat sichtbar Freude daran, Macbeth und seine Gattin beim Aushecken ihrer teuflischen Pläne zu beobachten, dabei, wie sie sich gegenseitig in den Machtrausch steigern: Zögert er, mahnt sie ihn an seine Männlichkeit, zweifelt sie, schafft er kurzerhand Fakten. Jeder Schritt hat Folgen, aber es gibt kein Zurück, am Ende bleibt Fatalismus. "Life's but a walking shadow. It is a tale, told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing."

Die Rolle der Lady Macbeth hat Coen übrigens mit der großartig-furchterregenden Frances McDormand besetzt, seiner Frau im echten Leben. Ist das Realismus, oder dann doch ein Funken des typischen Coen-Brüder-Humor? Man sollte sich warm anziehen, um diese Fragen zu überdenken.

"The Tragedy of Macbeth", auf Apple+
 

 

Trauerfeiern sind der beste Schauplatz für eine Komödie

"Mum, wer ist gestorben?" fragt Danielle zum dritten Mal auf dem Weg zur Trauerfeier, doch ihre Mutter beachtet sie nicht. "Es ist genau die Frage, die ich meinen Eltern oft stellen musste, wenn sie mich als Kind auf die Shiv'a irgendeiner einer entfernten Tante mitnahmen", erzählt die Regisseurin Emma Seligman im Interview über ihren ersten Spielfilm. "Jüdische Trauerfeiern fühlen sich oft nicht wie Trauerfeiern an. Es wird gegessen und gelacht und gelästert. Der Grund für das Zusammenkommen und die Stimmung, die dort herrscht, wollen nicht recht zusammenpassen. Darum wollte ich 'Shiva Baby' genau in diesem Setting spielen lassen."

Danielle (Rachel Sennott) geht es nicht ums Geld. Und sie studiert auch nicht Jura, wie sie ihrem Sugar Daddy Max (Danny Deferrari) erzählt. Dass sie knietief im Schlamassel steckt, merkt sie, als sie neben Max auch noch ihrer Exfreundin Maya (Molly Gordon) auf der Shiv'a in die Arme läuft, auf die ihre Eltern sie mitgeschleppt haben. Während Danielle versucht, den Fragen und unerbetenen Kommentaren entfernter Verwandter aus dem Weg zu gehen und abwägt, welche Geheimnisse lieber verborgen bleiben und welche Bomben zum Platzen bestimmt sind, verfällt sie zunehmend in Panik bei dem Versuch, ihre eigenen Verfehlungen geheim zu halten. Kurz, der Film ist aufreibend und einfühlsam, voller witzigem Zynismus und auf erdrückende Weise schrecklich, erniedrigend und empowernd. Worte, die nicht so ganz zusammenpassen wollen – so wie Gelächter und Geläster auf einer Trauerfeier.

"Shiva Baby", auf Mubi
 

 

Rembrandt, der Malermeister von Amsterdam

"Das 17. Jahrhundert war die Zeit, in der Holland erwachsen wurde," eröffnet der Kunsthistoriker Jan Six die neue Arte-Dokumentation über "Rembrandts Zeitalter". Dabei war dieses "goldene Jahrhundert" nicht nur eine Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs für den kleinen Schifffahrtsstaat, sondern auch ein Kippmoment, der einen Paradigmenwechsel für die Kunst bedeutete weg von christlicher Motivik, von kirchlichen und aristokratischen Auftraggebern, hin zu einer neuen Klasse von Kunstliebhabern (und -käufern) im erstarkenden Bürgertum, die sich für weltliche Bildthemen begeisterten und Malern durch Mäzenatentum mehr Freiheit im Schaffen schenkten.

Einer der größten Malermeister jenes goldenen Zeitalters (dessen Reichtum jedoch maßgeblich auf den Schätzen aus den Kolonien beruhte) war ohne Frage Rembrandt van Rijn. Wieso er nicht nur als Protegé von Kaufleuten Nutznießer des niederländischen Wirtschaftsbooms war, sondern auch selbst erfolgreicher Unternehmer, erklärt die Direktorin des Rembrandt-Haus in Amsterdam, Lidewij de Koekkoek. Im Zentrum des Films steht nichtsdestotrotz der einzigartige Malstil des Künstlers: "Er brach mit der Vorstellung davon, was Schönheit ist.", erklärt Rembrandt-Sammler Thomas S. Kaplan. "Er legte alle klassischen italienischen Erfindungen beiseite und brachte seinen eigenen Sinn für Schönheit zum Ausdruck. Und zwar ohne jegliche Hemmungen, ob das nun Absicht war oder nicht."

