Max und Corina Krawinkel

Kinderstube Kunstmesse (1)

MAX KRAWINKEL: Für meine Eltern war Kunst ein Hobby, für uns Kinder eine Verpflichtung. Wir mussten uns benehmen, wenn wir bei Sammlern waren, auf Ausstellungen oder Messen. Als Kinder wollten wir natürlich lieber draußen spielen. Deswegen hatte ich als Heranwachsender wohl auch eine Phase, in der ich mich überhaupt nicht mehr mit Kunst beschäftigt habe.

CORINA KRAWINKEL: Für meinen Vater gab es nur Sport, aber meine Mutter interessierte sich sehr für Kunst und gab das an uns Kinder weiter. Sie fuhr mit uns nach London und Paris, wir besuchten das Jeu de Paume und den Louvre. Eine Phase der Abgrenzung gab es für mich nicht. Auch während des Studiums habe ich viel Zeit auf Ausstellungen verbracht, und wenn einmal etwas Geld übrig war, habe ich es in Kunst investiert. Ich mochte die 50er-Jahre, mit denen meine Mutter gar nichts anfangen konnte. Für sie hörte die moderne Kunst bei den Expressionisten auf. Das war vielleicht meine Art des Aufbegehrens.

MK: Ich habe mich erst später auf die Kunst zurückbesonnen und dabei gemerkt, auf wie viel ich dank meiner Eltern zurückgreifen konnte. Ich hatte manchmal regelrechte Flashbacks aus der Zeit, als wir gemeinsam in Düsseldorf zu Joseph Beuys gingen oder auf die Art Cologne. Das erste Werk habe ich auch dort gekauft, Mitte der 80er-Jahre. Einen Totenschädel von Heike Ruschmeyer. Eigentlich untypisch für mich damals, ich habe erst einmal viel – wie meine Frau sagen würde – „dekorative“ Kunst gesammelt.

CK: Ich hatte einen anderen Ansatz. Die erste Arbeit, die ich erwarb, war ein Staubsaugerbeutel von Beuys. Das war 1986, auch auf der Art Cologne. Ich habe Beuys nie verstanden. Ich kaufe meistens Kunst, die ich nicht verstehe, weil ich glaube, ich verstehe sie besser, wenn ich sie besitze. Beuys war damals omnipräsent, nicht zuletzt auch im Fernsehen. Ich hatte das Gefühl, das ist was Bedeutendes, er hat etwas verändert!

MK: Nachdem wir zusammengekommen waren, konnten wir das Kunstsammeln viel reflektierter angehen, weil wir auf einmal jemanden hatten, mit dem wir darüber sprechen konnten. Ansonsten hatte unsere Umgebung, von den Eltern einmal abgesehen, relativ wenig Verständnis für unser Hobby. Kennengelernt haben wir uns übrigens auf der Armory Show in New York bei einem Abendessen.

CK: Schon einen Monat nach unserem Kennenlernen haben wir gemeinsam ein Bild gekauft, von Jonathan Meese. Es hängt heute in unserem Wohnzimmer. Wir sammeln ausschließlich deutsche zeitgenössische Künstler und zudem nur Malerei.

MK: Es gibt eine klare Linie. Die Arbeiten unserer Sammlung wurzeln, wenn man es als Stammbaum sieht, in den Werken Martin Kippenbergers, Sigmar Polkes und Albert Oehlens.

CK: Uns interessiert der Kontext: Wer hat wen beeinfl usst? Wer hat mit wem schon einmal zusammengearbeitet? Wer hat wen zum Schüler oder Professor? Wer hat was motivisch oder farblich von wem übernommen?

MK: Unsere Sammlung ist wesentlich stringenter als die meiner Eltern. Ich meine das völlig wertfrei. Sie sammeln viel Lichtkunst von Dan Flavin oder François Morellet, aber auch Malerei. Die einzelnen Arbeiten stehen dabei in keinem direkten Zusammenhang. Meine Eltern sind das, was man in der Wirtschaft wohl „Impulskäufer“ nennen würden. Sie gehen auf Messen und kaufen dort, was ihnen gefällt. Das ist eine sehr emotionale Herangehensweise.

CK: Uns ist die Zeitgenossenschaft sehr wichtig. Deswegen stammen alle Werke aus unserer Sammlung von westdeutschen Künstlern. Wir sind schließlich beide in der BRD aufgewachsen. Als die Mauer fiel, war ich 21. André Butzer zum Beispiel lebt mit denselben Comicfiguren, mit denen wir aufgewachsen sind, mit dieser amerikanischen Prägung. Auch die Hitler-Verarbeitung bei Meese spiegelt die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs in unserem Geschichtsunterricht wider.

MK: Unsere Sammlung ist sehr privat, deswegen haben wir auch keine Pläne, sie in naher Zukunft der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.