Früher habe es gereicht, eine Kiste Bier in die Galerie zu stellen und Joseph Beuys einem toten Hasen die Kunst erklären zu lassen, damit der Laden brummte. Heute aber laufe es schlecht, niemand gehe mehr in Galerien, und nur noch Larry Gagosian verkaufe seinen Koons. Ein Klischee – aber ungefähr so klingt es manchmal, wenn man in jüngster Zeit mit Galeristen spricht. Wie können sich mittelständische Galerien trotzdem behaupten?
Das Geschäft ist schwieriger geworden, keine Frage. Hatten die meisten Marktteilnehmer gehofft, dass man sich nach der Finanzkrise nur in einer Konjunkturdelle befinde, ist inzwischen allen klar, dass sich die Strukturen des Markts und der Kunstvermittlung geändert haben. Ob etablierte Galerie oder Newcomer: Das Geschäft ist für alle schwieriger geworden, der Spagat zwischen der eigenen Liebe zur Kunst und dem Umsatzdruck wird zur Zerreißprobe.
Michael Schultz betreibt seine Berliner Galerie seit 31 Jahren. Die Beschleunigung des Geschäfts hat er miterlebt: "Ja, die Schlagzahl hat sich deutlich erhöht. Das liegt zum einen an der Begehrlichkeit, dem Run, der seit einem guten Jahrzehnt über die bildende Kunst hereingebrochen ist. Kunst ist zur Kapitalanlage geworden – wer hätte das vor 20 Jahren gedacht, als es noch verpönt war, mit der Arbeit von Kunstschaffenden Geld zu verdienen? Die Nullzinspolitik der Zentralbanken spült zurzeit viel Geld in den Kunstmarkt, was die Arbeit der Galeristen verändert. Aus idealistischen Überzeugungstätern werden Kunsthändler: Nur wer diesen Schritt mitgeht, kann überleben. Die klassische Programmgalerie stirbt immer mehr aus."
Gleichwohl hat er die Zahl seiner Messeteilnahmen um zwei auf fünf reduziert und geht nur noch auf "Messen, die seit vielen Jahren zu unserem festen Programm gehören. An all diesen Orten haben wir über die Zeit gute Kontakte zu Sammlern aufgebaut, die gilt es zu pflegen. Doch genauso wichtig sind die Messeauftritte als Schaufenster unserer Arbeit. Wir nutzen die Konzentration der kompakten Zielgruppen, um auf die Arbeit unserer Künstler aufmerksam zu machen. Messe ist Markt, und dort gehören wir hin."
Die Kunstmesse Art Karlsruhe (22.-25. Februar) hat dabei für ihn einen besonderen Stellenwert: "Karlsruhe ist Heimat für mich. Ich komme aus dem Schwarzwald, alleine das schafft Verbindung. Entscheidend für unsere langjährige Wiederkehr sind aber auch das professionelle organisatorische Handling und ein aufgeschlossenes und kauffreudiges Publikum."
Ein Neuling in Karlsruhe ist Guido Maus. Aus dem deutschsprachigen Teil Belgiens stammend, hat er eine Galerie in Birmingham im US-Staat Alabama eröffnet. Will er nicht auf lokalem Niveau hängenbleiben, muss er sich international einen Namen aufbauen, denn im snobistischen New York hat man auf den "Hillbilly" nicht gewartet. Und zur Internationalität gehören Kunstmessen. Allerdings macht Maus eine Einschränkung: "Messen sind nur sinnvoll für Galerien, die ihren eigenen Stellenwert sowie den der jeweiligen Messe korrekt und realistisch einschätzen." So wie er an die Chancen seines Standorts an der Peripherie glaubt, ist er vom Geschäftsmodell Galerie überzeugt: "Der Schwerpunkt jeder Galerie, die überleben will, muss jedoch im Programm verwurzelt sein. Der Fokus muss ein langfristiger sein und auf dem Karriereaufbau der Künstler beruhen. Vor allem muss man seine Künstler im Sinne eines wahren Galeristen vertreten, nicht als supermarktgleiche Kunsthändler."
Für den Berliner Alfred Kornfeld ist der Kontakt mit dem Publikum der Schlüssel: "Die 'Berufung' Galerist hat – neben der fachlichen Kompetenz – vor allem mit Kommunikation zu tun, mit Liebe zur Kunst, aber auch zu den Menschen. Kunst ist ja immer auch persönlich, lebendig. Wir knüpfen möglichst dichte Netzwerke, tauschen uns aus, organisieren in unserer Galerie Künstlergespräche, laden zu Vernissagen ein, sind permanenter Ansprechpartner im Kontext unserer Leidenschaft: der Kunst. Wir erkunden beispielsweise, was unsere Kunden über die Kunst hinaus bei der Planung eines Berlin-Wochenendes interessieren könnte, sprechen Empfehlungen für Ausstellungen bei anderen Galerien aus und so weiter."
Kornfeld glaubt fest an die Galerie als zentralen Ort der Kunstvermittlung: "Selbstverständlich hat die Galerie eine Überlebenschance. Galeriearbeit bedeutet, persönliche Beziehungen zu Sammlern und anderen Gleichgesinnten aufzubauen und zu pflegen, um die Auseinandersetzung mit Künstlern und ihren Kunstwerken zu ermöglichen. Ausstellungen, Künstlergespräche, Kooperationen mit Kuratoren, Galerien und Institutionen, Publikationen – dafür brauchen wir die Galerie. Natürlich muss wirtschaftlich gehandelt werden, es geht auch stark um Kalkulation und Budgets." Den digitalen Wandel sieht er als Chance: "Die digitale Kommunikation verändert das Galeriegeschäft. Instagram und der Onlinehandel werden immer intensiver genutzt werden, hier passen wir uns dem Markt und seinen Kommunikationsmechanismen an."
Daneben haben aber auch regionale Messen wie die Art Karlsruhe einen festen Platz in seinem Konzept: "Die Art Karlsruhe verfügt über einen großen regionalen Einzugsbereich. Man erreicht hier viele Kunstbegeisterte, da die Hemmschwelle niedriger ist. Das strahlt diese Messe aus."