Für ihre Dokumentation hat die Macherin des Films Frauke Schlieckau unter anderem Kaplan beim Öffnen eines Kästchens über die Schulter geschaut, das das kleinste von Rembrandts Gemälden beherbergt. Sie hat ganz nah an Bilder rangezoomt, die dem öffentlichen Blick für gewöhnlich verborgen bleiben. Mit Bauje Coenen von Sotheby's hat sie außerdem über die (metaphorisch wie wörtliche) Vielschichtigkeit der Bilder gesprochen und darüber, wie Restauratoren ihre Geheimnisse zu Tage bringen. Herausgekommen ist eine Hommage an den holländischen Goldknaben, die von der Liebe der Interviewten zu seinen Bildern getragen wird. Ein Film, der ein Bild der Zeit zeichnet, die Rembrandt hervorgebracht hat, der ihn anderen Malern seiner eigenen Zeit wie Jan Vermeer gegenüberstellt, und der beleuchtet, was heute noch an ihm bewundert wird.

Und wer nachher mehr über die Entdeckung des letzten Rembrandts erfahren möchte, bekommt an dieser Stelle noch eine Hörempfehlung: Reporter und Reporterinnen der "New York Times" haben dem Kunsthistoriker Jan Six XI, Nachfahre und Namensvetter von Rembrandts Freund und Mäzen, eine gesamte Podcast-Sendung gewidmet. 

"Rembrandts Zeitalter – Kunst, Markt und Geschäft", Arte-Mediathek, bis 15. April
 

 

Wer kommt zur "Documenta Fifteen"?

"Lumbung" bezeichnet auf indonesisch eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune. "Lumbung" ist auch die Grundidee, oder eher die Praxis, die das Kurationsteams der "Documenta Fifteen", das indonesische Kollektiv Ruangrupa, für die Kunstausstellung in diesem Sommer entwickelt hat. Ausgehend von dem Solidarprinzip und dem Kollektivgedanken, nach dem auch die Reisscheune organisiert ist, sollen die ausstellenden Künstlerinnen und Künstler, Institute und Kollektive sich zusammenfinden und austauschen, um gemeinsam die große Schau von Kassel zu realisieren.

Im Fokus steht dabei nicht nur die Erfahrung der Besucherinnen und Besucher, sondern auch die Zusammenarbeit und das voneinander Lernen der teilnehmenden Gruppen. Der Prozess ist Teil des Ergebnisses, die Beziehungen sollen auch über die Dauer der Ausstellung bestehen bleiben. Dafür haben Ruangrupa mit dem "RuruHaus" einen analogen wie digitalen Ort geschaffen, an dem die Teilnehmer sich vernetzen können. Kennenlernen kann man die eingeladenen Künstlerinnen und Kollektive nun nacheinander in einer Videoreihe auf dem Youtube-Kanal der Documenta Fifteen oder in der eigenen Mediathek.

Mehr über die Vorbereitungen zur Documenta lesen Sie hier.

"Vorstellung der Lumbung Member", Mediathek der "Documenta Fifteen"

 

Bell Hooks und das Plädoyer für die Zwischentöne

Liebe ist politisch. Und das nicht nur, weil in unserer Gesellschaft "Liebe" vor allem romantische Liebe meint und den Wunsch nach einer klassischen Kernfamilie voraussetzt. So lautet eine Kernthese der Ende letzten Jahres verstobenen Autorin Bell Hooks, die auch den Ausgangspunkt ihres Buches "Alles über die Liebe" bildet. Geprägt sind diese Gedanken von Hooks' Grundverständnis für die Verwobenheit gesellschaftlicher Kategorien und Machtmechanismen, die jeder Beziehung zugrunde liegen.

