Herr Hannebauer, es gibt nicht viele Softwareunternehmer, die Kunst sammeln. Können Sie Ihre Leidenschaft mit Ihren Kollegen teilen?
Das ist tatsächlich nicht immer leicht. Aber was uns Informatiker gerade mit den Videokünstlern verbindet, ist das Verständnis, dass man Dinge erschaffen und besitzen kann, die nicht unbedingt physisch sind. Für einen klassischen Sammler ist es ja gar nicht so leicht, zu definieren, was man da eigentlich erwirbt. Meinen Kollegen, die auch vorwiegend Virtuelles schaffen, ist das schneller begreiflich zu machen. Für mich war das auch eine Verlockung: Etwas zu sammeln, was am Ende ja nur eine Kombination aus Daten und Rechten ist.
Aber agieren Kunst- und Digitalwelt nicht doch vor geradezu konträren Parametern, etwa in Bezug auf die Frage des Werts? Hier der Einzelkämpfer mit dem Unikat, dort Teamwork und shared economy?
Als Softwarehersteller nutzen wir Open Source und tragen zu quelloffenen Projekten bei. Aber letztlich kreieren wir Software, die vereinzelt und somit kommerziell verwertbar wird. Gerade Künstler, die mit digitalen Medien arbeiten, sind an Fragen von Rechtemanagement, Blockchain und ähnlichem sehr interessiert und gucken sich an: Wie wird Authentizität geprägt, wie Vervielfältigungsrecht? Bei uns wie bei den Künstlern geht es letztlich um Nutzungsrechte, die ich veräußere. Aber natürlich haben Sie recht: Wir verkaufen unsere Produkte, anders als ein Videokünstler, nicht in Auflagen von fünf. In dieser Verknappung der Kunst liegt ja aber auch der Reiz.
Wie stehen Sie zu der vom Europäischen Parlament gerade verabschiedeten Urheberrechtsreform, die geistiges Eigentum im Digitalzeitalter schützen soll?
Der Schutz geistigen Eigentums ist sehr wichtig und Voraussetzung für die meisten, schaffend tätig zu werden. Am Ende sollte derjenige, der etwas geschaffen hat, auch bestimmen können, wie es eingesetzt wird. Dass große kommerzielle Plattformen verpflichtet werden sollen, Lizenzgebühren zu zahlen, ist darum keine schlechte Sache. Nur muss dies auf eine Art und Weise geschehen, die nicht in Zensur endet und künstlerischen Freiraum unmöglich macht. Das aber ist mit sehr großen Kosten verbunden, die diese Unternehmen scheuen und deshalb automatisierte Verfahren verwenden werden. Eine automatisierte Behandlung aber ist immer mit Fehlern behaftet – da liegt der Knackpunkt.
Sie haben 2010 begonnen, Kunst zu sammeln – woher stammt der Impuls, jetzt ein Privatmuseum zu eröffnen?
Wenn Sie ein Gemälde erwerben, hängen Sie das an die Wand. Und es verschwindet nicht, wenn Sie das Haus mal verlassen. Wenn man digitale Kunst sammelt, ist das anders, weil sie oft nur in Form eines Screenings eine Präsenz hat. Genau das fand ich aber zu bibliothekarisch. Das ist so, als wenn ich ein Buch ins Regal stelle und nur ab und zu mal rausnehme und darin blättere. Daher hatte ich schon früh den Impuls, die Videos dauerhaft laufen zu lassen. Auch wenn ich einmal nicht da bin, sollten sie ihr Leben weiterleben können. Damit allerdings stößt man bald räumlich an Grenzen – daher ergab sich die Wahl für einen größeren Ort fast zwangsläufig. Ich spreche aber auch nicht von einem Privatmuseum, sondern es handelt sich um ein Wohnhaus in Kombination mit einer Sammlungspräsentation, die an Samstagen öffentlich zugänglich sein wird.
Empfinden Sie die Kunst als Erholung oder Anregung? Ist sie ein Investment?
Investment sicher nicht – bislang hat sich ja noch nicht mal erwiesen, ob Videokunst überhaupt handelbar ist nach dem Erstverkauf. Für mich ist es ganz klar eine Abgrenzung zu meinem Beruf, etwas dass meinen Horizont erweitert und auch zu neuen Freundschaften geführt hat. Und es ist ein Hobby, bei dem ich mich nicht verpflichtet fühle, irgendeine Leistung abzuliefern. Ich habe schon vor mehreren Jahren angefangen, Künstler auch bei der Produktion zu unterstützen. Aufgrund der hohen Produktionskosten läuft das ein bisschen wie beim Film: Künstler suchen sich vorab Geldgeber. Für mich bedeutet das mehr Kontakt zum Künstler, mehr Verständnis für Ideen und Technik. Und für mich ist es auch so etwas wie die nächste Stufe des Sammelns. Früher habe ich eher auf Messen gekauft, jetzt finde ich es spannender und irgendwie natürlicher, die Kunst schon beim Entstehen zu sehen. Der Haken: Möglicherweise ist die Arbeit, die dabei herauskommt, gerade nicht die, die man hätte kaufen wollen. Aber das Risiko gehört dazu.
Sie besitzen Arbeiten von Omer Fast, Hito Steyerl, William Kentridge oder Hiwa K. Warum zeigen Sie zur Eröffnung Ihrer Sammlung den eher unbekannten Niederländer Guido van der Werve?
Weil er mehr Aufmerksamkeit verdient, und es mir nicht darum geht, Erwartungen zu erfüllen. Guido van der Werve hat viel in Holland und den USA ausgestellt, aber er ist in Deutschland bislang noch nicht ausreichend bekannt. Er verbindet Musik mit physischer Ausdauer und einer besonderen visuellen Poesie, die bei ihm immer biografisch verankert ist. Durch einen schweren Unfall hat er gerade einen Wendepunkt hinter sich – die Ausstellung wird sein Schaffen vor und nach diesem Einschnitt beleuchten.