Schauspieler Mads Mikkelsen

"Betrunken zum Dreh kommen? Das ist ein No-Go!"

Mads Mikkelsen im Film "Der Rausch"
Foto: Henrik Ohsten/Weltkino/dpa

Mads Mikkelsen im Film "Der Rausch"

Im oscarprämierten Film "Der Rausch" spielt Mads Mikkelsen einen Lehrer, der durch konstantes Trinken sein Leben umkrempeln will. Ein Gespräch über die Ambivalenz von Alkohol und Exzesse im Filmgeschäft

In dem Film "Der Rausch" spielt Mads Mikkelsen einen Lehrer, der gemeinsam mit Kollegen ein Trinkexperiment startet. Die Idee: Ein paar Gläschen am Tag könnten ganz gut sein für ihre Leistungsfähigkeit. Das Drama von Thomas Vinterberg wurde mit einem Oscar für den besten Auslandsfilm ausgezeichnet. Vor dem Kinostart gab der 55-jährige Mads Mikkelsen der Deutschen Presse-Agentur ein Zoom-Interview.  

Herr Mikkelsen. wann hatten Sie zuletzt einen Drink?

Vor zwei Tagen. Ich muss gestehen, es war mehr als einer. Aber wir hatten Freunde zu Besuch und es war Bier.

In unseren Gesellschaften trinken wir zu besonderen Anlässen, und wir trinken einfach so. Ist Alkohol ein Problem oder kein Problem?

Beides. Das hängt davon ab, wo man hingeht und was man sich anschaut. Island zum Beispiel ist ein fantastisches Land, wo tolle Menschen leben. Aber es ist auch monatelang dunkel. Sie müssen also ihre Trauer im Alkohol ertränken – und feiern mit Alkohol, wenn die Sonne wieder zu sehen ist. Irgendwie gibt es ja immer eine Ausrede. Bei den Dänen ist es ähnlich. Es gibt immer eine Ausrede zu trinken. Dabei dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass es Alkohol schon seit Tausenden von Jahren gibt, in allen Kulturen. Es wurde immer für dasselbe genutzt: um die Konversation anzuregen, inspiriert zu werden und den Göttern oder Geistern näher zu sein.

Alkohol kann also auch gute Seiten haben?

Viele Filme sprechen über die Probleme und Gefahren von Alkohol, wie er Familien zerstören kann. Aber es gibt eben auch eine positive Seite. Wir alle wissen, dass sie existiert. Wir alle wissen, was zwei Gläser Wein bewirken können. Dass man sich dann einfacher unterhält, vielleicht sogar die zukünftige Ehefrau oder den zukünftigen Ehemann trifft. Manche Menschen haben herausragende Literatur geschrieben oder einen Weltkrieg gewonnen, obwohl sie total betrunken waren. Es gibt also auch beim Alkohol einige positive Dinge, und darüber will der Film sprechen.

Im Film geht es um eine Theorie, nach der der Alkoholgehalt im Blut bei Menschen zu niedrig ist und man regelmäßig etwas trinken müsste, um in Topform zu sein. Was halten Sie von der These?

Das gilt nicht für alle Menschen. Manche sind sowieso bestens drauf, auf natürliche Weise. Andere dagegen brauchen ein paar Schlucke, um in diese Zone zu kommen, wo alles richtig gut läuft. Die Theorie ist insofern richtig, dass sie korrekt beschreibt, was es bewirkt. Aber es ist wie mit allen Dingen, die gut sind: Man darf es nicht übertreiben. Wenn zwei Gläser gut sind, warum sollten drei dann schlecht sein? Oder vier?

Wie spielen Sie jemanden, der betrunken ist?

Häufig spielt man jemanden, der angetrunken ist und das vertuschen will. Das kann man gut spielen, weil einen auch genau das verrät: Du läufst langsamer, deine Bewegungen sind zu bemüht, du sprichst angestrengt. Es gibt aber auch den Punkt, an dem man so betrunken ist, dass es einem egal ist, ob andere das mitbekommen. Das ist sehr schwer zu spielen. Dafür haben wir sehr viele YouTube-Videos mit Menschen aus Russland geschaut, die extrem betrunken waren. Das hat uns sehr inspiriert. Diese Betrunkenen haben oft eine Mission, egal wie blöd die ist. Und sie fallen hin und vergessen dabei, ihre Hände zu benutzen.

Wie haben Sie das für diesen Film ausprobiert?

Wir haben das ganze Drehbuch ohne Kamera geprobt und hatten für ein paar Tage außerdem ein kleines Alkohol-Boot-Camp. Wir haben ein bisschen getrunken und gefilmt, dann haben wir noch ein bisschen mehr getrunken und auch das gefilmt. Es fühlte sich nicht so an, als wäre da etwas Ungewöhnliches passiert. Aber als wir es uns am nächsten Tag angeschaut haben, sah man, dass doch eine ganze Menge anders war. Die Hände hatten ein Eigenleben bekommen, das Sprechen veränderte sich. All das inspirierte uns und half, dann den Film zu drehen – ohne zu trinken. Denn das wäre eine Katastrophe geworden!

Was haben Sie denn genau getrunken für das Alkohol-Boot-Camp?

Schnaps und Bier. Schnaps macht einen schnell betrunken und wir hatten nicht viel Zeit, deswegen haben wir Schnaps genommen.

Im Filmgeschäft gibt es viele Partys und Premieren. Wie ist Ihre Erfahrung: Hat sich das im Laufe der Jahre verändert?

Das hat sich definitiv verändert. Betrunken zum Dreh zu kommen? Das ist ein No-Go. Das ist es, seitdem ich angefangen habe. Damals war es aber auch noch so etwas wie eine Übergangszeit: Gerade bei den Älteren gab es welche, die das noch machten. Das wurde nicht gern gesehen, aber davor war das normal. Man fing um 9 Uhr an zu trinken und gegen 13 Uhr konnte man nicht mehr drehen. Das war nicht nur in meinem Business so (...), hat sich in den letzten 30 Jahren aber enorm verändert. Gott sei Dank!

Als Ihr Charakter am Ende des Films betrunken ist, ist er ein sehr guter Tänzer. Wie sind Sie, wenn Sie betrunken sind?

Ich würde gern behaupten, dass ich dann lustig bin. Ich bin mir da aber nicht so sicher (lacht). Das weiß man nie! Ich werde nicht müde, aber gesprächig. Vielleicht ein bisschen zu sehr, das kann ich allerdings nicht beurteilen.

Hat sich Ihr Trinkverhalten während Corona verändert?

Antwort: Vielleicht trinke ich etwas weniger. Ich bin sehr sportlich gewesen während der ganzen Coronazeit. Wahrscheinlich fehlte mir auch das soziale Leben, immerhin ist Trinken ja auch eine sehr soziale Sache.

Sie drehen europäische Filme wie diesen, aber auch große Hollywoodproduktionen. Was sind für Sie die Vorteile dieser beiden Welten?

Antwort: Ich liebe es einfach zu arbeiten. Ich glaube, jeder Schauspieler liebt eine Vielseitigkeit bei der Arbeit. Ich bin mit großen Produktionen aufgewachsen, ich habe Piraten und Ritter und Actionfilme gesehen. Das war Teil meiner Kindheit. Nun sind Dramafilme in meiner Heimat meine Basis, das liebe ich. Und dass ich außerdem in so großen Produktionen mitspielen darf, mit denen ich aufgewachsen bin, ist eine große Ehre, ein Kindheitstraum, der wahr geworden ist.