Die 1952 als Gloria Jean Watkins geborene Medienwissenschaftlerin und Autorin hat uns vieles gelehrt. Nicht nur über Liebe, sondern über Macht und Menschen im Allgemeinen, über Repräsentation und Solidarität und wie das eine das andere bedingt. Als Vordenkerin der Intersektionalität verband sie Genderfragen mit Rassismuskritik und antikolonialistischem Aktivismus. Ihr tiefer persönlicher Blick auf ihre Umwelt eröffnet ein Verständnis für das Zusammenwirken dieser Kategorien und ebnete so den Weg der Debatten, die in den letzten Jahren immer erbitterter geführt wurden.

Im Dokumentarfilm "Bell Hooks Cultural Criticism & Transformation" kommt die Autorin selbst zu Wort und greift Momente auf, in denen sich die Frage "Wer bin ich?" zu einem "Welche Formen der Diskriminierung erfahre ich und übe ich aus?" wandelt. Der Gedanke mündet in der unlösbaren Frage "Wem gehört meine Solidarität?". Einer der Schlüsselmomente in diesem Dilemma, den Hooks im Film adressiert, ist für sie die Gerichtsverhandlung des Football-Star und Schauspieler O.J. Simpson, der 1994 im Verdacht stand, seine Frau ermordet zu haben. Der Fall spaltete ganz Amerika. Vor allem aber brachte er Schwarze Frauen in Bedrängnis, eine Seite zu wählen. Und damit die doppelte Diskriminierung, der sie selbst ausgesetzt sind, auf Teilaspekte derselben herunterzubrechen: Was steht im Zentrum des eigenen Aktivismus, die Gewalt an Frauen oder der alles durchtränkende Rassismus?

Diese Spaltung, die vereinfachende Essentialisierung von Identitäten und ihr gegeneinander Ausspielen, benennt Hooks klar als konservatives Machtinstrument. Nicht im Sinne eines von links geführten Kulturkampfes, wie er in den letzten Jahren immer lauter heraufbeschworen wird. Denn das Problem liege, so Hooks, in eben jener Vereinfachung von Identitäten: "Der konservative Aspekt des Spektakels war, dass es die Menschen erfolgreich dazu brachte, auf sehr eindimensionale Konzepte von Identität, Politik, von sexuellem und ethnischem Essentialismus zurückzufallen. Weil es keinen Rahmen gab, in dem das Spektakel selbst den Raum für eine vielschichtigere Auseinandersetzung dessen geboten hätte, was da gerade vonstatten ging."

Dass das Private politisch ist, hat wohl keine deutlicher herausgearbeitet als Bell Hooks und so müssen im Umkehrschluss private Erzählungen und Erfahrungen ihren festen Platz im politischen Diskurs haben. Obwohl bereits vor 25 Jahren gedreht, bietet der Dokumentarfilm einen Einstieg in ihr erschreckend aktuelle Denken für alle, die (noch) nicht selbst in den Genuss eines ihrer Bücher gekommen sind. 

"Bell Hooks – Cultural Criticism & Transformation", auf Kanopy
 

 

John Berger und die ewigen "Ways of Seeing"

"Was Sie auf dem Bildschirm sehen, ist nicht das Original. Ich stehe hier davor." Die technische Reproduktion von Kunstwerken und ihre mediale Verbreitung haben unseren Blick auf die Kunst verändert. Vor allem aber hat sich durch die Massenmedien scheinbar eine neue, eigene Bildsprache entwickelt.

Dass diese voller ikonografischer Bezüge aus der Kunstgeschichte steckt, zeigt John Berger in seiner kultigen vierteilige Fernsehreihe, die 1972 in der BBC ausgestrahlt wurde. Wie ein Aby Warburg für die Massen spannt John Berger darin Netze zwischen Kunstgeschichte und Fernsehbildern, erläutert kunsthistorische Zusammenhänge und seziert Werbeanzeigen. In Buchform hat es die Serie in Universitätsseminare geschafft, doch John Berger vor den Werken reden zu hören hat, wie soll man sagen, eine ganz eigene Aura. Die großartigen bunten Outfits des Moderators sind dabei selbst Zeugnis der Zeit – und ein Gruß an den Farbfernseher.

