Fotoschau in Köln

Laif dabei

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Seit 40 Jahren dokumentieren die Fotografinnen und Fotografen der Agentur Laif das Weltgeschehen. Eine Ausstellung in ihrer Geburtsstadt Köln gratuliert nun zum Geburtstag - und zeigt eine Branche im Umbruch

Polizisten, die auf Demonstranten einknüppeln, bilden den Auftakt der aktuellen Fotoschau im Museum für Angewandte Kunst in Köln (MAKK). Die verstörenden Aufnahmen während einer Anti-AKW-Demonstration in Brokdorf 1981 wurden von Günter Beer und Manfred Linke gemacht. Gemeinsam mit den Fotografen Jürgen Bindrim und Guenay Ulutuncok brachten sie eine „Brokdorf-Broschüre“ heraus, die letztlich in die Gründung der Fotoagentur Laif mündete. Das erste Büro fand seinen Platz in Linkes WG in der Kölner Südstadt. Ziel war es, politische und historische Ereignisse zu dokumentieren. "Mit Haltung", wie Linke untermauert. Der Name wurde kurzerhand einer Wuppertaler Band entlehnt, die sich aufgelöst hatte, erinnert aber zugleich an das legendäre US-Magazin "Life", das mit Fotoreportagen von unter anderen Margaret Bourke-White und Andreas Feininger brillierte.

Ein geschickter Zug, referiert der Name doch in idealer Weise an das Welt-Geschehen, das von Pressefotografen vielfach live im Bild festgehalten wird. Köln als Lokalität für ein derartiges frühes "Startup" bot sich an. Schließlich war die Metropole am Rhein damals schon mit der Leitmesse für Foto, Film und Imaging Photokina (bis 2018), den Fotografen August Sander und Chargesheimer sowie nicht zuletzt mit dem Sammlerpaar Fritz und Renate Gruber ein bedeutender Foto-Standort.

Was als Südstadt-Baby begann, reifte zu einer stattlichen Institution heran. Heute sitzt Laif in Köln-Nippes und vertritt 400 Fotografen und Fotografinnen weltweit, darunter zahlreiche, die mit dem World Press Photo Award oder dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurden. Sie alle haben sich dem Bildjournalismus mit einem Fokus auf Reportage- und Reisefotografie bis hin zu essayistischen Arbeiten verschrieben. Auf den Fundus mit 16 Millionen Bildern greifen neben inländischen Zeitungen und Magazinen zunehmend auch Organisationen wie die Bundeszentrale für politische Bildung, Unicef oder Greenpeace zurück. Umgekehrt wird die Agentur auch von der "New York Times" mit Bildmaterial beliefert.

Forografen wollen die Agentur zurück

Dennoch sieht sich Laif mit Umsatzrückgängen konfrontiert – vor allem bezogen auf die Reisefotografie, die heute von jedem Laien mit dem Smartphone betrieben wird. Die sinkende Nachfrage seitens der Printmedien war nur ein Grund, weshalb sich die Agentur verkleinern musste. So arbeiten im Büro in der Neusser Straße aktuell nur noch 13 Festangestellte, im Vergleich zu 40 vor mehr als zehn Jahren. Nach einem ersten Verkauf an Ddp Images 2015 erfolgte im vergangenen Jahr die Übernahme durch die Action press AG. Derzeit gibt es Bestrebungen seitens der Fotografen selbst, sich die Agentur als Genossenschaft "zurückzuholen", ähnlich wie es vor Jahren auch schon die Berliner Zeitung "Taz" erfolgreich praktizierte.

Da kommt eine Jubiläumsschau, die an die Qualität der Agentur erinnert, gerade zur rechten Zeit. Hierfür wählte Kurator Peter Bialobrzeski, seit 1995 selber Mitglied der Agentur, gemeinsam mit Manfred Linke und Peter Bitzer, dem ehemaligen Laif-Geschäftsführer, 40 Serien von Kolleginnen und Kollegen aus, die sich mit ihren Fotografien entweder hinsichtlich der Dokumentation herausragender Ereignisse oder aber künstlerisch einen Namen gemacht haben.

