So sieht das also aus, wenn ein Schuss nach hinten losgeht, jemand als Tiger losspringt und als Bettvorleger landet oder aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird, um am Ende das Kind mit dem Bade auszuschütten. So muss man wohl die vorläufigen Ergebnisse der ILLICID-Studie verstehen, die den illegalen Handel mit Kulturgut untersuchen sollte.
Mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat ein Verbund aus Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften und dem Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) Methoden erstellt, um über zwei Jahre den Handel mit illegalen Antiken in Deutschland zu quantifizieren. Das Ergebnis: Als "projektrelevant" wurden über den gesamten Zeitraum 6.133 Objekte mit einem Wert von 1,69 Millionen Euro identifiziert. Gekostet hat der Spaß 1,2 Millionen Euro.
Das wäre immer noch gut investiertes Geld, hätte diese Untersuchung vor Verabschiedung des Kulturgutschutzgesetzes im Jahr 2016 stattgefunden. Dann hätte der Gesetzgeber bei Formulierung des Teiles, bei dem es um den illegalen Handel mit Antiken geht, zumindest gewusst, was er da reguliert. Denn bisher schwirrten völlig unhaltbare Zahlen durch Medien und Ministeriumsflure. Sechs Milliarden US-Dollar sollte der Handel mit geraubten und illegal ausgegrabenen Antiken weltweit jährlich betragen, der damit den legalen Markt für Antiken locker um ein Zehnfaches übersteigt, und damit wesentlich zur Finanzierung des Terrors in Syrien und im Irak beitragen. Und Deutschland sollte ein zentraler Umschlagplatz für diesen enormen Handel sein.
Woher diese Zahlen kommen, konnte niemand genau sagen. Bis heute ist die Leerformel von "Expertenschätzungen" gängig, am liebsten noch unter Berufung auf die Unesco, die sich aber ebenfalls nur auf ominöse Expertenschätzungen beruft. Erstmalig genannt wird die ominöse Summe von 6 Milliarden US-Dollar übrigens Mitte der 1990er von mehreren Publikationen, deren eine den Titel trägt "Experts say ...".
Auf der Strecke geblieben ist der deutsche Antikenhandel
Dass der Gesetzgeber sozusagen im Blindflug massiv in eine Branche und in Eigentumsrechte eingreift, ist schon einigermaßen bemerkenswert. Die Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel freut sich denn auch in einer Pressemitteilung über den ihrer Ansicht nach durch die Studie erfolgten "Freispruch für den Handel".
Doch Grund zum Jubeln hat haben die Branchenvertreter eigentlich nicht. Denn es waren wohl nicht zuletzt sie, die mit ihrem Wehklagen über das vermeintliche bürokratische Monster und die angeblich drohende Enteignung von Sammlern einen Massen-Exodus von Kunstwerken aus Deutschland kurz vor Inkrafttreten des Kulturgutschutzgesetzes überhaupt erst herbeigeredet haben. Fleißig geholfen haben dabei einige Medien, die sich im Namen der Verteidigung von Grundrechten auf teils untergriffige Kampagnen eingelassen haben.
Auf der Strecke geblieben ist bisher der deutsche Antikenhandel, der jetzt in Frankreich, Belgien, Österreich und der Schweiz stattfindet. Vielleicht ist es an der Zeit, dass sich alle Beteiligten – Gesetzgeber wie Vertreter des Kunsthandels, Sammler und Journalisten – den Schaum vom Mund wischen und Argumente austauschen statt Schlagworte.