Papst Johannes Paul II. vom Meteor niedergestreckt, Hitler als schuldbewusster Beichtknabe, ein goldenes Klo oder eine an die Wand geklebte Banane: Maurizio Cattelan gilt als der große Provokateur der Kunstwelt. Die ironisch-witzigen Werke des in New York lebenden Italieners machen regelmäßig Schlagzeilen. Cattelan, der am Montag (21. September) 60 Jahre alt wird, verweigert sich auch immer wieder gern dem Kunstbetrieb. "Ich sehe mich gar nicht als Künstler an", sagte er dem Online-Magazin "Artspace". "Ich mache Kunst, aber das ist mein Job."
Eigentlich hatte Cattelan 2011 seinen Rückzug aus der Kunstwelt angekündigt - nachdem er einen Großteil seiner bis dahin erstellten Werke für eine Retrospektive im New Yorker Guggenheim Museum von der Decke hängen lassen hatte. Ihm falle nichts mehr ein, er wolle keine Kunstwerke mehr schaffen, hatte er damals in einem Interview gesagt. "Wenn man in einer Band wäre, würde man das Gefühl haben, dass man sich selbst wiederhole."
Aber dann meldete Cattelan sich auf furiose Art und Weise zurück: 2016 schuf der Künstler eine goldene und voll funktionsfähige Toilette für das Guggenheim Museum - und verursachte damit mal wieder Schlagzeilen, lange Schlangen und Selfies. "Es besteht das Risiko, dass die Menschen das als Witz sehen, aber ich sehe es nicht als Witz", sagte Cattelan dazu. "Es ist nicht meine Aufgabe, den Menschen zu sagen, was ein Werk bedeutet. Aber ich glaube, dass die Menschen eine Bedeutung in diesem Werk sehen werden."
Das Weiße Haus von US-Präsident Donald Trump lehnte eine vom Guggenheim Museum angebotene Leihgabe des Klos ab. Kurz darauf wurde das mehr als fünf Millionen Euro teure Klosett an anderer Ausstellungsstelle gestohlen. Eine Bande entwendete es aus dem britischen Blenheim-Palast, dem Geburtsort des früheren Premierministers Winston Churchill (1874-1965). "Als sie mich heute Morgen mit der Nachricht geweckt haben, habe ich zuerst gedacht, das ist ein Scherz", sagte Cattelan damals der "New York Times". "Wer ist denn so blöd, eine Toilette zu stehlen? Ich hatte für eine Minute vergessen, dass sie aus Gold ist." Zwei Verdächtige wurden vorübergehend festgenommen, bislang ist das goldene Klo aber nicht wieder aufgetaucht.
Kurz darauf gab es den nächsten Cattelan-Skandal: Auf der Art Basel / Miami Beach 2019 ließ der Künstler eine Banane mit Klebeband an der Wand befestigen, betitelte das Ganze "Comedian" und setzte einen Preis von 120 000 Dollar fest. Der Aktionskünstler David Datuna riss die Banane daraufhin von der Wand und verspeiste sie, ein Video davon wurde im Internet zum Hit. "Es ist mir total egal, dass sie gegessen wurde, denn was zählt, ist nur die Idee", kommentierte Cattelan in der Zeitung "Corriere della Sera". "Es wird immer jemanden geben, der meine Puppen herunter reißt, der meine goldene Toilette stiehlt oder meine Banane isst." All das unterstütze seine künstlerische Erzählweise.
Hinter der ironisch-witzigen Oberfläche vieler Werke des 1960 in Padua geborenen Künstlers steckt deutlich mehr: Das ausgestopfte Eichhörnchen, das sich am gelben Küchentisch umgebracht hat ("Bidibidobidiboo", 1996), ist Cattelans Art, mit seiner traurigen Kindheit in Padua fertig zu werden. Mit vielen Selbstporträts in unterschiedlichen Posen stellt er sich selbst bloß. In der Finanzkrise schuf er "L.O.V.E", die Marmorskulptur eines ausgestreckten Mittelfingers.
Cattelan, der mehrfach auf der Biennale in Venedig ausstellte und dessen Werke in Museen weltweit vertreten sind und bei Auktionen Millionenbeträge einbringen, beschäftigte sich in seinem künstlerischen Schaffen auch viel mit dem Tod. Für die Synagoge Stommeln entwickelte Cattelan eine zweiteilige Installation, "in der Religion und Geschichte verzweifelt gegen die überlegene Macht des Todes ankämpfen". In der Coronavirus-Pandemie ließ Cattelan zuletzt Freunde und Bekannte wie Michael Stipe oder Iggy Pop in Zusammenarbeit mit dem New Yorker New Museum Gute-Nacht-Geschichten vorlesen.
Zur Kunst sei er per Zufall gekommen, erzählte Cattelan "Artspace". "Jemand hat mir mal erzählt, dass es ein sehr profitabler Beruf sei, dass man viel reisen könne und viele Mädchen kennenlernt. Aber all das stimmt nicht, es gibt kein Geld, keine Reisen, keine Mädchen. Nur Arbeit. Das stört mich aber gar nicht. Sondern ich kann mir gar nichts anderes vorstellen. Es gibt, immerhin, ein gewisses Maß an Respekt."