Im Herbst 2013 kündigte Banksy an, er werde den ganzen Oktober im Rahmen eines Aufenthaltsstipendiums (Scherz!) in New York weilen und jeden Tag an einem anderen Ort der Metropole ein neues Werk schaffen. Diese Meldung versetzte die Stadt in einen Alarmzustand: Medien berichteten über jedes neue Graffito, Twitter- und Instagram-User machten sich bereitwillig auf die Schnitzeljagd, es kam zu Menschenaufläufen und Polizeieinsätzen.
Und tatsächlich war es ja auch ein Politikum: Der bekannteste aller Street-Art-Künstler, ein anonymer Brite, kommt in die Geburtsstadt des Graffiti. Es kann alles passieren.
Den Banksy-Wahnsinn jener Tage fängt die HBO-Doku "Banksy Does New York" ein, die nicht vom Künstler autorisiert wurde und die neuerdings bei Netflix zu sehen ist. Sie enthält beinah alles, was man über den Künstler wissen muss – kompensiert in der 31-Tage-Dramaturgie. Wie Banksy die sozialen Medien nutzt, die den öffentlichen Raum der Straße ins Digitale erweitern. Wie Kunstkritiker – unter anderem kommt "Hyperallergic"-Chef Hrag Vartanian zu Wort – auf die häufig trivialen Botschaften reagieren. Warum Graffiti-Künstler einige Pieces übermalen. Warum Banksy-Fans die gecrossten Wandbilder retten. Wie hilflos Politiker auf die zumeist illegalen Aktionen reagieren (Muss ich das verurteilen, damit es keine Schule macht? Oder ist das Werbung für meinen Stadtbezirk?) Und wie Leute mit der Kunst Geschäfte machen (unfassbar zynisch kommt in dem Film vor allem US-Galerist Stephan Keszler rüber, wie eine Karikatur auf den skrupellosen Kunstmarkt).
Irre Anmaßung
Tag für Tag ein neues Kunstwerk: Der Film erzählt im rasanten Tempo von den Hintergründen der Arbeiten, von rührenden Fans, eiskalten Hatern und gierigen Trittbrettfahrern. Es wird der ganze logistische Aufwand sichtbar, der hinter den Aktionen steht, aber auch die irre Anmaßung, mit dem Banksy die Stadt aufrollen will. Die Ambivalenz zwischen rebellischem Gestus der Street-Art einerseits und ihrer Bedeutung für Städtetourismus und Stadtquartier-Aufwertung anderseits erzählt der Film parallel anhand des Abrisses des Graffiti-Zentrums 5Pointz, das Hochhaus-Luxuswohnungen weichen musste.
Seither hat der Künstler nur noch zwei Arbeiten in New York hinterlassen. Wie würde eine Banksy-"Residency" wohl im Herbst 2019 aussehen? Sein Ruhm ist seither nur noch gewachsen, aber was könnte er dem Experiment von 2013 noch hinzufügen, außer natürlich einem erwartbaren Trump-Bashing? "Banksy Does New York" feiert die 31 Tage als singuläre Phase, als etwas, das gerade deshalb so schön ist, weil es vergeht. Als der Film 2014 veröffentlicht wurde, war nur noch ein einziges Kunstwerk im New Yorker Stadtraum übriggeblieben.