"Die Auswahl repräsentiert nicht das Laif-Archiv, sondern Themen, die eine Relevanz in der gesellschaftlichen Debatte haben", betont Bialobrzeski. "Sie umfasst vier Jahrzehnte Zeitgeschichte und zeigt, wie sich die fotografische Ästhetik und Arbeitsweisen verändert haben". Das Konzept sah vor, die Bilder – in Reminiszenz an den klassischen Reportage-Journalismus – auf Zeitungspapier gedruckt chronologisch zu hängen. Auf Brokdorf folgen Aufnahmen von Menschen an der Mauer (1990) von Bettina Flitner, dem ersten weiblichen Mitglied von Laif. Auch Fotos von Regina Bermes sind zu sehen, die als Laborantin angefangen, als Fotografin weitergemacht und schließlich die einzige weibliche Gesellschafterin von Laif war. Wie Flitner repräsentiert auch sie die Community, die Laif von anderen Agenturen abhebt. Regelmäßig gibt es Agentur-Treffen, die den Austausch und Beratung innerhalb "der Familie" ermöglichen.

Von Christo bis zur Flutkatastrophe

Weitere Themen sind – um nur einige zu nennen – die Berliner Reichstagsverhüllung von Christo-Hoffotograf Wolfgang Volz, illegaler Tierhandel, Sterben in Deutschland, Sexarbeiterinnen, Sun City, die Corona-Pandemie, der Hambacher Forst sowie schließlich die Flutkatastrophe im Ahrtal. So wird die ganze Bandbreite der Dokumentar-Fotografie sichtbar: Angefangen bei den schwarzweißen Protestbildern der frühen 80er-Jahre, über die Farb- und Digitalfotografie der 90er, bis hin zu den Fotografien der 2000er, die häufig von konzeptionellen und ästhetischen Überlegungen geprägt sind.  

Zu letzterer Kategorie gehört der vielfach ausgezeichnete Fotograf Henrik Spohler. In seiner 2012 entstandenen Serie "The Third Day" erzählt er anhand der Schöpfungsgeschichte, wie der Mensch das Wach­sen und Gedei­hen seinen Bedürf­nis­sen ange­passt und in einen indus­tri­el­len – und mehr noch gentechnologisch manipulierten – Pro­zess ver­wan­delt hat. Und auch Bialobrzeski selbst präsentiert mit seinen "Neon Tigers" eine sich verändernde Welt. Diesmal sind es sechs Mega-Cities in Asien, die er während einer zweijährigen Rundreise (2000 bis 2002) fotografiert hat. Die Bilder scheinen keine reale Welt mehr zu spiegeln, sondern erinnern an Science-Fiction-Kulissen aus Blade-Runner.

"Ich habe die Städte nicht fotografiert, um zu zeigen: 'so sieht es in diesen Städten aus', sondern 'so fotografiere ich sie'", stellt der Fotograf klar. 2004 seien die Fotos "durch die Decke gegangen". Die Arbeit wurde von World Press Photo prämiert und in 20 internationalen Zeitungen publiziert. Zunächst als erfolgreicher Magazinfotograf unterwegs, wird der Wahl-Hamburger inzwischen mit eigenen Buch- und Ausstellungsprojekten im Kunstkontext gehandelt.

Preise und Ausstellungen statt Magazine

Damit verkörpert er einen Trend, den er als Professor für Fotografie auch bei seinen Studierenden feststellt. "Während früher Magazine im Vordergrund standen, versuchen junge Fotografen heute schon während des Studiums, sich über Preise, Stipendien und Ausstellungen zu definieren". Auch das Geschlechterverhältnis habe sich verkehrt, so der Kurator. Seien es in seiner Studienzeit Anfang der 90er noch acht Männer und eine Frau gewesen, so sei es heute genau umgekehrt.  

Ebenfalls World-Press-Gewinner ist Christoph Bangert, der mit Kriegsfotografien aus seinem Foto-Buch "War Porn" vertreten ist. Seine dort abgebildeten Leichen aus Afghanistan – die ihrer Grausamkeit wegen nie publiziert wurden – hat Bangert für die Ausstellung mit Klebestreifen abgedeckt. Und doch erinnern sie sofort an aktuelle Fernsehbilder aus Butscha, die schonungslos die getöteten Zivilisten im Ukraine-Krieg zeigen. Über den Umgang mit dem Schrecklichen, dem sich vor allem Kriegsreporter immer wieder ausgesetzt sehen, sagt Manfred Linke: "Die Kamera hilft, Dinge zu tun, die man ohne sie nicht tun würde". Damit steht er nicht allein. Für wohl die meisten Fotografinnen und Fotografen, die sich in die Krisenregionen der Welt begeben, ist die Kamera ein Schutzschild, das als Abgrenzung zum Opfer dient. Nur so ist das Leid zu ertragen.