Klangkunst-Ausstellung in New York

Hör, wie das Band rauscht

Wie klingt radioaktive Verstrahlung? Der dänische Künstler Jacob Kirkegaard, Absolvent der Kölner Kunsthochschule für Medien, besuchte zwei Jahrzehnte nach dem GAU Tschernobyl, um in geisterhaft leeren Gebäuden Sounds aufzunehmen. Tropfendes Wasser, den Wind, die leisen Geräusche im Raum hat er gleich vor Ort wieder abgespielt, erneut aufgezeichnet, übereinandergeschichtet: Die Verlassenheit wird laut. „Aion“, auf Deutsch Ewigkeit, heißt Kirkegaards Werk von 2006 und ist eine von 15 Arbeiten, die es in die Schau „Soundings – A Contemporary Score“ im Museum of Modern Art (MoMA) geschafft haben. Das New Yorker Haus widmet sich damit zum ersten Mal in einem größeren Rahmen der Klangkunst – höchste Zeit, denn die künstlerische Beschäftigung mit Sound gehört längst bei jeder Großausstellung dazu.

Auf der Venedig-Biennale 2011 beispielsweise machte der britische Künstler Haroon Mirza auf sich aufmerksam: Mit seiner Installation „Sick“, in der Goldnuggets auf einem brummenden Lautsprecher tanzen, während Bilder von Menschenmengen auf einer kleinen, unter einer Bank versteckten Leinwand stroboskopartig aufleuchten, gewann Mirza damals einen Silbernen Löwen.

Auf der Grenze zwischen Skulptur, Installation und Klangkunst balanciert auch das Werk von Carsten Nicolai, dessen „Wellenwanne lfo“ im MoMA zu sehen ist: Subfrequenzen werden in ein Becken voll Wasser übertragen und erzeugen darin Bewegungsmuster. Sound wird zum Bild.

Turner-Prize-Trägerin Susan Philipsz ist mit einer ihrer suggestiven Multikanalinstallationen vertreten. Für „Study for Strings“ (2012) hat die schottische Künstlerin Musiker gebeten, das gleichnamige Stück des Komponisten Pavel Haas in separaten Noten zu spielen, die sie dann, auf verschiedene Lautsprecher verteilt, wieder zusammensetzte: eine Übung in Dekonstruktion. Erstmals vorgestellt hatte Philipsz die Arbeit auf der Documenta 13, und zwar ganz am Ende eines Bahnsteigs, einem geschichtsträchtigen Ort: Vom Kasseler Bahnhof fuhren während des Zweiten Weltkriegs Züge mit deportierten Juden ab. Haas selbst hatte das Stück in einem KZ komponiert, bevor er 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Man darf gespannt sein, wie sich das Werk in die Museumsräume übertragen lässt – das Ortspezfische, das typisch ist für viele neuere künstlerische Arbeiten mit Klang, ist eines der Themen der Schau. Ein anderes ist die Vielfältigkeit des Genres, das vielleicht längst gar keines mehr ist, sondern schlicht Teil aktueller Kunstpraxis: Klang ist heute ein Ausdrucksmittel unter vielen, Teil von Skulptur, Video, Installation. Eine Schublade braucht die neue Sound-Art also nicht – aber eine Überblicksschau ist trotzdem hochwillkommen.
 
„Soundings – A Contemporary Score“, Museum of Modern Art, New York, 10. August bis 3. November