WM-Stadt Jekaterinburg

Museumsdirektorin wirbt um Verständnis für Jelzin-Ära

Foto: Diane Lu Hovasse/epa/dpa
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Der russische Präsident Boris Jelzin (links) steht im August 1991 in Moskau auf einem Panzer, der vor dem Gebäude der Russischen Föderation steht, während seine Unterstützer eine russische Flage hochhalten

Die 1990er Jahre unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin gelten in Russland als Zeit des Chaos mit Armut, Gewalt und dem Aufstieg der Oligarchen. "Die Wahrnehmung ist deutlich kritischer geworden", sagte die Direktorin des Jelzin-Museum in dem WM-Spielort Jekaterinburg, Dina Sorokina, der Deutschen Presse-Agentur

"Es ist einfach für die Menschen, Jelzin und seine Regierung für alles verantwortlich zu machen, für die ganzen Probleme." Doch die Zeit des ersten frei gewählten russischen Präsidenten (1991-1999) dürfe keinesfalls unterschätzt werden, warnte Sorokina.

"Das Gewicht, das während der 1990er auf Jelzins Schultern lastete, war enorm", so die Direktorin. "Das war eine Zeit, als das Land mit den Problemen kämpfte, die es von der Sowjetunion geerbt hatte, den Verpflichtungen wie dem Atomarsenal, den Schulden und den Krediten." Und dennoch habe es Jelzin unter schwierigsten Umständen geschafft, eine neue und demokratische Verfassung durchzusetzen und dabei das Land vor dem Zerfall zu schützen. "Man musste erfindungsreich und kühn sein und sehr schwierige Entscheidungen treffen."

Das präsidentielle Zentrum mit angeschlossenem Museum wurde im November 2015 von Jelzins Nachfolger Wladimir Putin eröffnet, der seit 2000 an der Macht ist. Jelzin (1931-2007) wurde im Dorf Butka geboren, rund 250 Kilometer östlich von Jekaterinburg.

Sorokina sieht ihre Aufgabe auch darin, gerade Schüler und Studenten über die Jelzin-Ära zu informieren. "Die Zeit wird in der Schule nicht so stark abgedeckt wie andere Epochen, und das ist natürlich ein Problem", sagte sie.

"Die 1990er Jahre werden heute meistens nicht sehr positiv dargestellt. Schüler könnten beeinflusst werden von Leuten, die die Zeit der 1990er ausnutzen, um ihre eigenen politischen Positionen durchzusetzen", warnte Sorokina. Putin, der am Silvesterabend 1999 von Jelzin als Nachfolger vorgeschlagen worden war, wird von Staatsmedien als Anker und Stabilisator des Landes nach den "wilden 1990er Jahren" dargestellt.