In London werden Henry Moore und Zaha Hadid ein überraschend schönes Paar

Darauf muss man erst mal kommen: dass Zaha Hadid und Henry Moore demselben künstlerischen Universum angehören könnten. Um die beiden zu paaren, bedarf es schon eines kuratorischen Geniestreiches. Der war bis Mitte November 2008 bei Hauser & Wirth Colnaghi in London zu besichtigen: Hadid gestaltete die Ausstellungsräume und entwarf die Trägerstrukturen zur Präsentation von Werken Moores aus der Sammlung seiner Familie, entstanden in einem Zeitraum von fünf Jahrzehnten. Moores kurvenreiche menschliche und landschaftliche Formen, umgesetzt mit altmodischen Materialien wie Bronze, Stein, Beton oder Papier, wurden
auf das Schönste ergänzt von den verführerisch glänzenden, an Aliens oder Reptilien erinnernden Kurven Hadids, auf denen sie ruhen. Zwei große Künstler des Amorphen – ihre Geister trafen sich, und es war Liebe auf den ersten Blick. Als Person gleicht Hadid einem islamischen Sultan aus dem Mittelalter: Sie ist gewandet in Gold und Schwarz, ein prachtvoller, schillernder Käfer. Mit tiefer, brummender Stimme kommandiert oder verwünscht sie die Sklaven (Assistenten), die sich in ihrem Büro im Norden Londons tummeln. Henry Moore, der 1986 starb, entstammte einer Bergarbeiterfamilie. Er war bodenständig, rauchte Pfeife und sprach mit
breitem Yorkshire-Akzent. Obwohl seine Kunst ihn reich machte, hielt er zeitlebens an seiner Arbeitsethik fest. Er war ein Verfechter des Schwierigen und Sperrigen. „Um etwas zu wissen, muss man das Gegenteil tun“, sagte Moore und: „Das Geheimnis des Lebens besteht darin, eine Aufgabe zu haben, etwas, dem man seine ganze Exis tenz widmet, alles, was man hat, jede Minute seines restlichen Lebens. Das Wichtigste aber ist: Die Aufgabe muss unerfüllbar sein.“
Hadids Ausstellungsdesign ist selbst ein bildnerisches Statement. Es hätte befremdlich und misstönend wirken können, doch der Effekt auf die Werke von Moore ist genau richtig – Hadids Kreationen hauchen ihren fließenden, organischen Formen neues Leben ein. Ein wahrlich seltsames Paar: der König und die Kö nigin des Exquisiten in einer Welt der ironischen Verzweiflung.

 

Hauser & Wirth, London, 15. Oktober bis 14. November 2008