"Ways of Seeing", alle Folgen auf Youtube
 

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Der Fotograf und der Filmstar 

Wer wüsste besser um die Macht der Bilder als Anton Corbijn? Der niederländische Fotograf hat neben Stars der Musikszene wie David Bowie, Frank Sinatra oder Bon Jovi auch Filmgrößen wie Jonny Depp, David Lynch und Wim Wenders porträtiert. 2007 machte er sich mit dem Regiedebüt "Control", einer Hommage an den Sänger der Post-Punk-Band Joy Division Ian Curtis einen Namen als Filmemacher. Es folgten "The American" und "A Most Wanted Man". Mit dem Werk "Life" widmet er sich sich einer Liebe, mit der alles in seiner Karriere begann: Fotos, die Stars machen.

In dem Film, der oft als Biopic von James Dean besprochen wird, geht es eigentlich viel mehr um die Geschichte von dessen Zusammentreffen mit dem Fotografen Dennis Stock. Anton Corbijn zeigt, wie Bilder das Image eines Filmstars nachhaltig prägen können. Stock, ein junger New Yorker Fotograf (gespielt von Robert Pattinson), der für die Bildagentur Magnum arbeitet, macht auf einer Film-Party die Bekanntschaft des aufstrebenden Schauspielers James Dean (Dane DeHaan). Nachdem er kurz darauf in einem Vorab-Screening dessen neuen Streifen "Jenseits von Eden" sieht und das Potential des Newcomers erkennt, schlägt er seinem Redakteur die Idee für eine Fotostrecke über den Star-to-be vor, die er im Magazin "Life" platzieren möchte. 

Die Fotografien, die Stock dem aufstrebenden Schauspieler entlockte, machten am Ende Geschichte darunter das ikonische Bild des melancholischen Mannes mit Zigarette im Regen am Times Square, oder die einfühlsamen Bilder von Dean in seinem Heimatort in Indiana, am Grab seiner Mutter oder lächelnd zwischen einer Horde grasender Kühe. Die Fotos, die als Bildstrecke in "Life" erschienen, lösten einen Hype um den damals erst 23-Jährigen aus, der trotz seines frühen Todes und der wenigen Produktionen bis heute das Sinnbild für absolute Coolness ist.

"Life", auf Mubi 
 

 

Die Verführung der roten Sohlen

So privat und dabei so glamourös: Der Dokumentarfilm über den französischen Designer Christian Louboutin sucht den Menschen hinter einem Mode-Mythos: Der hohe Schuh mit der roten Sohle, der es geschafft hat, der Inbegriff von Luxus am Fuß zu werden. Wer ist das Gesicht hinter der Marke?

Ein Arte-Team rund um Regisseur Olivier Garouste schaut Louboutin beim Zeichnen in seinem Anwesen in Portugal über die Schulter, interviewt ihn beim Heckenschneiden, dokumentiert das kreative Arbeiten mit seinem Team. Der Film zeichnet den Weg eines seiner Schuhe von der Inspiration bis zum ersten Kontakt mit einem Damenfuß nach. Christian Louboutin bei der Arbeit gleicht einem Sternekoch, der sich hingebungsvoll dem Streben nach Perfektion hingibt - und dabei nur erlesene Zutaten duldet.

Wie Louboutin es schafft, "unnützen" High Heels ein Gefühl von "unbedingt-haben-Wollen" zu verleihen, zeigt der Kanal "Irgendwas mit ARTE" auf Youtube.

"Auf roten Sohlen mit Christian Louboutin", Arte-Kanal auf Youtube

 

Die Geschichte einer Pfeife

Dass ein Bild von etwas nur das Bild von etwas und nicht das Ding selbst ist, haben wir schon von John Berger erfahren. Malerisch brachte diese Erkenntnis niemand besser auf den Punkt als der Belgier René Magritte, dessen "La trahison des images" ("Der Verrat der Bilder") ein humoristischer Kommentar auf die herablassende Haltung des Dichters und Surrealisten-Kollegen André Breton gegenüber der Malerei war. Das Abbild eines Alltagsgegenstandes und ein kurzer Aussagesatz reichten, um die Essenz der Semiotik auf den Punkt zu bringen. "Ceci n'est pas une pipe".

