Viel wurde in den vergangenen Wochen über Ai Weiwei diskutiert: Hat er Recht mit seiner Ansicht, dass Deutschland "keine offene Gesellschaft" sei? Wie wird das Leben in Cambridge, wo er nun hinziehen will, nach vier Jahren in Berlin? Und sollte er, wie nun von einigen Leuten empört verlangt wird, nicht mehr Dankbarkeit gegenüber dem Land zeigen, in dem er vor den Repressionen Chinas Zuflucht findet.
Ai Weiwei selbst war die letzten Wochen nicht nur mit seinem Umzug beschäftigt, sondern auch mit seiner Unterstützung des Protestes in Hongkong. Und dann ist da ja noch die Kunst: Am Sonntag geht in Düsseldorf die große Retrospektive zu Ende, wahrscheinlich mit einem Besucherrekord. Und kommende Woche eröffnet in Berlin eine Galerie-Ausstellung des 61-Jährigen: die dritte Einzelschau bei Neugerriemschneider. Darin sind sieben große Eisenskulpturen der Serie "Roots" zu sehen, die für eine Ausstellung im vergangenen Jahr in São Paulo entstanden sind und nun mit den Großbränden im Amazonas noch einmal Sprengkraft entwickeln.
Die Werke wurden nämlich von gigantischen abgestorbenen Wurzeln des in den Regenwäldern des brasilianischen Bundesstaats Bahia beheimateten Pequi-Baums abgeformt. Ai fügte fügte vor Ort mit seinem Team zwei bis drei Wurzelfragmente zu Holzskulpturen zusammen und ließ sie in China in Eisen gießen. Sieben dieser Gussarbeiten sind ab dem 6. September in Berlin zu sehen, andere im Oktober in der Lisson Gallery in London.
Es ist Zeit, wieder über die Kunst Ai Weiweis zu sprechen. Doch schnell steht fest, dass man diese Kunst kaum von seinem Leben und dem gesellschaftlichen Zusammenhang nicht trennen kann. Die "Roots"-Skulpturen seien "Hybride aus Natur und Kultur", heißt es im Pressetext, "die eine durch Industrialisierung und Modernisierung entwurzelte Gesellschaft repräsentieren und daran erinnern, dass Umweltzerstörung und Klimafolgen oft die Kehrseiten des Fortschritts sind." Das Amazonas-Feuer, Klimawandel, die Entwurzelung eines Künstlers, Heimatlosigkeit in einer globalisierten Welt - das alles steckt in diesen Kunstwerken. Kunst ohne Politik gibt es nicht bei Ai Weiwei.