Nürnberger Institut feiert 50. Geburtstag

Gralshüter der Kunst

Gegenwartskunst auch für Laien zugänglicher machen - mit diesem Vorsatz rief ein umtriebiger Kurator 1967 das Institut für moderne Kunst Nürnberg ins Leben. In 50 Jahren hat sich die Einrichtung eine Sonderstellung in der deutschen Kunstlandschaft erarbeitet

Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner, Gelehrter - Joseph Beuys war ein Mann mit vielen Talenten. Aber wer weiß, dass der im Jahr 1986 gestorbene Ausnahmekönner auch ein Kochkünstler war? Manfred Rothenberger weiß es - und hat es schwarz auf weiß. "Beuys, Professor an der Akademie Düsseldorf, zeigte sich erstaunten Gästen des Restaurants in der Altstadt als Meisterkoch", heißt es in einem Presseartikel von 1968 - und weiter: "Das Menü, das er nach zweistündiger Vor- und Brutzelarbeit servierte, hatte den Namen 'Prädikat gut'. Es bestand aus Crêpe-Suppe, Schweinshaxe mit gedämpfter Schlangengurke, zum Dessert Kaffee und Kokosnuss. Die Gäste, darunter viele Künstler, sparten nicht mit Appetit und Beifall."

Das Zeitdokument über Beuys' kulinarisches Wirken hütet das Institut für moderne Kunst Nürnberg, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. In seinen Regalen lagern rund 24.000 Dossiers zu namhaften und weniger bekannten zeitgenössischen Künstlern. Dazu kommen 600.000 Publikationen und Presseausschnitte zur Kunst nach 1945 und "graue Literatur" - also Flyer, Plakate und Einladungskarten zu Ausstellungen, die kaum eine andere Einrichtung in Deutschland sammelt. Jedes Jahr griffen auf die Bestände etwa 1000 Nutzer zu - Künstler, Kuratoren und Kunsthistoriker, aber auch Lehrer, Schüler und Studenten, sagt Rothenberger, der Direktor des Instituts. Er schwärmt von der Sammlung. "Das ist ein Riesenschatz."

Tatsächlich ist das Institut mit Sitz im Neuen Museum Nürnberg so etwas wie der Gralshüter unter den Kunstbibliotheken in Deutschland. Es gebe bundesweit keine andere Einrichtung, die "mit einer solchen Konsequenz" Presseausschnitte zur Gegenwartskunst sammle, sagt Anne Thurmann-Jajes, Sprecherin des Arbeitskreises Kunstarchive. Gerade für die Forschung sei das eine "wunderbare Quelle."

Rothenberger drückt es so aus: "Wir machen hier praktisch eine Recherchearbeit, die es den nächsten Generationen ermöglicht, Kunstgeschichte zu schreiben." Dabei komme Presseausschnitten eine entscheidende Rolle zu. "Die Zeitung ist ja viel näher am Tagesgeschehen dran als ein Kunsthistoriker, der sich nach 20 Jahren mit einem Zigarillo im Mund zurücklehnt und sagt: "Jospeh Beuys hat dies und jenes gemacht." Hier spürt man, wie die Künstler provoziert haben oder wie schwierig und klein deren Anfänge oft waren."

Gegründet wurde das Institut von Dietrich Mahlow, einem umtriebigen Kunsthistoriker, den Rothenberger als "ziemlich skurril" beschreibt. Mahlows Idee: Die in den 1960er-Jahren eher als Spielwiese der Bildungsbürger verschriene Gegenwartskunst zugänglicher zu machen. Die Anfänge waren bescheiden. In einem Miniraum in der historischen Nürnberger Kaiserburg lagerten zunächst 30 Ordner - mit Informationen zu den damals angeblich wichtigsten 30 Künstlern, wie Rothenberger sagt. Mittlerweile kämen seine etwa zehn Kollegen kaum mit der Arbeit nach.

Ständig sichten Experten im Institut bis zu 20 wichtige Tages- und Wochenzeitungen und etwa 50 Kunstmagazine im deutschsprachigen Raum. In jeder Ecke sitzen "Schnipsler", die Artikel ausschneiden, mit säurefreiem Kleber auf Papier bannen und abheften. Inzwischen setzt man auch verstärkt auf Digitalisierung: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördere ein Pilotprojekt, bei dem seit Anfang 2015 die Presseauschnitte schrittweise digitalisiert und im internen Online-Katalog hinterlegt werde. Im Netz sei die Sammlung nicht frei zugänglich, da die Urheberrechtsgesetze dies nicht zuließen, bedauert Vizedirektorin Kathrin Mayer, die das Archiv leitet.

Um in die Institutsannalen einzugehen, muss ein Künstler beileibe kein Großer sein. Sobald drei Archivalien zu einer Person vorliegen, etwa ein Presseausschnitt und zwei verschiedene Einladungskarten zu einer Ausstellung, werde ein Dossier angelegt, erklärt Mayer.

Oft fragten ihn Leute, ob sich aus dem Archiv herauslesen lasse, ob oder wie jemand berühmt werde, erzählt Rothenberger - und antwortet gleich selbst: "Keine Ahnung. Und außerdem: Wer jetzt berühmt ist, ist vielleicht in 20 Jahren vergessen." Eine Wertung der Künstler nehme das Institut bei der Auswahl nicht vor. Gleichwohl müsse eine gewisse Professionalität erkennbar sein.

In Zusammenarbeit mit Künstlern bringt das Institut auch Bücher heraus und organisiert jährlich acht bis zehn Ausstellungen. Noch wird das Institut vor allem vom Freistaat Bayern, dem Bezirk Mittelfranken und der Stadt Nürnberg getragen. Das nächste große Ziel sei Bundesförderung, sagt Rothenberger.