The Armory Show

Mieten billig, Kleidung egal, Kunst super: New York macht auf Berlin

Alle sind sich zwar darin einig, dass sich etwas geändert hat nach den feisten Boom-Jahren. Aber was genau, lässt sich gar nicht so einfach sagen – abgesehen davon, dass die Garderobe der artlovers dezenter und langweiliger geworden ist: Nur hier und da knallt auf der Eröffnung der Kunstmesse The Armory Show in New York mal die rote Sohle eines Christian-Louboutin-Stilettos unterm ansonsten schwarzen Outfit heraus.

 

Doch Rezession hin oder her: Rund um die Armory, nach der Art Basel/Miami Beach die zweitwichtigste US-Messe für zeitgenössische Kunst, sind in diesem Jahr ganze zehn weitere Messen entstanden. Darunter die von der Grande Dame der Kunstberatung, Thea Westreich, und der Chelsea-Galeristin Elizabeth Dee gegründete Independent in den Hallen des ehemaligen Dia-Centers. Die neue Messe Pool bespielt das Gershwin Hotel, in dem sonst die Kunstszene gerne absteigt – mit rund 1.500 Dollar pro Raum für die gesamte Laufzeit sicher eine der preisgünstigsten Ausstellungskojen.

 

Auch wenn man sich die Ausstellerliste der Armory selbst anschaut, kann „less is more“ bei der Galerienauswahl eigentlich nicht das Credo gewesen sein: 289 Galerien unterschiedlicher Qualität sind auf die zwei Hallen an Pier 92 und 94 verteilt. Für starke inhaltliche oder auch nur visuell besonders einprägsame Statements haben sich wenige Galerien entschieden – „von jedem ein bisschen“ ist die häufigste Präsentationsform.

 

Wo ist Damien Hirst?

Eine fast drei Meter hohe Piraten-Statue aus Aluminium beim poppigen Pariser Galeristen Emmanuel Perrotin von Peter Coffin („Pirate“, 250.000 Dollar, Auflage: 3) zählt zu den optischen landmarks und war am Eröffnungsabend bereits verkauft. Für 350.000 Dollar gab es bei Hauser & Wirth etwas weniger Blech: Eine circa 40 Zentimeter hohe goldfarbene Skulptur von Paul McCarthy („Moeko Brass 1“ von 2009) fand für 350.000 Dollar ebenfalls sogleich einen Sammler. Die Installation „Disco 'Soon'“ aus Isa Genzkens New-York-Serie – eine postapokalyptische Party-Assemblage – dürfte auch bald verkauft sein, wenn die Galerie Genzkens exzellenten Ruf endlich auch international ausbaut.

 

White Cube zeigt (wie meistens) von den Bestsellern der Galerie je eine mehr oder weniger spannende Arbeit oder Serie – Baselitz hängt neben Tracey Emin, den Rest vergisst man irgendwie leider gleich wieder. Nur dass Damien Hirst in seiner Stammgalerie dieses Mal komplett fehlt, fällt auf. Ist der Mann, der den Boom verkörperte wie kein anderer und dadurch zum Buhmann der Branche wurde, nun auch seinem eigenen Galeristen peinlich? Das macht die Sache nicht besser – und den Auftritt von White-Cube-Chef Jay Jopling auch nicht.

 

Die Düsseldorfer Galerie Sies+Höke hat ihre lange Koje mit Arbeiten von Kris Martin in einen Canyon verwandelt: Anlässlich einer Ausstellung in Aspen hatte der belgische Künstler acht mannshohe, schmale Gesteinsbrocken an ihrem kurzen Ende so abgesägt, dass sie ohne Sockel aufrecht stehen können. Jetzt sind die Stelen wie eine Gruppe stummer Reisender hier versammelt, und nur wer genau schaut, entdeckt die winzigen Gipfelkreuze auf jedem einzelnen. Dann verschieben sich die Dimensionen plötzlich noch mal, ganz nach Kris-Martin-Art: Ein Gebirge tut sich auf, in dem man selbst herumspaziert wie ein Riese. Als ganze Arbeit konzipiert, fand „Summits“ für 200.000 Dollar gleich einen Käufer. So trat die Galerie nebenbei den Beweis an, dass nicht nur leicht abtransportierbare Ware auf Messen Sinn haben.

 

Fokus Berlin

Einigermaßen nonkonform ist auch die Entscheidung des Berliner Galeristen Christian Nagel, ausschließlich Videos zu zeigen (Keren Cytter, Kader Attia, Sven Johne, Hanna Schwarz). Er ist einer der 22 Berliner aus der Abteilung „Armory Focus: Berlin“, der auch Barbara Weiss (mit Monika Baer), Johann König (Annette Kelm, Michael Sailsdorfer), Crone (Norbert Bisky) und Gudio W. Baudach (Thilo Heinzmann, Thomas Zipp, Erik van Lieshout) angehören. Die Messeleitung unterstützte die Berliner mit günstigen Kojen und bei den Transportkosten laut „The Art Newspaper“ eine Ersparnis von mindestens 3.000 Dollar pro Galerie.

 

Die Berliner Erfolgsformel „billige Mieten machen Kunst möglich“ gelten augenblicklich auch ganz generell in New York – denn nicht zuletzt hat auch der krisengeschwächte Immobilienmarkt dazu beigetragen, dass in diesen Tagen so viel Kunst auf einmal in der Stadt gezeigt wird.


Bis 7. März. Informationen unter www.thearmoryshow.com