Die US-Rapperin Lizzo ("Juice") ist so etwas wie die Ermächtigungsgöttin der Gegenwart. Radikale Selbstliebe enthält bei der 31-Jährigen aus Detroit die Pulverisierung von Size-Zero-Schönheitsidealen und ein überlegenes Haare-Schnicken in Richtung von Nörglern und Anhängern von Victoria's-Secret-Körpermaßen. Auf Instagram zeigte sie sich nach den American Music Awards mit farblich aufs Abendkleid abgestimmter Chipstüte und postete ihren Hintern. Nicht als erregendes Perfektions-Manifest, sondern als unmissverständliches "Fuck You" an ihre hater.
Meistens wird Lizzo zur Zeit aber eher gefeiert als bepöbelt - gerade wieder auf dem roten Teppich der American Music Awards, als sie eine winzige Handtasche von Valentino präsentierte. Von dem Mini-Behälter, in den vielleicht eine einzelne Münze oder ein sehr platzsparend gefaltetes Taschentuch passt, gibt es weltweit nur drei Stück - was eigentlich schade ist, denn die Tasche sendet eine Botschaft, die mehr als ein Modespielchen ist. "Bag big enough for the fucks I give" kommentierte Lizzo ihr Accessoire. Also sinngemäß: Hier passt der Scheißdreck rein, den mich das interessiert.
Ein Vorratsraum des Perfektionsdiktats
Beim Ausgehen (und auf roten Teppichen) hat die Damenhandtasche traditionell eine klar definierte Funktion. Sie beherbergt Utensilien zum Nase pudern, Lippen nachziehen, Stirn tupfen. Sie ist also, wenn man so will, ein Depot für Werkzeuge, mit denen Makel behoben werden sollen. Ein Vorratsraum weiblicher Schönheit, die nicht ohne Ausbesserung auskommt. "Nur das Nötigste" in einem Ausgeh-Täschchen bedeutet meistens: Nur das Nötigste an Kosmetik.
Mehrere Künstlerinnen haben die Täschchen in ihrer Arbeit verwendet und zu feministischen Accessoires umfunktioniert. Isa Genzken hat Beton in eine Lederhandtasche gegossen und damit eine Metapher für den Ballast geschaffen, den dieser Modeartikel bedeuten kann. Gleichzeitig ist das Beutelchen plötzlich ein Objekt von Gewicht - und vielleicht sogar eine Waffe. Man denkt an die ältere schwedische Dame Danuta Danielsson, die 1985 einen Neonazi mit ihrer Handtasche schlug. Und der inzwischen ein Denkmal gewidmet ist.
Konzept-Performance auf dem roten Teppich
Auch Pipilotti Rist benutzt Handtaschen als Skulpturen. Wer hineinsieht, schaut auf eingebaute Bildschirme und damit in eigene Welten. Ein Objekt, das oft mit Oberflächlichkeit verbunden ist, wird ein Portal ins Bodenlose und mit dem Inneren des Körpers verbunden.
Man kann Lizzos Täschchen natürlich als modische Luxus-Spielerei sehen. Aber man kann der "Self-Love"-Aktivistin auch durchaus eine Konzept-Performance zutrauen: Hier passt alles rein, was ich brauche, um schön genug zu sein.