"Folklore", "propagandistisch", "drittklassig“ – so und ähnlich wurde vor drei Jahren die von Adam Szymczyk geleitete Documenta 14 von weiten Teilen der Kunstkritik harsch abgeurteilt. Auch vor Beleidigungen wie "Straßenstrichfolklore" oder "Schrecken ohne Ende" scheuten manche Feuilletons nicht zurück. Überfordert schienen damals viele, weil die Documenta 14 eben nicht die verabredeten Standards zeitgenössischer Kunst bediente, sondern Paradigmenwechsel wagte. Paradigmenwechsel, die die Kritik mit ihren als Vorwurf gemeinten Formulierungen wie "Folklore" und "Propaganda" durchaus präzise benannte: Adam Szymczyk und seine Kuratorinnen und Kuratoren stellten auf ihrer Ausstellung Kategorien der autonomen Kunst wie "pure ästhetische Form" und "Zweckfreiheit" in Frage. Und sie machten deutlich, dass diese Kategorien eurozentristischer Natur sind, die heute einerseits dazu dienen, politische Kunst zu diskreditieren, andererseits dazu, moderne Kunst "westlicher" Prägung als die einzig mögliche Kunst zu behaupten.
Die Documenta 14 installierte darum eine politisch-postkoloniale Debatte als ein Zentrum ihrer Ausstellung. Schon ihr Magazin "South as a State of Mind", das der eigentlichen Documenta vorausging und Themen wie Sprache und Kolonialität diskutierte, stellte dies klar. In der Ausstellung war dann das Thema immer wieder präsent, etwa in Tshibumba Kanda-Matulus Gemälden "101 Works" von 1973-74, in denen in naiv-realistischer Malweise die koloniale Geschichte des Kongo vorgestellt wird.
Intelligent und sinnlich zugleich
Auch Ibrahim Mahama verhandelte den postkolonialen Diskurs intelligent und sinnlich zugleich, indem er die Kassler Torwache mit Jutesäcken verhängte, die sonst beispielsweise zum Handel von Kaffee genutzt werden. Gleiches gilt für Olu Oguibes Obelisk mit Bibelzitat in vier Sprachen. Diese Künstler nun stellen seit der Documenta 14 international überaus erfolgreich aus, wie auch Hiwa K, Emeka Ogboh, Banu Cennetoğlu und Otobong Nkanga, die vom "Kunstkompass" in diesem Jahr zur "Newcomerin des Jahres" gekürt wurde.
Erfolgreich sind all diese Künstlerinnen und Künstler nicht zuletzt deshalb, weil die postkoloniale Debatte - auch dank der Documenta 14 - inzwischen fest im Kunstbetrieb verankert ist. Zahlreiche Ausstellungen und Symposien zu diesem Thema lassen daran keinen Zweifel. Man denke allein im deutschsprachigen Raum an die 10. und 11. Berlin Biennale, die Ausstellung "Hello World" im Hamburger Bahnhof oder die großangelegte Präsentation "Museum Global" im Düsseldorfer K20.
Erinnerungen an die längst legendäre Szeemann-Documenta
Unerwähnt bleiben darf in diesem Kontext auch nicht das Savvy Contemporary Laboratory in Berlin, das sich bereits seit acht Jahren erfolgreich der künstlerisch-produktiven Auseinandersetzung mit dem Postkolonialismus verschrieben hat. Kein Zufall ist es, dass sein Leiter Bonaventure Soh Bejeng Ndikung bei der Documenta 14 als Curator At Large tätig war – und dass er gerade mit dem Verdienstorden des Landes Berlin geehrt wurde.
Alles andere als "krachend gescheitert", wie eine Kritik vor drei Jahren behauptete, ist die Documenta 14 also, vielmehr hat sie den Kunstbetrieb nachhaltig und konstruktiv verändert. Auch wenn der Vergleich ambitioniert erscheinen mag, sei abschließend kurz an Harald Szeemanns Documenta 5 erinnert. Denn auch diese längst legendäre, die Kunstwelt grundlegend verändernde Documenta stieß zunächst bei den meisten Kritikern auf Unverständnis. Und, nebenbei bemerkt, auch sie war hochgradig verschuldet.