Magritte schlug nicht nur dem Literaten ein Schnippchen, er etablierte die Pfeife als Grundform im künstlerischen Werkzeugkasten. Metaphorisch, versteht sich. Die Pfeife pardon, das Gemälde inspirierte Künstlergenerationen nach ihm, die Macht der Bilder anzuerkennen und ihre Wahrheit zu hinterfragen. All das erfahren wir in der Folge des Mini-Kunstanalyse-Formats "Artjacking", die sich der "Kunst des Nichtrauchens" widmet und erklärt, wieso es Magritte sehr wohl um rauchende Köpfe ging. Nur nicht um die von Pfeifen. 

"'Dies ist keine Pfeife' oder die Kunst des Nicht-Rauchens" und alle Folgen von "Artjacking!" in der Arte-Mediathek 
 

 

Alice Guy, eine Meisterin mit der Kamera

Was für eine Frau, was für eine Karriere! Die französische Filmregisseurin und spätere Produzentin Alice Guy (1873-1968) war eine Pionierin und zugleich Meisterin ihres Fachs. Lange war ihr bedeutender Beitrag zur Filmgeschichte vergessen, erst seit einigen Jahren wird an die Filmemacherin wieder erinnert. So haben Valérie Urrea und Nathalie Masduraud eine fesselnde Dokumentation über Guy produziert, die von den zukunftsweisenden Experimenten, Erfolgen und bitteren Niederlagen der Filmpionierin erzählt und viele Filmausschnitte umfasst.

Kaum hatten die Brüder Lumière 1895 ihre ersten Bewegtbilder gezeigt, drehte die Französin mit 23 Jahren ihren ersten Spielfilm. Zunächst waren es Slapstick-Grotesken und frühe Fantasyfilme – in Guys Erstling "La Fée aux Choux" zaubert eine Märchenfee Kinder zwischen Kohlpflanzen hervor –, die sie schrieb und inszenierte. Mit 32 Jahren leitete sie dann das damals größte Filmstudio der Welt: Solax in Flushing, New York, als von Hollywood noch gar nicht die Rede war. Guys Werke thematisieren Feminismus, Antisemitismus, Einwanderung, Arbeitskämpfe und Gleichberechtigung in einer spielerischen wie auch ernstzunehmenden Weise. Wie eine Bombe schlug "A fool and his money" 1912 ein, in dem Guy einen durchweg afroamerikanischen Cast einsetzte.

Als Frau habe sie es im Beruf oft schwer gehabt, erinnert sich Guy im hohen Alter in einem Interview, aus dem die Dokumentation Ausschnitte zeigt. Besonders faszinieren aber die originalen Filmszenen. Guy spielte mit Genderkonventionen, zeigte in einem Film Frauen, die Männer herumkommandieren und bei der Hausarbeit überwachen. Dass eine Frau (solche) Filme machte, erschien Filmhistorikern ebenso fantastisch: Oft wurden Guys Filme Männern zugeschrieben. Viele ihrer Werke bleiben verschollen. Der Name Alice Guy hat inzwischen aber einen festen Platz in der Filmgeschichte.

"Alice Guy, die vergessene Filmpionierin", Arte-Mediathek, bis 1. September
 

 

Der Preis der Kunst

Warum werden manche Kunstwerke extrem teuer, und andere nicht? Um den Preis der Kunst und dessen Gesetze geht es in “The Price of Everything” von Nathaniel Kahn: Die Dokumentation erzählt die Wertschöpfungskette entlang von Künstlerstars wie Jeff Koons oder George Condo, befragt Sammler und die führenden Köpfen von Auktionshäusern.

Dabei kann es nicht gelingen, alle Faktoren einzufangen, aber ein paar aufschlussreiche Zitate. Für Amy Capellazzo von Sotheby’s ist jeder Gerhard Richter, der im Museum hängt, ein Ärgernis: "So eine sozialistische Idee!". Die Geburtsstunde des Kunstmarktes, wie wir ihn heute kennen, war die Versteigerung der Sammlung Scull 1969. Robert Rauschenberg tritt nach der ungeheuer erfolgreichen Auktion fast schon handgreiflich wütend an den Taxiunternehmer Scull heran: "Ich hab mir den Arsch abgearbeitet, und du steckst dir die Millionen ein!" Scull umarmt ihn lässig: "Hast du nachgedacht, was es mit deinen Preisen macht? Ich habe es für uns beide getan!"

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