Monica Bonvicini in Bielefeld

Ein subtiler Tritt unter die Gürtellinie

Monica Bonvicini, "Guilt", 2020
Foto: Jens Ziehe

Monica Bonvicini, "Guilt", 2020

In ihrer Ausstellung "Lover's Material" in der jetzt wiedereröffneten Kunsthalle Bielefeld formuliert die Berliner Künstlerin Monica Bonvicini Institutionskritik auf elegante Weise

Zu ihrem Auftakt als erste Direktorin in Bielefeld holt Christina Végh sich mit Monica Bonvicini eine starke Künstlerin in die noble Kunsthalle. Die Italienerin, die mit legendär wütenden Arbeiten Architektur gewordene Machtstrukturen im Kunstbetrieb und anderswo direkt und physisch torpedierte, schöpft in dem modernistischen Vorzeigebau routiniert aus ihrem mittlerweile ikonischen Vokabular und gibt sich très à la mode: Ein riesiger Bodenteppich zeigt zahllose Hosen, die sie sich allerorten vom Leib streift und abfotografiert.

Getragene Jeans symbolisch ins hegemoniale Schlachtfeld Museum zu werfen ist sicher ein reviermarkierendes, auch feministisch lesbares Statement; die Arbeit fällt buchstäblich etwas flauschig aus. Die Haustechnik poliert öffentlich ein großflächiges Aluminiumpaneel, auf dass man sich verzerrt darin spiegele – hier wird das Reinigungspersonal zu Protagonisten erhoben.

Für die "Domestizierung" und "ästhetische Dekonstruktion" der Museumsräume, wie der Pressetext formuliert, schmiegt sich die Institutionskritik allerdings einigermaßen elegant an ihren Gastgeber. Ein subtiler Tritt unter die Gürtellinie sind die in Glas gebannten Schwänze, die traurig herunterhängen – "Guilt" heißt die Arbeit, das männliche "Lover’s Material" zeigt seine Schwächen. Da baumeln sie nun, immer für ein Kichern bei Schulklassen gut.

In den starken Momenten blendet die Schau Ikonen westlich-maskuliner Selbstvergewisserung aus Kunst und Pop ineinander. Der Marlboro Man wird blass, Duchamp, Sol LeWitt und Dan Flavin fasst die Künstlerin frech unter dem Titel "All The Pretty Horses" zusammen, und als berechtigte bottom line klingt eine Warnung durch: Das könnte hier alles auch ganz anders sein, Jungs.

Manche der kritischen Impulse jedoch, die von den schicken Oberflächen ausgehen sollen, wollen in Bielefeld nicht richtig Fahrt aufnehmen. Ausstellungen Bonvicinis wünscht man sich mit noch mehr Wumms – doch die kubische Trutzburg des Architekten Philip Johnson hält dagegen.